BLOODSTRINGS

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Überzeugung, ein paar Kästen Bier und sechs Eier

Die traditionsreiche Stadt Aachen ist ja für vieles bekannt: den Karlspreis, die Alemannia oder die berühmten Printen. Eventuell schwingt sich nun sogar eine Band zu einem weiteren Kulturgut der Stadt auf. Geht Punkabilly etwa auch in ganz groß? Wir unterhalten uns mit den sich musikalisch enorm schnell weiter entwickelnden BLOODSTRINGS, deren neues Album „Born Sick“ von Wolverine auf Vinyl gepresst wurde, und Celina (voc), Nick (bs), Patrick (dr) und Manni (gt) haben einigen Redebedarf.

Eure erste CD „Hit You Hard“ erschien 2013 in einer 100er Auflage und liebevoll aufgemacht. Dennoch habe ich damals im Ox Kritik daran geäußert. Dachtet ihr da, lass den doch reden, oder habt ihr daraufhin euer Wirken vielleicht noch einmal überdacht?

Patrick:
Klar nimmt man Kritik, vor allem konstruktive, schon ernst, jedoch bekomme ich deswegen keine Heulkrämpfe oder fange an, an uns und unserer Mucke zu zweifeln oder Ähnliches. Zu der Zeit, als wir „Hit You Hard“ rausgebracht haben, waren unsere Möglichkeiten einfach begrenzter und wir auch alle noch nicht wirklich erfahren, was das Aufnehmen angeht.

Celina: Es war uns schon bewusst, dass unser Sound und die Aufnahmequalität damals noch nicht überragend waren. Aber jede Band muss ja irgendwo anfangen. Darum wollten wir trotzdem versuchen, unsere ersten Stücke schon mal aufzunehmen. Jedoch haben wir Kritik schon immer als Motivation aufgenommen, um uns zu verbessern, sowohl was unsere erste EP als auch was unseren ersten Longplayer „Coal Black Heart“ angeht.

Nun war ja euer erster Release danach schon recht anspruchsvoll, das neue Album „Born Sick“ ist nun aber noch weitaus besser. Was war das Rezept?

Manni:
Das genaue Rezept für „Born Sick“ ist geheim und befindet sich im BLOODSTRINGS-Kochbuch. Ein paar Zutaten darf ich aber verraten: Gute Vorproduktion, besseres Songwriting, persönlichere Texte, Hammer-Studio mit einem genial mitdenkenden Team, ausgewogene Songauswahl, Überzeugung, ein paar Kästen Bier und sechs Eier.

Nick: Die Songs auf „Born Sick“ haben uns einfach so viel bedeutet, dass wir soundmäßig eine Schippe drauflegen wollten. Wie Patrick und Celina schon sagten, wir haben einfach Erfahrung gesammelt, was das Aufnehmen und so weiter angeht. Unser Songwriting hat sich insofern geändert, dass wir nicht mehr so sehr diese Horrorschiene fahren und uns generell mehr Luft lassen. Ist dann egal, ob das Psychobilly oder Punk oder gar nichts von beidem ist.

Nicht selbstverständlich ist ja auch, dass ihr zur CD auch direkt Vinyl gepresst bekommt.

Manni:
Wir sind selbst alle sehr große Vinylliebhaber, deswegen lag uns viel daran, unsere Musik auch auf Schallplatten pressen zu lassen. Zum anderen ist Vinyl in den meisten Subkulturen rund um Punk, Billy, Metal immer noch sehr beliebt, und ja, das möchte man natürlich wertschätzen und wir hoffen, dass das auch lange noch so bleibt.

Nick: Das ist auch das, was wir haben wollten. Wir haben einmal D.I.Y. Vinyl rausgebracht und das war eben für uns total teuer. Dass Sascha von Wolverine uns eine Vinylversion gepresst hat, beweist natürlich eine Art Wertschätzung und das bedeutet uns viel.

Immer wenn etwas mit „Billy“ zu tun hat und ein Kontrabass zu hören ist, habe ich den Eindruck, dass große Festivals als Auftrittsmöglichkeit von vornherein ausgeschlossen zu sein scheinen. Warum gibt es dieses krasse „Love it or hate it“ bei diesem Genre eurer Ansicht nach?

Patrick:
Ich denke, das Problem ist, dass Leute Musik zu gern in bestimmte Schubladen stecken wollen. Da fällt man einfach für viele als Band mit Kontrabass schon mal direkt raus. Manchmal lohnt sich vielleicht ein genaueres Hinsehen oder -hören.

Nick: Ich bewege mich öfter mal in der Psycho-Szene, wo man sich auch wundert, dass nicht mehr Punks diese Mucke mögen. Ich glaube, das liegt an sehr vielen Vorurteilen. Für viele Punks, auch unter unseren Fans, hat Rock’n’Roll/Psychobilly etwas mit Machogehabe zu tun. Nicht selten wird der Billy-Musik auch vorgehalten, dass sie zu unpolitisch sei. Die Wahrheit ist aber, dass diese Musik für dieselben Dinge steht wie Punkrock, nur das wissen viele eben nicht. Geschmäcker sind nun mal Geschmäcker, aber ich finde, etwas Diversität würde jeder Szene mal gut tun. Die Punker täten gut daran, genauso wie die Psychobillies und Greaser jungem, freshem Sound eine Chance geben sollten.

Über euch heißt es immer: „Coole Live-Band und sehr sympathisch“. Liegt das auch daran, dass ihr auf Stargehabe verzichtet?

Celina:
Es kommt vielleicht daher, dass wir die Stimmung, die bandintern herrscht, irgendwie auch ausstrahlen. Wir kennen uns schon seit über zwölf Jahren und sind immer gute Freunde gewesen. Auf der Basis laufen Tourleben und Bühnenshows relativ stressfrei ab und wir treten den Leuten meist gut gelaunt und offen gegenüber.

Patrick: Wir sind ja auch unglaublich cool und sympathisch. Stargehabe finde ich generell bei Bands und vor allem im Punk/Rock-Bereich unsinnig. Wir sind ja keine Boy-Band, bei der es auf perfekt sitzende Frisuren und den neuesten Look ankommt. Wobei Nick mit seiner Frisur vielleicht ganz gut abschneiden würde.

Manni: Starallüren hatte, glaube ich, noch nie einer von uns und ich hoffe auch, dass das so bleibt. Wir sind auch sehr anpassungsfähig und flexibel, was die Umstände bei Gigs angeht, und als Truppe sehr eingespielt, was uns bei so was meistens sehr in die Hände spielt und den eigenen Stress reduziert. Zum anderen saufen wir aber auch einfach für unser Leben gerne und sind sehr gesellige, offene und tolerante und ehrliche Menschen. Da kommt man schnell in Kontakt mit verschiedensten Menschen aus aller Welt und das macht einfach einen Heidenspaß.

Kommen wir zu „Born Sick“. Der Song „Kiss goodbye“ mit der Zeile „See you on the other side“ geht einem nicht mehr aus dem Kopf, musikalisch und inhaltlich. Ist dies ein rein prophylaktischer Song oder wirkliche Trauerarbeit?

Nick:
Das Tolle an dem Song ist, dass er so mehrschichtig ist. Vielleicht ist es ein Abschiedsbrief von jemandem, der mal abhauen muss. Vielleicht geht es auch um das heikle Thema Selbstmord, wenn man keinen Ausweg mehr weiß. Ich hatte die Idee dazu und habe den Text mit Celina fertig geschrieben. Er bedeutet mir sehr viel, denn solch ein Stück wird bei uns nicht „einfach so“ gemacht, sondern er verarbeitet tatsächliche Gefühle. Das tut jeder Track auf die eine oder andere Weise. „Born Sick“ ist überhaupt ein Album mit sehr ehrlichen Songs meinerseits, da ich zu der Zeit viel zu verarbeiten hatte.

Celina: Daraus entstanden ist ein Song, der von Verlust- und Existenzangst handelt und von den Dämonen, die man bekämpfen muss, wenn man erwachsen wird. Natürlich dramatisieren wir das etwas, unsere Texte haben aber meist einen wahren Kern.

„Mondsüchtig“ habt ihr zusammen mit der lieben Kitty Casket eingespielt. Zwei Ladys singen gemeinsam, nicht gewöhnlich im Punkabilly/Psychobilly-Bereich ...

Nick:
Der Song ist aus drei gleichen Teilen entstanden: Ich hatte so eine Grundidee für das Thema, weil ich noch was auf Deutsch haben wollte. Celina hat den Text dann weitergesponnen und aus meinen wirren Ideen einen strukturierten Song gemacht und die Musik stammt komplett von Manni. Als der Song dann fertig war, wussten wir, dass das ein prima Song für Kitty ist, weil er eben so eine leichte Horrorkomponente hat und ein deutscher Song für die beiden Stimmen bestimmt was Geiles wäre!

Manni: Mit KITTY IN A CASKET sind wir ja jetzt schon etwas länger befreundet und dass wir auf „Born Sick“ ein Feature mit Kitty haben wollten, hatte sich einfach in unseren Köpfen festgesetzt.

Inwieweit seid ihr gewappnet, sollte der große Wurf gelingen und ihr auf die große US-Tour geschickt werdet oder so. Ist das zeitlich alles gut machbar für euch?

Patrick:
Wir haben alle Jobs und sind schon sehr eingespannt. Das macht das Planen von Konzerten und vor allem das Touren schon sehr schwierig. Wir verschieben aber oft Dinge und verbraten fast den gesamten Urlaub für unsere Auftritte.

Nick: Gewappnet sind wir aber grundsätzlich für alles. Wir arbeiten hart an unserer Band und möchten immer weiter nach vorn preschen, so schnell werdet ihr uns also nicht los! Ein Teil eines großes Traums ist dank dieser Band für uns alle bereits wahr geworden, doch wir kommen an so einen Punkt langsam, an dem man entweder die Füße stillhält oder richtig Gas gibt. Und wir werden jetzt erst richtig loslegen.