ByteFM

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Happy birthday!

Dieser Tage feiert das Hamburger Web-Radio-Projekt ByteFM seinen 10. Geburtstag, und gefühlt ist das in Zeiten schnelllebiger Internet-Trends und sich ständig ändernder Musikhörgewohnheiten eine halbe Ewigkeit. ByteFM-Chef Ruben Jonas Schnell erläutert uns, wie sich ByteFM halten und etablieren konnte und heute ein Rückzugsort für Menschen ist, die Radio-Musikjournalismus jenseits des Mainstreams suchen.

Ruben, hättest du vor zehn Jahren gedacht – gehofft sicher –, dass das Projekt ByteFM so lange Bestand haben wird? Und warum hat ByteFM überlebt?


Gehofft? Na klar. Gedacht? So weit haben wir damals nicht gedacht. Als wir ByteFM gegründet haben, war das ein Liebhaberprojekt: Wir wollten unseren eigenen kleinen Sender auf die Beine stellen. Was alles damit zusammenhängt, wie viel Zeit und Arbeit wir investieren mussten, das war uns damals noch gar nicht so klar. Aber auch nicht, dass wir mit ByteFM dermaßen viele Leute erreichen und begeistern würden. Täglich hören mehr als 50.000 Menschen unser Programm, und der Förderverein „Freunde von ByteFM“ hat inzwischen 5.000 Mitglieder, die den Sender finanzieren. Dass dieser Verein weiter wächst, ist wichtig, damit wir unser Programm verbessern und die Strukturen weiter professionalisieren können. Wirtschaftlich sichert der Verein das Überleben von ByteFM. Emotional wird das Projekt von unserer gemeinsamen Begeisterung am Leben gehalten: für gute Musik und für das Radio. Der Team-Spirit ist einfach toll bei ByteFM. Alle Beteiligten teilen die Vision eines guten, unabhängigen Musikradios.

ByteFM wird getragen von einem Förderverein, durch Mitgliedsbeiträge. Vor zehn Jahren redete noch keiner von Crowdfunding, da hatte man einfach Abonnent*nnen, wie das Ox ... Mittlerweile ist euer Konzept, das zuvor in der Art auch schon von der taz und jüngst von Krautreporter zur Finanzierung von unabhängigem Journalismus angewandt wurde, ein Gegenmodell zur Komplettkommerzialisierung von Journalismus. Ist das aber auch ein Zukunftsmodell?

Ich denke, ja. Zumindest für einige wenige. US-amerikanisches Public Radio funktioniert letztlich ja auch über Crowdfunding: Hörerinnen und Hörer sichern durch Beiträge und regelmäßige Unterstützung die Unabhängigkeit des Programms. Damit so was aber tatsächlich „funktioniert“, muss die „Crowd“ natürlich groß genug sein. Und das ist nicht ganz einfach. Mit inzwischen 5.000 Fördermitgliedern erreichen wir endlich das absolute Minimum, das für ByteFM nötig ist. Eigentlich brauchen wir die doppelte Menge an Fördermitgliedern. Dann werden wir in der Lage sein, Team und ModeratorInnen vernünftig zu bezahlen und die Strukturen nachhaltig so zu verbessern, dass ByteFM gut weiter existiert. Ich glaube, dass es uns in den nächsten Jahren gelingen wird, den Verein soweit zu stärken.

Vor zehn Jahren gab es keine YouTuber, Podcasts als Massenphänomen auch nicht. „Bedrohen“ solche noch individuelleren, kleinteiligeren Formate eure Form von Musikjournalismus?

So nehme ich das nicht wahr. Ich betrachte solche Angebote und auch Streaming-Dienste wie Spotify, Deezer und Co. eher als Ergänzung zu einem musikjournalistischen Angebot – im Radio oder auch zu dem, was ihr mit Ox macht. Hintergrundinformationen liefern wir, und wenn Leute punktuell weiter suchen wollen, machen sie das bei YouTube oder Spotify. Oder auch andersrum: Leute hören Spotify. Das weckt ihr Interesse. Und bei uns – und euch – erfahren sie mehr. Außerdem gibt es kein größeres Hörvergnügen, als beim Zwiebelschneiden einer toll gemachten Musiksendung voller Überraschungen zu lauschen, mit einer Moderatorin oder einem Moderator, deren oder dessen Persönlichkeit einem Musik ganz anders nahebringt, als das ein Stream tun könnte.

Ihr geht einen dritten Weg – weder total D.I.Y. wie etwa Punkrocker’s Radio, noch kommerziell –, da eure rund 100 Moderatorinnen und Moderatoren ehrenamtlich arbeiten. Warum machen die das?

Weil sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit bei ByteFM wertgeschätzt wird, und weil sie wissen, dass sie bei ByteFM viele Hörerinnen und Hörer erreichen. Und es macht einfach Spaß, gemeinsam dieses Programm auf die Beine zu stellen.

Was könnt ihr, was die Privaten und die Öffentlich-Rechtlichen nicht können?

Anders als andere private Sender, die vor allem Ausschalt-Impulse vermeiden wollen und Musik letztlich einsetzen, um Werbung zu verkaufen, steht bei uns die Musik im Mittelpunkt. Was gut, interessant, aufregend ist, wird gespielt. Anders als Öffentlich-Rechtliche, bei denen musikjournalistische Sendungen nur auf bestimmten Sendeplätzen stattfinden – wie zum Beispiel dem „Nachtclub“ auf NDR Info, für den ich ja auch tätig bin –, kümmern wir uns bei ByteFM rund um die Uhr um Musikjournalismus. Außerdem lassen sich bei ByteFM gute Ideen schnell umsetzen. Die Hierarchien sind flach. Was uns gefällt und was sinnvoll erscheint, machen wir.

Wie muss man sich die Alltagsarbeit vorstellen? Wie ein klassisches Rundfunkstudio? Oder „basteln“ eure Moderator*innen die Sendungen selbst zu Hause am Rechner zusammen?

Die Autorinnen und Autoren mit eigenen Sendungen planen am heimischen Arbeitsplatz und produzieren entweder in unseren Studios in Hamburg oder Berlin oder auch bei sich zu Hause, in eigenen kleinen Hörfunkstudios. Trotzdem gibt es einen Redaktionsalltag: Täglich sind zwei Handvoll Leute damit beschäftigt, die Sendungen zu planen und die Website zu betreuen, Musiker zu begrüßen, die uns im täglichen „ByteFM Magazin“ für Interviews besuchen. Sendungen wie das „ByteFM Magazin“ werden auch redaktionell und planerisch betreut.

Euer Programm ist stilistisch sehr breit aufgestellt. Was geht, was keinesfalls?

Stilistisch geht alles. Nur sollten Moderatorinnen und Moderatoren ihre Sendungen immer so aufbereiten, dass auch Leute einen Zugang finden, die noch nicht alle vorgestellten Künstler ohnehin schon kennen. Wichtig ist, die Hörer „abzuholen“ und nicht durch überzogenes Musik-Checkertum zu verschrecken. Das bekommen unsere Moderatorinnen und Moderatoren gut hin.