Cover-Ikonen: DEVO - Q: Are We Not Men? A: We Are Devo! (Warner, 1978)

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Vor DEVO war die visuelle Kunst, das gilt für alle DEVO-Mitglieder gleichermaßen. Sie war es auch, die die „De-Evolution Band“ (kurz DEVO) 1973 im Rahmen einer dadaistisch durchgeknallten, konformismuskritischen Performance mit einer Bombastrockpersiflage voller schräger Gitarren und Drums als SEXTET DEVO zusammenbrachte.

Der dem Bandnamen zugrundeliegende, im angelsächsischen Raum zeitweise heißdiskutierte Begriff „De-Evolution“, ist im deutschen Sprachraum nicht gebräuchlich und lässt sich eigentlich je nach Schwerpunkt mit Regression im Sinne eines Rückfalls in primitivere Verhaltensmuster oder aber als Degeneration eines Lebewesens in physischer Hinsicht übersetzen. DEVO bauten aber gleich ihr ganz eigenes Theoriegebilde rund um diesen Begriff auf. „In The Beginning Was The End: The Truth About De-Evolution“, die Kurzfilm-Version der Ur-DEVO-Performance, wurde später vor jedem DEVO-Konzert gezeigt. Szenen aus diesem Film zieren auch das Cover der europäischen Version ihres 1978 veröffentlichten Debütalbums mit dem sperrigen Titel „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!“.

Ohne Hintergedanken geht es bei DEVO bekanntlich nicht, auch der Titel ist teilweise aus einem anderen, passenden Kontext geklaut: „Are we not men?“ stammt aus H.G. Wells’ 1896 erschienenen Proto-ScFi-Horrorroman „Die Insel des Doktor Moreau“, in dem Tiere zu menschenähnlichen Wesen umoperiert werden, aber nach und nach wieder in ihre tierischen Verhaltensmuster zurückfallen. Zwar zeigen DEVO sich 1978 noch nicht mit dem blumentopfähnlichen Plastikhut auf dem Kopf, aber das Stilmittel der satirischen Überhöhung rund um das Thema Konsum und Gleichmacherei existierte auch damals schon. „Wir fühlten uns von den tiefsten Niederungen der Popkultur wie Werbegrafiken und furchtbare TV-Spots extrem angezogen und abgestoßen zugleich“, erklärt Bassist Jerry Casale. Nicht weiter verwunderlich also, dass das originale US-Coverartwork auf einem von der puerto-ricanischen Golflegende Chi Chi Rodriguez lizensierten Golfsportartikel beruht. Chi Chi war ein US-weit bekannter und beliebter bunter Vogel in der sonst eher langweiligen Golfwelt, ein dandyhafter Scherzkeks mit Strohhut und schrillen Hemden. Irgendwie schrullig in der Vergangenheit verharrend, rückwärts- und doch vorwärtsgewandt, in diesem Anachronismus haben sich DEVO wohl ein Stück weit auch wiedererkannt. Dazu der Golfball, der seinen Kopf wie der Heiligenschein einer russischen Ikone umgibt. Mehr Kommerzüberhöhung geht kaum.

Also verewigte man dieses Bild zunächst 1978 auf dem Frontcover der auf Stiff Records veröffentlichten Single „Be Stiff“, einer frotzelnden Hymne rund um konservativen Starrsinn. Die Single erreichte nicht zuletzt dank großzügiger Publicity von David Bowie und Brian Eno Platz 71 der UK-Singles-Charts, für die Veröffentlichung des darauffolgenden ersten Albums stand schon das Majorlabel Warner in den Startlöchern. Ein wenig unter Zeitdruck entschieden DEVO sich für die erneute Verwendung des bewährten Artworks, was Warner-Vize David Berman aus Angst vor einer Klage des Profigolfers ablehnte. Zwar wurde Chi Chis Einverständnis angefragt, die Rückmeldung dauerte Warner allerdings zu lange, also entschied man sich für einen Kompromiss, nahm den Chi Chi-Kopf und kombinierte ihn mit einem zusammengemorphten Bild von den zu dem Zeitpunkt letzten vier US-Präsidenten Kennedy, Johnson, Nixon und Ford, das Sänger Mark Mothersbaugh herumliegen hatte. De-evolutionary Art. So hat der Abgebildete John Kennedys Haaransatz, Lyndon Johnsons Ohren, Richard Nixons Nase und Chi Chis Kopf mit seinem gespiegelten Mund. Chi Chi hat übrigens kurz nach Fertigstellung der Platte der Veröffentlichung seines Bilds zugestimmt und als Gegenleistung um fünfzig Exemplare zur Weitergabe an Freund und Verwandte gebeten. Später gefragt, ob ihm sein Kopf auf dem Albumcover nicht seltsam vorgekommen sei, sagt er dazu: „Ich betrachte das von der positiven Seite: Es sieht ein bisschen wie ich aus. Der Hut jedenfalls sieht nach mir aus“. In jeder Hinsicht ein Meisterwerk der Pop-Ironie.