GET UP KIDS

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Lange Zeit hat man nichts von THE GET UP KIDS gehört. Das letzte Album „There Are Rules“ hat schon sieben Jahre auf dem Buckel und auch besonders intensive Live-Aktivitäten waren nicht festzustellen. Und dann kam plötzlich die Nachricht von einer neuen EP. „Kicker“ heißt sie, umfasst vier neue Songs, die den hymnischen Emo-Punk-Sound der Jahrtausendwende wieder zurückholen, als Songs wie „Valentine“ oder „Never be alone“ die Listen von Lieblingsliedern anführten. Heute sind die Jungs aus Kansas City ein paar Jahre älter, die meisten haben Kinder, teilweise haben sie studiert oder Firmen gegründet. Aber eines haben sie nicht verlernt: grandiose Songs zu schreiben. Sänger Matt Pryor spricht darüber im Interview, als wäre es das Einfachste auf der Welt.

Matt, sieben Jahre sind seit eurem letzten Album vergangen. Was ist seitdem passiert? Warum hat das so lange gedauert?


In den letzten sieben Jahren ist unser Gitarrist Jim wieder aufs College gegangen, um seinen Abschluss in Geologie nachzuholen. Viele von uns haben Familien gegründet, haben geheiratet und Kinder bekommen. Wir alle haben in anderen Bands gespielt und so weiter. Das ganz normale Leben. Es war eben schwierig, das alles zeitlich unter einen Hut zu bekommen. Und so haben wir hier und da mal Songs geschrieben und irgendwann hatten wir genug Material für diese EP zusammen.

Warum habt ihr die EP „Kicker“ getauft? Gibt es diese Tischfußball-Kultur in amerikanischen Kneipen oder Clubs auch?

Nein, ehrlich gesagt haben wir den Begriff „Kickern“ auf unserer ersten Tour durch Europa kennen gelernt. Es ist einfach ein netter Zeitvertreib für uns. Wir haben uns sogar einen Tisch gekauft, wenn wir zum Beispiel im Studio sind und Zeit totschlagen müssen. Es ist etwas, das wir gerne mögen. Und wenn wir Konzerte in Europa spielen, kickern wir sehr oft. Unser Drummer Ryan und unser Bassist Rob sind inzwischen wirklich gut darin.

„Kicker“ klingt fast schon lustig für den Titel einer GET UP KIDS-Platte, finde ich.

Keine Ahnung. Das war eigentlich nicht unsere Absicht. Ich finde auch nicht, dass wir eine besonders melancholische Band sind, vielleicht ein bisschen düster. Ich denke, keines unserer Alben hat einen melancholischen Titel.

Worum geht’s in den neuen Songs?

Es geht vor allem darum, wo wir gerade im Leben stehen. Wir machen uns Gedanken um die Vergangenheit und die Zukunft. Ich will da gar nicht so sehr ins Detail gehen, mir ist es lieber, die Leute interpretieren selbst in die Texte hinein, was ihnen gefällt.

Der Sound von „Kicker“ klingt ziemlich rauh und punkig. Das letzte Album „There Are Rules“ hatte ja auch elektronische Elemente.

Wir testen einfach immer verschiedene Sachen aus, suchen immer neue Herausforderungen. Und diesmal hatten wir uns eine Rock-Platte mit fetten Gitarren vorgenommen. Auf dem letzten Album gab es Songs, die gar keine Gitarren hatten.

Wir groß war der Einfluss von euren Nebenprojekten auf den Sound? Von deinen Soloplatten oder Bands wie THE NEW AMSTERDAMS, REGGIE & THE FULL EFFECT, LASORDA oder THE TERRIBLE TWOS?

Wir alle greifen Einflüsse von unseren anderen Bands auf oder unterschiedlichen Erfahrungen, die wir im Leben machen. Aber ich denke, keine dieser Bands klingt wie THE GET UP KIDS. Die Band ist mehr als die Summe der Einzelteile. Wenn wir zusammen kreativ sind, macht es einfach klick. Deshalb ist es etwas völlig anderes, wenn ich alleine Musik mache oder Jim solo arbeitet.

Vor 13 Jahren hattet ihr euch kurzzeitig mal aufgelöst, nachdem es jede Menge Konflikte in der Band gab. Wie geht ihr jetzt damit um?

Wir verbringen mehr Zeit getrennt voneinander, lassen uns gegenseitig mehr Freiraum. Außerdem kennen wir uns jetzt schon seit mehr als 25 Jahren und haben inzwischen gelernt, wie man besser miteinander kommuniziert. Aber der Schlüssel für ein gutes Verhältnis sind die Auszeiten.

Wer hatte die Idee für den Neustart nach dreieinhalb Jahren?

Keine Ahnung. Das ist jetzt auch schon wieder zehn Jahre her. Irgendwie hatten wir alle diese Idee. Jeder in der Band wollte das einfach. Es hatte auch niemand von uns verlangt, aufzuhören. Wir wussten eben, dass wir eine Pause brauchten. Und ich bin damals wirklich ausgestiegen. Das ging von mir aus. Wenn ich älter und schlauer gewesen wäre, hätte ich einfach nur eine Auszeit genommen.

Ist es heute nicht komisch, emotionale Songs zu singen, die ihr geschrieben habt, als ihr zwanzig Jahre alt wart? Jetzt seid ihr viel älter, habt Familien und eine völlig andere Perspektive.

Nein, für mich ist das irgendwie wie ein Tattoo. Du hast es dir stechen lassen, als du noch viel jünger warst, aber es repräsentiert diese Lebensphase. Ich habe überhaupt kein Problem, diese Songs zu performen. Manchmal denke ich aber nicht mehr darüber nach, was ich da singe. Bei Konzerten geht es vor allem darum, das Publikum zu beglücken. Und diese Songs gehören einfach zu den Favoriten.

Ihr habt übrigens auch zwei meiner All-time-Favourite-Songs geschrieben: „Valentine“ und „Never be alone“.

Oh danke. Das ist übrigens lustig. In den beiden Songs geht es um das gleiche Paar. Der eine ist über den Beginn ihrer Beziehung, der andere behandelt die Trennung.

Das letzte Album ist bei eurem eigenen Label Quality Hill Records erschienen. Die neue EP kommt aber über Polyvinyl in den USA und Big Scary Monsters in Europa heraus. Warum?

Weil wir sehr gute Songwriter und Performer sind, aber keine guten Geschäftsführer für ein Plattenlabel. Wir wollten uns auf unsere Stärken konzentrieren, deshalb haben wir uns Partner ins Boot geholt, die das besser können als wir. „There Are Rules“ hat uns gelehrt, dass wir nicht gut darin sind, eine Plattenfirma zu führen. Vielleicht sind wir gut darin, sie zu besitzen, aber nicht darin, sie zu leiten. Wir haben das letzte Album einfach nicht gut promotet. Viele Leute wissen nicht einmal, dass „There Are Rules“ überhaupt existiert. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, aber ich fände es schön, wenn Polyvinyl es wiederveröffentlichen könnte.

Wird es demnächst auch ein neues Album von THE GET UP KIDS geben?

Ja. Wir wollen es im September aufnehmen. Es wird ganz wunderbar klingen und vermutlich im Frühjahr 2019 veröffentlicht. Außerdem haben Jim und ich eine Pop-Punk-Band namens RADAR STATE gegründet. Mit diesem Projekt nehmen wir auch gerade ein Album auf. Das steht aktuell auf meiner Agenda. Und natürlich ein guter Vater zu sein.