JOHNNY FIREBIRD

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Hedonismus mit Botschaft

In Regensburg sind offenbar die Tage länger und die Nächte kürzer. Nach gerade mal eineinhalb Jahren haben JOHNNY FIREBIRD ein neues Album fertig. „Wide Awake“ ist der vierte Longplayer der Sleaze-Rocker aus der Oberpfalz. Und diesmal haben sie inhaltlich ihren Schwerpunkt ganz klar auf die Politik gelegt, wie uns Gitarrist Jürgen Streu und Sänger Stefan Matejka erklären. Denn auch als Rockband hat man eine Verantwortung und darf seine Augen vor aktuellen politischen Entwicklungen nicht verschließen, sagen die beiden. Da spielen sicher auch die Wurzeln der Band eine Rolle, die aus den Trümmern der Punkbands USE TO ABUSE und THE HOLY KINGS entstanden ist.

Was ist seit dem letzten Album „Finders Keepers Losers Weepers“ passiert? Das ist ja erst im Januar 2017 herausgekommen.

Jürgen:
Für uns fühlt sich das schon wieder wie eine Ewigkeit an. Wir haben viele Konzerte gespielt, waren unter anderem mit TURBOBIER und SLIME auf Tour. Außerdem haben wir noch eine Split-Single mit MOTOR CITY MAYHEM herausgebracht. Und dann sind wir schon wieder ins Studio gegangen. Zwei Leute in der Band haben Kinder gekriegt und jetzt ist schon die neue Scheibe fertig.

Wie hat sich euer Sound verändert? Tracks wie „Did a song“ oder „Would you say hello“ transportieren ja durchaus poppigere Klänge.

Jürgen:
Die Songs hat alle Stefan geschrieben. An den Texten bin ich beteiligt gewesen. Es war auf jeden Fall nicht unser erklärter Plan, poppiger zu werden. Ich glaube, das ist einfach eine ganz natürliche Weiterentwicklung der Band. Vielleicht liegt es ja daran, dass wir im Bandbus nicht mehr so viel Punkrock hören, sondern Country und Classic Rock, haha. Also wir sind sehr zufrieden mit dem Sound.

Stefan: Für mich erinnert dieses Album wieder mehr an Bands wie RANCID als das vorherige. Immerhin haben wir diesmal auch eine Orgel eingebaut. Ich finde, das neue Album hört sich viel aktueller an, früher haben wir viel Vintage-mäßiger geklungen und jetzt ist das deutlich moderner.

Was steckt hinter dem Albumtitel „Wide Awake“, übersetzt heißt das ja „hellwach“?

Jürgen:
Das hat natürlich mit der aktuellen politischen Stimmung im Land zu tun. Man muss momentan schon aufpassen, wie sich das Ganze entwickelt. Man kann nicht die Augen verschließen. „Hellwach“ hat in diesem Zusammenhang einfach gut gepasst. Bei unseren antifaschistischen Texten haben wir uns diesmal ganz besondere Mühe gegeben.

Warum liegt euer Fokus auf der Politik? Warum habt ihr als Rockband so ein großes Bewusstsein dafür?

Jürgen:
Das ist uns allen in der Band sehr wichtig. Es ist uns ein großes Anliegen, weil das Genre, in dem wir uns bewegen, normalerweise weniger politisch daherkommt. Da geht es in den Texten meist eher um Partys oder schnelle Autos. Momentan sollte man aber wirklich aufstehen und aufpassen. Es gibt einfach zu viele Arschlöcher überall. Deshalb muss man einfach klar Stellung beziehen. Und als Rock’n’Roll-Band kann man sich nicht verschließen, finden wir. Und das sollte eigentlich jeder so halten. Sprüche wie von der AfD oder CSU hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben, aber dass momentan jeder Vollhonk seinen Mist unter die Leute bringen kann, das muss wieder aufhören. Wir brauchen einfach wieder einen gepflegten Umgang miteinander.

Wie wichtig ist euch der DIY-Gedanke? Du hast das Album in den eigenen Noizebräu Studios selbst aufgenommen und produziert, das Booking läuft über euer eigenes Label Ghost Town Noize und sogar das Artwork hast du mitgestaltet.

Jürgen:
Das kommt, weil keiner was mit uns zu tun haben will, haha. Nein, Quatsch. Wir finden es einfach spannend und interessant, wenn wir alles selbst machen. Am Anfang musst du alles einfach selbst in die Hand nehmen, wenn dich noch keiner wahrnimmt. Aber inzwischen läuft es so gut bei uns, dass wir sagen: Wir brauchen niemanden mehr. Das meiste kann man selbst machen. Wir haben ein eigenes Label, wir haben ein Studio, ein guter Freund von mir hat ein Mastering-Studio, wir tauschen uns mit den Jungs von THE PROSECUTION aus, mit denen zusammen haben wir uns einen Proberaum mitten in Regensburg ausgebaut. Unser Sänger Stefan macht nebenbei Videoproduktionen. Wir sind also gut aufgestellt und das macht auch einfach Spaß.

Im Herbst war die Oberpfalz wieder bundesweit in den Fokus gerückt, nachdem in den Kinos der Film „Wackersdorf“ über die geplante Atommüll-Wiederaufbereitungsanlage angelaufen war. Habt ihr den Protest in den Achtzigern selbst miterlebt?

Jürgen:
Ich hätte theoretisch auf die Demos hingehen können, habe ich aber damals nicht gemacht. Uns hat es einfach nicht dahingezogen. Die Kinoposter und das gesamte Artwork für den Film haben aber einen direkten Bezug zu uns. Der Entwurf stammt nämlich von der Grafikerin Heike Jörss, einer guten Freundin von mir, die auch das Artwork für unser neues Album gestaltet hat. Sie ist außerdem Sängerin und Bassistin bei SICKSICKSICK, die auch bei uns im Proberaum-Komplex vertreten sind. Heike hat schon für viele Filme das Artwork gemacht. Zu dem Film gibt es also eine direkte Verbindung. Das Ganze ist schließlich bei uns ums Eck im Landkreis Schwandorf passiert, da kennt man alles. Ich hatte die Ereignisse damals aber nur in den Nachrichten mitbekommen.

Beschäftigt ihr euch aktuell mit Nebenprojekten, so wie früher SUPERPOP? Stefan, bist du noch bei den RADIO DEAD ONES aktiv?

Stefan:
Aktuell konzentrieren wir uns voll und ganz auf JOHNNY FIREBIRD. SUPERPOP haben sich inzwischen in Luft aufgelöst. Mit RADIO DEAD ONES war ich bei zwei Touren als Organist dabei, die gibt es aber momentan auch nicht mehr. Leider, muss ich sagen.