NATHAN GRAY

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Ein besonderer Ort

Mit seinen Bands BOYSETSFIRE, I AM HERESY und THE CASTING OUT hat Nathan Gray schon einiges erlebt, wenn nicht sogar eine ganze Szene mitgeprägt. Nun schreibt er seine eigene Geschichte weiter und veröffentlicht ein Live-Album, das zwei Shows umfasst, die in einem intimen und für ihn doch recht ungewöhnlichem Rahmen aufgenommen wurden – in einer Kirche und in einer Höhle.

Nathan, beim Hören und Betrachten der Konzertmitschnitte erkennt man schnell, dass diese zwei Auftritte etwas ganz Besonderes für dich waren. Was ging dir vor, während und nach dem ersten Konzert in Wiesbaden durch den Kopf?


Um ehrlich zu sein, war ich unglaublich aufgeregt. Das Konzert hat in einer so schönen Location stattgefunden, der Ringkirche, die an dem Abend sogar ausverkauft war. Die Leute haben auf Bänken vor mir gesessen, was für mich eine sehr ungewohnte Situation war. Dazu kam, dass ich den ganzen Abend über öfter von meinen Emotionen überwältigt war, was ich auch zwischen den Songs rauslassen musste. Als ich am Ende von der Bühne ging, habe ich mich sowohl erleichtert, befreit, aber auch stolz gefühlt und ich kann auf jeden Fall sagen, dass dieser Abend einer der intensivsten meines Lebens war.

Dass du, mit deiner Vergangenheit, mal ein Konzert in einer Kirche spielen würdest, ist sicherlich eine Überraschung. Wie kam es dazu, dass du die Ringkirche in Wiesbaden als Setting für das erste Konzert ausgewählt hast?

Für mich fühlt es sich wie ein Sieg an, einem Ort wie einer Kirche die Kraft zu entziehen und sie auf etwas anderes, Positives zu konzentrieren. Vor allem deshalb, weil mir selbst an Orten wie diesen früher so viel Leid zugefügt wurde. In solch einem Raum zu stehen, als veränderter Mensch, der diese Erfahrungen immer noch verarbeitet, aber keine Angst mehr hat, war unglaublich kraftvoll für mich. Unabhängig davon war die Ringkirche ein sehr schöner Ort und ich wollte mich selbst und meine Fans einfach von all dem Licht, dem Umfeld und dem Sound dort inspirieren lassen.

Mit den Songs, die du bei den Live-Shows spielst, deckst du fast deine gesamte Schaffenszeit ab. Nachdem du vor allem mit BOYSETSFIRE ja schon unzählige Konzerte gespielt hast und unabhängig davon auch sehr umtriebig bist, würde mich interessieren, was dich an diesem Punkt deiner Karriere dazu bewegt, immer noch regelmäßig auf die Bühne zu gehen.

Auf einer Bühne zu stehen war und ist für mich immer noch eine sehr heilsame Erfahrung. Dies ist der Ort, wo ich all meine Liebe, Freude, Wut, Trauer, Angst, Hoffnung, Unsicherheit und Triumphe verarbeiten kann. Ich bin jetzt an dem Punkt, an dem ich es verkrafte, diese ganzen Dinge mit anderen zu teilen. Das war nicht immer so.

Unterstützung bekommst du von Ben Christo, der seit 2006 bei THE SISTERS OF MERCY Gitarre spielt, dazu Isabelle Klemt am Cello. Wie kam es, dass diese beiden bei den Shows dabei waren?

Ben kenne ich nun schon eine ganze Weile. Wir sind schon immer Fans der Bands des jeweils anderen gewesen. Isabelle kam ins Spiel, als wir nach geeigneten Cellisten gesucht haben. Nicht nur während der Shows versprühen beide eine unglaublich entspannte Präsenz und ich werde ihnen wohl für immer für ihre Energie dankbar sein. Sie waren einfach die perfekten Partner. Selbst jetzt, beim Schreiben neuer Songs für meine neue EP und für ein neues Album, hilft mir Ben mit kreativen Ideen und dem nötigen Tritt in den Hintern, wenn ich drohe, den Faden zu verlieren. Ich hätte mir keine Besseren wünschen können als diese beiden, als es darum ging, wer die Bühne auf dieser Tour mit mir teilen würde.

Wieso hast du zwei Konzerte in Deutschland für dieses Live-Album ausgewählt?

Deutschland war schon immer so etwas wie eine zweite Heimat für mich. Mir war klar, dass die Atmosphäre bei diesen Shows einzigartig sein würde, und es war großartig, dass ich diese sehr emotionale Erfahrung mit so vielen Leuten teilen durfte, die mich und meine Musik nun schon so lange unterstützen.

Und was folgt auf die Veröffentlichung des Live-Albums?

Ich werde ab März für ein paar Wochen auf Tour in Europa sein. Schon seit einer ganzen Weile arbeite ich nonstop an einer EP, die demnächst erscheinen soll. Ebenso ist auch der Nachfolger zu „Feral Hymns“ in der Mache. Es sieht so aus, als wäre ich die nächsten Jahre erst einmal gut beschäftigt.