RESTARTS

Foto

Weltverbesserpunks

Seit dem letzten Interview im Ox hat sich bei der Londoner Hardcore-Punk-Band THE RESTARTS einiges getan. So gingen sie 2017 auf Indonesientour und spielten auf der Londoner Pride Parade. 2018 absolvierten sie eine umfangreiche Europatour und spielten auf zahlreichen Festivals. Darüber sowie über das politische Engagement von Robin nach der Räumung des Flüchtlingscamps „Jungle“ in Calais unterhalten wir uns mit Kieran und Robin. THE RESTARTS sind Kieran (bs/voc), Robin (gt/voc) und Bram (dr).

Euer Auftaktkonzert für die „Indonesia Solidarity“-Tour im Sonic Ballroom in Köln war der Hammer. Wie lief die Tour weiter?

Kieran:
Die Tour hat viel Spaß gemacht. Es war wirklich toll, alte Freunde zu treffen und neue zu finden. Wir hatten einen Riesenspaß mit SEVEN CROWNS aus Bath, Großbritannien, die als Überraschung für KRASS KEPALA extra nach Frankfurt gekommen sind. Beide Bands sind alte Freunde und bereits mehrmals gemeinsam durch Südostasien getourt. Leider konnten KRASS KEPALA, wie wir alle wissen, nicht kommen und somit war die Überraschung dahin, aber wir hatten eine tolle Party und einen Gig mit SEVEN CROWNS! Wir haben auf dieser Tour in vielen für uns neuen Städten gespielt, so dass es sich sehr frisch anfühlte – und ich fahre immer gerne durch die Schweizer Alpen. Der Tourabschluss war das Amsterdamer Rebellion Festival – eine tolle Party mit so vielen tollen Bands und Freunden.

Warum konnten KRASS KEPALA aus Indonesien euch nicht begleiten?

Kieran:
Das ist vor allem auf die vielen Einwanderungsbeschränkungen und das komplizierte Visa- und Sponsoringverfahren zurückzuführen. Es ist ein ungeheurer Aufwand an Bürokratie nötig, nur um uns zu besuchen – und das ist an sich schon eine Aussage über die globale Ungleichheit. Wir können ohne mit der Wimper zucken in ihr Land einreisen, aber sie müssen sich einschmeicheln und seitenweise persönliche und finanzielle Informationen, einschließlich ihrer Beschäftigungsgeschichte, ihres Gehalts, ihrer Kontoauszüge, offenlegen und schließlich noch „Sponsoren“ finden, die innerhalb der EU leben, die für ihren finanziellen Unterhalt bürgen. Sie müssen auch für jeden Schritt dieses Prozesses Gebühren bezahlen, ob er erfolgreich ist oder nicht. Wenn also einer der sechs notwendigen Punkte erfolglos ist, müssen sie das ganze Verfahre erneut durchlaufen und zahlen noch mal dafür, auch wenn fünf von sechs erfolgreich waren. Es ist zum Kotzen. Wie wir befürchtet hatten, gab es große Verzögerungen bei den Botschaften, und KRASS KEPALA konnten ihre Unterlagen nicht rechtzeitig für unsere gemeinsame Tour bearbeiten lassen. Sie sind jedoch jetzt auf eigene Faust unterwegs, da sie es geschafft haben, die Visa diesmal zu bekommen.

Apropos Indonesien. Ihr wart dort 2017 auf Tournee? Kannst du uns etwas darüber erzählen? Wie sieht die Szene aus?

Kieran:
Es ist wie im Paradies, super freundliche Menschen, die sehr gerne mit dir sprechen und dich herumführen. Wir haben dort Freunde fürs Leben gefunden. Im Mittelpunkt unserer Tour stand das Libertad-Festival, das sie auf einer kleinen Insel wenige Stunden vor Jakarta gelegen veranstalten. Es ist absolut atemberaubend, wie schön es ist, weiße Sandstrände mit warmem, klarem, blauem Wasser und einem angenehm heißen Klima. Sie bringen einen Generator und eine Gesangs-PA mit auf die Insel und bauen die Bühne in einem Armeezelt auf. Es gibt eine tägliche Suppenküche zum Frühstück und Abendessen, und jeder spielt den ganzen Tag am Strand. Auch die anderen Teile Indonesiens sowie Malaysia und Singapur waren auf ihre ganz eigene Weise schön. Wir fanden es ziemlich einfach, dort vegan/vegetarisch zu leben, aber für Bier muss man manchmal Hinterhofläden finden, die illegal Alkohol verkaufen. Wir haben es jedoch immer geschafft. Die Menschen dort benutzen Punkmusik, um ihre eigenen kulturellen Normen infrage zu stellen, und ich denke, das ist enorm wichtig. Es gab Mädchen mit Hijabs, die im Pit tanzten, es gibt Queer/Transgender-Bands in Kuala Lumpur, die Homophobie offen kritisieren, und Menschen, die sich in einem Land als Atheisten bezeichnen, das sehr religiös ist. Ich denke, Punk hilft, diese Art von Ideen zusammenzubringen. Ich würde jedem wärmstens empfehlen, mal dorthin zu fahren.

Robin, du hast im letzten Interview über deine Arbeit im Jungle-Camp in Calais berichtet. Bist du auch nach der Räumung noch in der Flüchtlingsarbeit tätig? Und hast du noch andere Pläne?

Robin:
Ja, ich bin immer noch in der Flüchtlingsarbeit aktiv, aber jetzt auf lokaler Ebene, da ich nach der Räumung mein Konto gnadenlos überzogen hatte und einen neuen Job brauchte, um mein Konto zumindest wieder auf null zu bringen. Ich habe mich freiwillig für den Weihnachts-Popup-Shop „Choose Love, Help Refugees“ in Soho gemeldet und wir haben die Hilfsgüter auf dem Weg zu Auftritten in Frankreich oder umliegenden Ländern in Calais abgegeben. Weiterhin bin ich auch im Rahmen des Refugee Community Kitchen, RCK, Outreach Project für Obdachlose in Hackney, Bethnal Green und Camden tätig. Aktuell befinde ich mich in Khan Al-Ahmar in den besetzten palästinensischen Gebieten mit dem International Solidarity Movement, ISM. Wir warten auf den illegalen Abriss dieses palästinensischen Beduinen-Bauerndorfes durch die israelischen Besatzungstruppen, um Platz für weitere illegale israelische Siedlungen zu schaffen. Damit verletzen sie die vierte Genfer Konvention. Die Bewohner von Khan Al-Ahmar wurden ursprünglich aus dem Negev vertrieben, als der Staat Israel gegründet wurde, also Vertriebene und Flüchtlinge auf beiden Seiten. Sie gründeten Khan Al-Ahmar 1950 und stehen nun wieder vor der Vertreibung durch die Besatzungsmacht. Das Dorf ist von strategischer Bedeutung, da eine illegale israelische Siedlung hier die Westbank effektiv halbieren würde. Am Freitag werden wir auf der israelischen Seite des Gaza-Zauns zusammen mit jüdischen israelischen Aktivisten demonstrieren. Das geschieht aus Solidarität mit den Demonstranten des großen Marsches der Rückkehr, die zeitgleich auf der palästinensischen Seite protestieren. 70 Prozent der Bewohner Gazas sind selbst Flüchtlinge, die bei der Gründung des Staates Israel vertrieben und ihrer Häuser und ihres Landes beraubt wurden, und sie fordern ihr Rückkehrrecht, ein völkerrechtlich garantiertes Recht nach der UN-Resolution 194. Der palästinensische Kampf hat mich schon seit langem fasziniert und ich bin so glücklich, dass ich es endlich geschafft habe, hier herzukommen. Für weitere Informationen über die Arbeit, die wir leisten, schaut euch die Facebook-Seite der Internationalen Solidaritätsbewegung fb.com/ismpalestine oder palsolidarity.org an.

Ihr habt letztes Jahr auch auf der London Pride Parade gespielt. Könnt ihr uns etwas darüber und über Pride Punx erzählen? Und wie seht ihr das Problem der Homophobie in unserer Szene?

Kieran:
Ja, wir haben letztes Jahr dort gespielt und es war unglaublich! Ich bin so stolz auf die Londoner Szene, die das ermöglicht hat. Sie haben beschlossen, jetzt jedes Jahr verschiedene Bands live spielen zu lassen, in erster Linie aber Punkbands. Die Idee ist es, die Leute wissen zu lassen, dass die Punk-Szene offen ist für Menschen aller Sexualitäten und Identitäten. Viele Leute auf der Parade jubelten, als wir vorbeikamen, denn ich denke, es war etwas Neues für sie, eine Live-Band zu sehen, anstelle der vorab aufgenommenen Tanzmusik, die normalerweise die Wagen begleitet. Punkrock mag nicht jedermanns Sache sein, aber die Leute schätzten die einladende Botschaft des Punx Pride-Festwagens. Homophobie wird normalerweise scharf kritisiert, wenn sie in der Punk-Szene auftaucht, aber ich denke, noch ärgerlicher ist die alltägliche Homophobie.

In euren Texten thematisiert ihr auch außereuropäische Diktaturen wie in „Uganda calling“ oder fordert Rechte für die indigenen Völker.

Kieran:
Ja, diese Geschichten haben uns sehr stark beeinflusst, und daher ist es für uns klar, darüber zu schreiben. Ich denke, wir sind manchmal zu sehr mit unseren eigenen westlichen Probleme beschäftigt und vergessen, uns in der Welt umzuschauen, was vor sich geht. Während wir uns wie im Westen über das Sponsoring der Gay Pride Parade stritten, wurden zur selben Zeit in Kampala, Uganda, sieben Menschen erschossen, nur weil sie in der Pride Parade mitgelaufen sind! Wir müssen mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten und Projekte im Ausland unterstützen, wobei ich mich von Robins Freiwilligenarbeit in Calais und Palästina inspirieren lasse. Es ist auch wichtig, unsere Szene zu Hause zu stärken, damit wir dann ein Licht auf Gräueltaten im Ausland werfen können. Der Kampf gegen die Verfolgung und Vertreibung von Völkern wird immer im Vordergrund unserer Überzeugungen stehen.

Spürt ihr bereits die Auswirkungen des bevorstehenden Brexit? Seht ihr in dem Abstimmungsergebnis ein Zeichen für einen immer stärker werdenden Nationalismus?

Kieran:
Es ist ein sehr lästiger Prozess und wir wissen immer noch nicht, was im März 2019 mit dem Brexit genau passieren wird. Ja, es hat natürlich den Nationalismus angeheizt, was meiner Meinung nach bereits mit der Wahl von Trump und dem Aufstieg von Gruppen wie PEGIDA und der EDL, der English Defence League, in ganz Europa geschehen ist. Wir glauben an die Freizügigkeit und die Menschen sollten die Freiheit haben, jede Religion auszuüben, die sie wollen. Und wenn dies auf einem gemäßigten Niveau geschieht und keinen Bezug zum Staat hat, bin ich damit einverstanden. Der Brexit wurde auf Lügen und Furcht aufgebaut. Die Kampagne „Leave“ versprach, dass wir 350 Millionen Pfund pro Woche einsparen könnten, wenn wir die EU verlassen würden. Dies war eine glatte Lüge und trug massiv dazu bei, „Leave“ zum Sieg zu verhelfen. Der Rest des Referendums basierte auf der rassistischen Panikmache, nach dem Motto „Der Ausländer stiehlt unsere Arbeitsplätze, plündert unser Sozialsystem aus und radikalisiert unsere Jugend“. Jetzt müssen wir alle unter dem Ergebnis leiden, das sich aus dieser illegal geführten, verleumderischen und rassistischen Kampagne ergeben hat.

Wie war euer Festivalsommer? Ist das anstrengender, als eine komplette Tournee zu spielen?

Kieran:
Die Festivalsaison hat dieses Jahr Spaß gemacht, wir durften einige Gigs in Großbritannien mit AGROTÓXICO aus Brasilien spielen. Ich tendiere dazu, die kleineren Festivals zu mögen, da sie mehr Herz zu haben scheinen! Wir mögen das Störfaktor-Fest in Zwickau und das Crusty Fest in Lyon wegen der superfreundlichen Atmosphäre. Wir hatten wie immer eine gute Zeit, egal wo wir waren. Es gab ein tolles Pod Parou Festival in Tschechien, wir spielten mit unseren alten Freunden DEFIANCE und waren beim Murda Twinz Getdown Volume 3 im schönen Kopenhagen, zusammen mit DAYGLO ABORTIONS und ACIDEZ. Das DIY-Fest in Gdynia, Polen an der sonnigen Ostsee war wunderschön und dann das große Rebellion-Punk-Treffen, das in Blackpool stattfindet. Der Festival-Circle ist viel einfacher als eine Tour zu spielen, da man unter der Woche nach Hause fahren und sich ausruhen kann. Ich muss sagen, dass mir ACIDEZ aus Mexiko leid taten, mit denen wir in diesen Sommer bei drei Festivals spielten. Sie waren zwei Monate lang unterwegs und wir nur am Wochenende. Es fühlte sich für mich irgendwie an, als würden wir betrügen, haha. Ich selbst brauche normalerweise drei bis vier Tage, um mich von einer Tour zu erholen Wir sind alle Freiberufler, also planen wir normalerweise so, dass wir hinterher nicht direkt in eine ganze Arbeitswoche zurückkehren. Das würde mich wirklich umbringen!

Wer ist für das brillante Artwork eurer Platten verantwortlich?

Kieran:
Das gehört zu meinen Aufgaben. Zeichnen ist eine meiner Leidenschaften, aber ich finde nicht oft genug Zeit dafür, da ich einen vollen Terminkalender habe und meine gesamte Freizeit verbringe ich normalerweise mit der Band. Also kombiniere ich beides, ich gestalte unsere Alben von Anfang an.

Eure letzte Veröffentlichung liegt schon einige Jahre zurück. Wann können wir auf neue Aufnahmen hoffen?

Kieran:
Das war 2013, also vor fast fünf Jahren. Wir planen, im Januar 2019 im Studio zu sein, können also hoffentlich im Frühjahr 2019 etwas Neues herausbringen.