CRIMES

Die Mafia von Hamburg

Der Raum verdunkelt sich, die Spannung steigt und leise aus der Box ertönt eine bekannte Melodie. Wie erkennen die Titelmusik aus dem Mafia-Epos Der Pate. Eine anregende Stimmung macht sich im Club breit. Die Zigarette in der Hand verbrennt, ohne dass daran gezogen wurde. Am Tresen werden hektisch die letzten Bestellungen aufgegeben und -genommen. Dann plötzlich, wie aus dem Nichts, sägt eine Gitarre los, Lichter blitzen auf und ein Derwisch im schwarzen Anzug springt über die Bühnenbretter. Das Konzert der CRIMES hat begonnen. Diese kommen aus Hamburg und haben inzwischen das ein ums andere Mal bei ihren Konzerten bewiesen, dass sie mehr sind als nur eine weitere, austauschbare Garagenband. Die CRIMES haben Konzept, Stil, Esprit und ein Ziel vor Augen: Die Welt zu retten. Retten vor all den schlechten Dingen, die unser Planet zu bieten hat, allen voran schlechte Musik. Aus diesem Grunde waren die vier Kriminellen nun im Studio, um ein Album aufzunehmen, welches die Musikwelt aus den Angeln heben soll. Die Aufnahmen haben über zwielichtige Kanäle bereits ihren Weg bis zu mir gefunden und auf Anhieb eingeschlagen. Was lag also näher, als sich bei Mama Napoli auf ein Glas Rotwein und einen Teller Pasta zu treffen und über die mafiösen Strukturen in- und außerhalb der unsrigen Szene zu plaudern. Leider war Schlazeuger Ole aus familiären Gründen in Palermo, so dass ich mich mit der Gesellschaft von Sven (Gitarre), Marcy (Gesang) und Holgo (Bass) begnügen musste.

Holgo: Es gab schon ganz Andere, die zuviel wissen wollten...

Das waren die ersten Worte von Holgo, dem Basser der CRIMES. Jetzt aber erstmal kurz ein paar Worte zur Bandgeschichte. Wie fing alles an?

Sven: Holgo und ich haben uns vor drei Jahren aufgemacht, einen Schlagzeuger zu suchen, was sich als nicht so leicht herausstellte. Zuerst kam Murrat aus Hamburg-Wandsbek. Der stand auf SLAYER und konnte auch spielen wie SLAYER. Holgo und ich allerdings nicht. Deshalb kamen wir nicht zusammen. Schließlich und endlich haben wir dann Ole gefunden und angefangen. Wenig später kam Marcy dazu und jetzt machen wir in der Besetzung seit rund zwei Jahren zusammen Musik.
Holgo: Vor gut einem Jahr hatten wir dann den ersten Auftritt.

Lets start a war - so rebellisch wie euer Songtitel klingt, seht ihr aber gar nicht aus. Wie könntet ihr euch denn vorstellen, einen Krieg vom Zaun zu brechen bzw. den Staat zu bekämpfen?

Holgo: Es geht in dem Lied nicht darum, den Staat zu bekämpfen. Es geht vielmehr um Gefühlszustände, in denen man ganz gerne mal Dinge zerstören möchte. Ansonsten konnte man am 11. September letzten Jahres gut sehen, wie man einen Krieg vom Zaun bricht. Doch das hat nichts mit dem Lied zu tun. Zumal der Text schon vorher geschrieben wurde.
Sven: Totale Pazifisten sind wir deshalb aber nicht. Wenn man angegriffen wird, wehren wir uns auch.

Aber das System bekämpfen wollt ihr nicht?

Sven: Dafür sind wir inzwischen schon zu alt.
Holgo: Das machen wir ganz subtil. Es wird so sein, dass es keiner merkt. Erst dann, wenn es schon längst zu spät ist.

Warum tretet ihr stets in Anzügen auf?

Sven: Weil es verdammt gut aussieht.

Ihr spielt vor euren Auftritten als Intro die Filmmusik aus Der Pate. Was verbindet euch mit dem Film?

Holgo: Es ist einer der größten Filme überhaupt. Wenn du den schon einmal gesehen hast, weißt du, was ich meine. Man muss ihn eigentlich dreimal sehen, damit man jede Szene einzeln kapiert und sich jeden Namen merken kann. Abgesehen davon ist es einfach ein schönes Lied. Emotional sehr berührend.
Marcy: Entschuldigung, dass ich bisher noch nichts gesagt habe, aber ich bin gerade erst aufgewacht.

Musikalisch greift ihr ja gerne in den Fundus der letzten vierzig Jahre RocknRoll-Geschichte. Habt ihr kein Interesse an neuen, modernen Einflüssen?

Marcy: Wir greifen gar nicht so in diese Kiste. Wir machen ja neue Songs und neue Melodien, und das Einzige, was alt ist, sind unsere Instrumente, auf denen wir spielen.
Holgo: Davon abgesehen glaube ich auch nicht, dass du mit einer verzerrten E-Gitarre noch viel Neues erfinden kannst.
Sven: Man selber hört aber auch eigentlich nur alten Punk oder noch älteren RocknRoll. Und in sofern bedient man sich hier und da mal bei seinen persönlichen Hits und kocht daraus sein eigenes Süppchen. Man kann sich ja auch schlecht von etwas inspirieren lassen, was man nicht hört oder mag.

Gibt es denn trotzdem aktuelle Bands, die ihr schätzt?

Sven:
Die VON ZIPPERS finde ich sehr gut, die DETROIT COBRAS und die DIRTBOMBS auch. Richtig gute Bands zeichnen sich eigentlich nur dadurch aus, dass es sie nicht mehr gibt. Guck dir die DEVIL DOGS an oder TEENGENERATE und die RAMONES. Die haben sich auch schon alle
aufgelöst.

Und warum gibt es euch dann überhaupt noch?

Sven: Wir werden uns früher oder später auch wieder auflösen. Der Zeitpunkt wird kommen.
Holgo: Um auf deine eigentliche Frage zurückzukommen, ich fand die BLACK HALOS gut, zumindest deren erste Platte. Aber eigentlich kaufe ich mir wirklich lieber alte Platten. Da gibt es mehr, was mich interessiert. Aber wenn du noch Namen brauchst, die NOMADS, LEE HARVEY OSWALD BAND und FLAMING STARS fallen mir da noch ein.

Ihr habt ja zuvor alle schon in anderen Bands gespielt. Was ist bei den CRIMES anders?

Marcy: Darauf habe ich gewartet. Ich habe vorher noch nie so etwas melodiöses gemacht. Aber die wichtigste Band in meiner Karriere waren definitiv DIE AMOKLAUFENDEN FRITTENBUDEN. Ansonsten habe ich zum ersten Mal einen trockenen Proberaum, wo es auch ein FRANK ZAPPA-Poster gibt. Sogar die Toiletten sind beheizt. Das hatte ich vorher auch noch nie.
Sven: THE CRIMES sind besser. Es wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre.
Holgo: CRIMES sind älter, sehen besser aus und sind besser angezogen. Inzwischen spricht die Weisheit aus uns allen. Ansonsten wird bei den CRIMES weniger Pizza gegessen als bei den RAGS. Damals haben wir immer nur riesige Pizzen in uns reingeschaufelt. Vor jeder Probe haben wir bei einer Pizzeria bestellt, diese nicht abgeholt und sind nach der Probe dort vorbeigefahren und haben die nicht abgeholten Pizzen gratis bekommen. Aber wir haben immer doppelt Käse bestellt, weswegen die ganze Sache auch kurz darauf aufgeflogen ist, weil wir die einzigen Darmstädter waren, die doppelt Käse dort bestellt hatten.

Ihr hattet ja lange Zeit regelrechten Trouble auf eurer Homepage mit ein paar Jungs aus Berlin. Was war denn da los?

Holgo: Das fing damit an, dass der Typ eine Kritik zu unserem Konzert im Wild At Heart geschrieben hat. Darauf hast du, lieber Abel, in unser Gästebuch geschrieben, was du von dem Typen hältst. Kein Wunder, dass der sich dann auf den Schlips getreten fühlte. Dann griff irgendwie eins ins andere und die steigerten sich da voll rein. Ich habe keine Ahnung, was die Jungs für eine Energie hatten, unser Gästebuch über ein Vierteljahr zuzumüllen. Das ging solange, bis sie zu einem Konzert von uns in Bonn kommen wollten, aber dann doch nicht kamen. Danach ist die ganze Geschichte im Sande verlaufen.
Marcy: Die hätten ruhig mal kommen sollen.
Sven: Auf jeden Fall hatte unsere Website in dieser Zeit die meisten Zugriffe. Aber auch heute noch kann man auf eine Menge erleben. Es gibt Songs zum Downloaden, schöne Fotos und sogar einen Video-Clip. Und wer uns im Gästebuch bepöbeln will, kann das gerne tun, sollte aber fairerweise eine E-Mail-Adresse angeben, damit man darauf antworten kann.

Auf dieser Homepage habt ihr euch auch alberne Künstlernamen gegeben.
Findet ihr eure bürgerlichen Namen zu langweilig?


Holgo: Was? Hast du gerade meinen Vater und meine Mutter beleidigt? Soll ich dich aus dem Fenster werfen? Der Name hat lange Tradition. Mein Vater war Wurstfachverkäufer auf Sizilien und meine Mutter Protestorganisatorin im Darmstädter Nord-End. Als mein Vater vertrieben wurde, haben sie sich dort gefunden.
Sven: Ich finde, King Sven passt wie Arsch auf Topf.
Marcy: Ich weiß gar nicht, was du meinst. Marcy Tigerstar ist doch mein richtiger Name. Mein Vater heißt Detlef Tiger und meine Mutter Ursula Star.

Wenn jeder von euch spontan einen Wunsch frei hätte, welcher wäre das?

Sven: Ich hätte gerne eine Zeitmaschine mit zwanzig Sitzen.
Marcy: Eine Spülmaschine hätte ich gerne. Ein sauberes Gefühl ohne Spülhände.
Holgo: Mir fällt da so nichts ein.

Was tut ihr Besonderes, um gerade euer weibliches Publikum anzusprechen?

Sven: Wir sind einfach so, wie wir sind.
Holgo: Guck uns doch mal an. Bist du blind?

Sven, du bist ja ein ausgewiesener Experte in Sachen Fernsehprogramm. Welche Sendungen gilt es deiner Meinung nach zu schauen und welche absolut zu umgehen?

Sven:
Ich gucke die Harald Schmidt Show, die Lindenstraße, Nachrichten, dann und wann mal einen Film und den Rest verabscheue ich eigentlich. Jackass ist auch noch gut.

Welche Zukunftspläne haben die CRIMES?

Holgo:
Ich will mal studieren.
Sven: Erstmal müssen wir ein anständiges Label finden, welches unsere Platte Rosaries And Sexy Bees rausbringt.
Holgo: Wir haben die ganzen Aufnahmen punkmäßig völlig D.I.Y. durchgezogen. Und jetzt muss das Ding unters Volk.

Vielen Dank für das Gespräch.