PITMEN

Psychobilly aus'm Pott

Lange war’s ruhig um die Psychobilly-Szene in Deutschland, doch in den letzten Monaten ist nicht zuletzt durch Bands wie die NEKROMANTIX oder TIGER ARMY, die auch über die Szene hinaus Zulauf haben, wieder etwas frischer Wind zu verspüren. Ein neuer Hype? Grund genug jedenfalls, mit den PITMEN aus dem Ruhrpott beim achten „Satanic Stomp“ in Gütersloh den Stand der Dinge und noch mehr zu diskutieren. Ich sprach mit Sänger und Songwriter Christian Waleschkowski und Slap-Bassist Grischa Dördelmann.

Als Einstieg die Einordnung in die Schublade „Psychobilly“.

Wie beschreibt ihr euren Stil selbst?

Grischa:
Großes Problem. Eine Frage, die uns oft gestellt wird und die wir gar nicht richtig beantworten können.
Christian: Aber schon Psychobilly, mit Einflüssen vom Rockabilly, Rock’n’Roll und ein bisschen Folk, was nicht ausbleibt, da ich immer noch in einer Folk-Band spiele. Wir legen es nicht darauf an, Folk einzubinden, aber wenn ich ein Stück schreibe, kann es schon mal passieren, dass die Einflüsse etwas stärker sind. Außerdem schreibe ich auf und für Akustikgitarre und das hört sich immer irgendwie folkig an.
Grischa: Wir sind auch bei den ganzen neuen Psychobilly-Bands die einzige, die mit einer Akustikgitarre spielt, beim Rockabilly gibt’s zwar einige, aber im Psychobilly-Umfeld nicht.

Ihr habt auf eurem letzten Longplayer mit Nina Heinrich als Background-Sängerin gearbeitet. Auch nicht gerade typisch für Psychobilly, obwohl es bei einigen Stücken hervorragend passt.

Christian:
Holger, unser Gitarrist, wollte unbedingt eine Sängerin dabei haben und wir kannten uns schon eine Weile, und so war die Umsetzung relativ einfach. Nina kannte Psychobilly überhaupt nicht und die Zusammenarbeit hat ihr und uns Spass gemacht. Auf einem Gig war sie auch live mit dabei, was aber vorerst einmalig bleiben wird. Vielleicht irgendwann mal wieder.

Ihr werdet gerne als ein hoffnungsvoller Newcomer der Szene bezeichnet. Hat das letzte Album für euch irgendeine Veränderung gebracht?

Grischa:
Die Resonanz auf ‚Welcome To The Show‘ ist bisher eher gering. Laut Plattenlabel kommt die Platte zwar ganz gut an, aber dass sich die Aufmerksamkeit dadurch wesentlich verändert hat, können wir leider nicht sagen.
Christian: Die Platte wird ohnehin hauptsächlich von denen gekauft, die auch THE METEORS hören oder uns durch unsere Auftritte schon kannten. Neue Leute erreichen wir dadurch kaum.

Wie ist es denn für euch als Newcomer auf einem Festival zu spielen, bei dem der Revival-Gedanke nicht unwesentlich ist? Viele Leute sind hauptsächlich wegen RESTLESS und GUANA BATZ angereist und beide Bands, besonders RESTLESS, kokettieren und werben damit, hauptsächlich die alten Hits zu spielen.

Christian: Gut für uns. Es kommen viele Leute, die dann auch uns sehen. Und beide Bands gehören immer noch zu den besten Rockabilly/Psychobilly-Bands. Das Publikum wird auch dementsprechend anspruchsvoll sein. Uns hat es immer gut gefallen, als Vorgruppe der METEORS zu spielen und wir kamen gerade mit deren Publikum immer gut klar. Und das war nicht bei allen Vorgruppen so, einige taten einem regelrecht Leid. Auf diesem Festival mit zwei weniger bekannten Bands vor uns, wir als Mittelfeld und drei Knallern dahinter, da fühlen wir uns schon ganz wohl.

Die Szene wurde ja schon einige Male für tot erklärt. Wird es da nicht zur Gefahr, wenn die alten Bands immer wieder als Zugpferde genommen werden und ihr relativ wenig Chancen bekommt?

Grischa: Es scheint leider so zu sein, dass die Festival-Veranstalter immer große Namen holen müssen, damit das Publikum auch kommt. Ich habe mit Crazy Love Records zusammen Festivals mit hauptsächlich neuen, aber qualitativ sehr guten Bands veranstaltet und der Zuspruch ließ da sehr zu wünschen übrig. Es kommt dann immer die Frage nach dem Headliner – so ist es leider. Auch wenn die noch so altes Material spielen, egal.

Das ist der eine Weg, einen anderen Weg gehen Bands wie die NEKROMANTIX oder auch MAD SIN, die nicht mehr nur Psychobillies ansprechen wollen, sondern versuchen, den Radius in Richtung Punk-Rock zu erweitern und auch auf entsprechenden Festivals oder Tour-Packages auftreten.

Christian: Okay, bei den NEKROMANTIX steht jetzt ein verhältnismäßig großes Label im Hintergrund und die können dadurch ein anderes Pubilkum erreichen, nicht zuletzt durch diese Tour-Packages mit Street-Punk-Bands. Wir werden aber immer im Schatten der großen Bands der Psychobilly-Szene sein und bleiben. Wir fühlen uns da auch wohl, da wir die Musik machen, weil wir Bock darauf haben und nicht, um Kohle zu machen. Wenn wir Geld mit Musik verdienen wollten, würden wir keinen Psychobilly spielen.

Welche Bedeutung hat die Psychobilly-Szene für euch heute?

Grischa: Die hat immer noch eine große Bedeutung. Und faszinierend ist, dass in letzter Zeit auch wieder neue Leute mit 16-19 Jahren dazu kommen. Es klafft dann zwar ein Loch zwischen denen so um die 30 und den ‘Neuen’, aber das ist kein wirkliches Problem.

Es kommen auch einige Leute wieder, die lange nichts mehr mit der Szene zu tun hatten, die Musik aber quasi wiederentdeckt haben und feststellen, das ist einfach geile Musik.

Grischa: Die Szene ist auch ruhiger und älter geworden, das ganze Gemetzel auf Konzerten wie Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger gibt es heute nicht mehr. Der Spass steht einfach im Vordergrund.
Christian: Die Konflikte mit Teds, Rockabillies oder Punks sind auch nicht mehr vorhanden, heute feiern alle zusammen. Leichte Spannungen bestehen immer noch zwischen den Fans von Bands wie KLINGONZ oder DEMENTED ARE GO, also eher die Punkabilly-Richtung, und den METEORS-Fans. Aber im Grunde kommen wir alle gut miteinander aus und die Stimmung auf den Festivals wird immer besser.

Spielt die Mode noch eine Rolle?

Grischa: Eigentlich nicht. Schön, wenn die Leute die Mode noch mitmachen, aber es ist nicht mehr erforderlich, um beim Psychobilly Spass zu haben und das ist einfach das Wichtigste.

Habt ihr für die nahe Zukunft irgendwas geplant? Neue Veröffentlichungen? Tour?

Grischa: Wir haben jetzt das Problem, dass unser Schlagzeuger Arnd Richter heute das letzte Mal dabei sein wird und wir uns mit unserem neuen Drummer erst mal wieder zusammenraufen müssen. Wir proben zwar schon einige Monate gemeinsam, aber wir müssen jetzt erst mal feststellen, wie wir zusammenarbeiten und dann, wenn es fruchtet, weiter machen.
Christian: Ein neues Album wird dadurch bestimmt noch zwei Jahre dauern. Unser neuer Drummer muss zuerst die alten Stücke alle drauf haben, dann können wir uns auf was Neues konzentrieren.

Euch beiden vielen Dank für das Interview.