TOSSERS

Folkpunk, aber keine Hippies

Das In-die-Schublade-Schmeißen mit den DROPKICK MURPHYS mögen die TOSSERS aus Chicago gar nicht gerne, doch in Ermangelung anderer griffiger Vergleiche soll es auch an dieser Stelle mal wieder dazu dienen, die Mucke des Folk-Punk-Sextetts vorstellbar zu machen. „Long Dim Road“, das aktuelle Album auf Thick Records, gefiel mir jedenfalls so gut, dass ich es für angebracht hielt, die Band schon im Vorfeld ihrer Tour zu interviewen. In der Band sind derzeit: Clayton Hansen - Banjo, Aaron Duggins - Tin Whistle (mein Interviewpartner), T Duggins - Vocals, Mandolin, Mike Pawula - Guitar, Dan Shaw - Bass und Bones - Drums.

Das erste Mal hörte ich von eurer Band, als ich die Split 7“ mit CITIZEN FISH in die Finger bekam. Offensichtlich gibt es euch allerdings schon seit 1993. Erzähl doch kurz mal was über die Bandgeschichte, die Mitglieder etc.


Die TOSSERS entstanden im Sommer 1993 aus einem Folk-Projekt von T. Duggins und Brian Dwyers. Als erster kam Bones als Drummer hinzu, danach Dan Shaw am Bass. Etwa vier Jahre und 100 Shows in der Nähe von Chicago später, entschied sich Brian, sich in Arizona mit der Frau eines Anderen zu vergnügen. Hier sprangen Clay, Mike und ich schließlich auf dieses sinkende Schiff auf. Das war so um ‘96 oder ‘97. Nach etlichen Proben nahmen wir schließlich diese tolle kleine Scheibe namens ‘Long Dim Road’ auf!

Es scheint gerade in den letzten zwei, drei Jahren populär geworden zu sein, Punkrock mit Folkelementen zu mixen, wenn man sich Bands wie DROPKICK MURPHY’S, FILTHY THIEVING BASTARDS und andere ansieht. Wie seid ihr dazu gekommen, diese Elemente in eure Musik einfließen zu lassen?

Ich weiß nicht, vielleicht, weil die Musik schon immer rebellisch war, oder einfach, weil es einen höllischen Spaß macht, sie zu spielen. Wir sind mit den SEX PISTOLS, Johnny Cash, den DUBLINERS und den SUBHUMANS groß geworden und deshalb sind wir heute das, was wir sind.

Würdest du mir zustimmen, dass die POGUES die Vorreiter für alle Bands dieses Genres waren? Und welche anderen Bands magst du bzw. welche haben dich beeinflusst?

Nein, das waren die DUBLINERS oder Ewan MacColl, aber nicht die POGUES. Die pressten das, was die POGUES machen, schon vor 20 oder 30 Jahren auf Platte. Und hör sie dir an, sie sind genauso hart wie die POGUES, wenn nicht sogar härter. Es gibt eine Menge guter Bands in diesem Genre, die ich mag und die mich auch beeinflussen. Heutzutage sind das zum Beispiel BLOOD OR WHISKEY, THE VENDETTAS, die neue Band von Spider Stacey von den POGUES, NECK finde ich super, GREENLAND WHALE FISHERS usw.

Wer von euch hat irische Vorfahren?

Die komplette Band hat irische Vorfahren!

Warum klingen einige Bands aus dem Folkpunk-Bereich wie scheiß Hippies, andere wie die TOSSERS nicht?

Warum andere Bands so beschissen sind, weiß ich auch nicht. Vielleicht schreiben sie keine guten Songs, vielleicht haben sie keinen Bezug zur Materie oder sie wollen halt einfach nur die POGUES sein!?

Folkpunk hat normalerweise etwas an sich, das dich nach ‘ner Flasche Bier greifen lässt, dann nach noch einer, und noch einer... Wie sieht das bei euch aus?

Diese Frage taucht in jedem Interview auf. Auf jede Art Musik kann man gut trinken. Sieh dir all die alten Bands an, die übers Trinken gesungen haben. Und auf jedem Konzert siehst du die Hälfte des Publikums besoffen. Warum soll man nicht ausgelassen sein und eine gute Zeit haben? Solange man keinen verletzt, ist das doch in Ordnung. Wir sehen uns eh alle in der Hölle wieder, ‘so you better make it a fun ride!’ Außerdem ist es oft der Grund, warum wir wie der Teufel rocken.

Sucht man im Netz nach den TOSSERS, findet man jede Menge interessanter Seiten, aber nichts davon hat irgendwie mit Punkrock zu tun. Warum TOSSERS und nicht etwa THE MASTURBATORS, THE JERK-OFFS oder THE WANKERS?

Sucht man im Netz nach den TOSSERS, findet man lustiges Zeug wie Seiten über’s Arschlecken, Fisten, Bondage oder welche, auf denen man Typen beim Abspritzen zusehen kann usw. Wir entschieden uns für den Namen TOSSERS, weil die alten Münzen, die nach der Unabhängigkeitserklärung wertlos wurden, ‘Tossers’ genannt wurden. Später übertrug man dies auf besonders nutzlose Personen und dann wurde es ein Ausdruck fürs ‘Abspritzen’. Auf uns faule alte Säcke passte das irgendwie, und ich finde, einige andere sollten diesen Titel ruhig auch übernehmen!

Was macht Chicago zu einem guten bzw. schlechten Ort für Punkrocker?

Chicago ist einer der genialsten Plätze der Welt! Wo sonst ist es an einem Tag kochend heiß und am nächsten Tag liegt Schnee? Außerdem haben wir die beste Pizza hier. Wir haben ‘Tumans Alcohol Abuse Center’, die abgefuckteste Billigkneipe mit den besten Barkeepern und Juke-Box. Was will man mehr!? Ich gehe nicht mehr auf so viele Konzerte, obwohl wir eine Menge guter Bands hier haben. Zum Beispiel die ARRIVALS, DEAL’S GONE BAD oder die SIDE-RUNNERS.

Auch wenn ihr sehr viel Spaß zu haben scheint, habt ihr Texte mit starker Aussage. Würdet ihr euch als politische Band bezeichnen?

Ich würde schon sagen, das wir eine politische Band sind, allerdings keine von denen, die einen auf der Bühne 90 Minuten lang nur mit theoretischem Quatsch zumüllen. ‘We are not here for a long time, but we are here for a good time!’ Die Texte erklären sich von selbst.

The Ballad Of N.A.T.O“ ist ein großartiges Lied mit einer sehr direkten Aussage. Ich schätze nach dem 11. September haben einige eurer Landsleute nicht sehr viel Verständnis für den Text.

Mit dem Song werden einige Leute Probleme haben. Aber die TOSSERS ändern nicht den Text eines Liedes, nur weil ein paar Leute ihn nicht mögen. Wer ihn nicht mag, muss ihn nicht spielen. Ich steh immer noch total dazu, und der Rest der Band auch!

Wie ist die Aufgabenverteilung in der Band. Wer schreibt die Musik, die Texte, gibt es einen „Manager“?

Clayton Hansen ist der große Heilige in der Band und macht eigentlich fast alles außer dem Merchandise-Kram. Und wenn er das macht, erzählt er der amerikanischen Jugend, dass sie bessere Menschen werden sollen. Mike erledigt die Merchandise-Geschichte und die Arbeit am Computer. Er erzählt uns nie, was genau er da treibt. Vielleicht ist er ein Drogendealer, du musst wissen, er hat immer so schöne Schuhe! Bones ist nicht nur der beste Drummer der Welt, er ist auch noch der beste Künstler und macht fast das komplette Artwork für die Band. Außerdem arbeitet er als ‘Dispatch Guy’, was auch immer das sein mag. Dan Shaw redet. T. Duggins schreibt alle Texte und die meisten Lieder und wenn das nicht genug ist, fährt er mit einem Truck voll mit Eis für heiße Leute durch Chicago. Ich selbst spiele nur Flöte, mache Interviews und arbeite als Maurer.

Wie bekannt seid ihr in den US und was macht ihr außer der Band, um über die Runden zu kommen?

Wir sind im Moment die beste Band hier, haha! Nein, meistens läuft’s ganz gut, aber manchmal sind natürlich auch beschissene Abende dabei. Das ist halt so, wenn man in einer Band spielt. Hast du mal gesehen, wie groß das Land ist? Mit ein paar Millionen anderer Bands neben uns ist es dann manchmal ziemlich hart. Aber wenn wir nach neun Jahren nicht aufgegeben haben, werden wir das auch in nächster Zeit nicht so schnell tun!

Ihr kommt bald auf Europa-Tour. Irgendwelche Erwartungen?

Keine Erwartungen. Wir wollen euch nur die beste Show liefern und ihr werdet sehen, dass es die beste ist, die ihr je gesehen habt! We plan to come over, rock some shows and take the piss out of all you cunts... Byebye for now and see you in June, you fuckers!