BEATSTEAKS

Living Targets?

Hach, man würde so gerne Berlins Vorzeige-Liverock-Schweißproduktionsinstitution etwas Böses unterstellen, aber es geht dann eben doch sehr schwer. Dass sie ihr neues Album "Living Targets" nannten und dass die fünf Kennedy-Köpfe auf dem Coverartwork dieses "Wir sind jetzt alle Amerikaner"-BILD-Gefühl bestärken, eben auch nicht. Das stand schon weit vor dem 11. September und den Anschlägen fest. Genug Zeugen (nennen wir sie einfach: mich) wurden dafür bestochen. Oh ja, was war das für eine Arie mit der Veröffentlichung der Platte?! Dazu später mehr.

Terror verkauft nun leider doch nicht, aber die BEATSTEAKS mit ihrer Ehrlichkeit schon. Ja, man darf sich durchaus stirnrunzelnd fragen, warum die BEATSTEAKS mit ihrer dritten LP auf dem großen Ami-Punklabel Epitaph bleiben durften und ihre Kreuzberger Nachbarn der TERRORGRUPPE jedoch nicht.

Auch dies hat wiederum nichts mit Gewalt, wie man meinen könnte, zu tun, sondern laut Gitarrist Peter Baumann mit "Zufall". Soso. Höchstwahrscheinlich flossen immense Bestechungsgelder, so wie auch bei ihren ersten Fernsehauftritten.

Nein, nein, wir haben niemand bezahlt, damit er uns ins Fernsehen lässt", wiegelt Sänger Arnim Teutoburg-Weiß ab. Komisch, alle kennen ihn nur als den Arnim. Der hat also auch noch einen anderen Namen. So, so. Haben sie den Auftritt etwa einem gewissen Rockstar mit blonden Haaren und Initialen F.U. zu verdanken, der sie mit "live kann dieser Gruppe kaum jemand das Wasser reichen" lobte?

"Das ist ein sehr geschickter PR-Feldzug von Farin Urlaub, dass er uns als beste Liveband lobt. Jetzt kommt er in jedem BEATSTEAKS-Interview vor. Wir sind ihm dafür auch schweinisch dankbar und fordern hiermit auf, ihn noch reicher, als er schon ist, zu machen. Kauft seine Soloplatte", nickt Armin.

Hier könnte man endlich mal über die Klüngelwirtschaft der BEATSTEAKS schimpfen. Angefangen hat alles in Kreuzberg, wo sie erst einmal alle Leute kannten. Aber wirklich alle! Ihr zehntes Konzert war der Auftritt vor den SEX PISTOLS bei ihrer Reunionshow im Sommer 1996 in Berlin. Nein, nicht die von den BEATSTEAKS, sondern die von der anderen Band. Ja, auch von den SEX PISTOLS war es ein sehr geschickter Werbeschachzug, sie dort auftreten zu lassen. Jetzt kommen sie auch in jedem zweiten Artikel vor. Ummantelt wurde der Auftritt mit dem Gewinn des "Pretty Vacant"-Wettbewerbs im Kreuzberger SO 36. Nebenbei spielten sie so dort zum ersten Mal. Auch ein netter Nebeneffekt. Normalerweise hätte man sie gar nicht auf die Bühne lassen dürfen... Aber nein, sie mussten die anderen paar Bands in Grund und Boden rocken. Den Rest erledigte ihr lautstarker Anhang aus den Anfängen als Schülerband... Eine Legende, die die BEATSTEAKS zu gerne hegen und pflegen, dass sie damals im SO 36 überhaupt niemand kannte, als sie auf der Bühne standen. Lüge! Lüge!

Arnim kam aus einer Zirkusfamilie. "Aufgetreten bin ich zwar nicht richtig in der Manege, da war ich noch ein zu kleiner Steppke, aber so diese Zirkusluft habe ich schon geschnuppert", plaudert Armin aus seiner Kindheit. Schon in der Schule war er sehr beliebt und stellte sein Showtalent zu gern unter Beweis - der Grundstock für den späteren Erfolg: SO 36-Ausscheidung wegen beliebt in der Schule gewonnen... SEX PISTOLS-Supportauftritt wegen Sieg im SO 36 wegen Beliebtsein. In der Arena wurden sie dann vom Punkermob müde belächelt, aber im Publikum war schließlich auch die versammelte Rockprominenz. Herr Rod Gonzales von den ÄRZTEN war anwesend und auch andere Herren sahen sich die jungen Hüpfer mal an. Wie viele Rockstars sie nun genau gekauft haben, ist nicht bewiesen, aber ihr Ruhm breitete sich heuschreckenartig mit jedem Konzert außerhalb von Berlin aus.

"Ich finde es immer mies, sich entscheiden zu müssen, ob wir nun eine Live- oder eine Studioband sind. Aber auf der Bühne zu stehen ist schon geil!", fasst Armin ihre Touren mit allen bekannten und auch eher weniger großen Amipunkbands wie Rocksternchen zusammen. FAITH NO MORE waren begeistert, die MIGHTY MIGHTY BOSSTONES nach anfänglichen Bedenken auch und über DIE ÄRZTE wollen wir hier nicht reden. Herr Urlaub soll ihnen ja sogar das Surfbrett für die kleine Showeinlage auf die Bühne getragen haben. Der Vorgruppe wohlbemerkt. Gab es so etwas schon einmal? Und der Drummerdoktor Bela B. ließ sie auf seinem Geburtstag auftreten. Auf du und du mit der Showbranche. So viel Geklüngel führt sie natürlich unweigerlich ins Fernsehen, um ihr neues Album vorzustellen. Bei der letzten eigenen Sendung von Tobi Schlegel auf Viva feierte das Video zur Single "Summer" Premiere.

"Natürlich half uns dabei auch unser Auftritt vor den ÄRZTEN, aber das wäre ja auch sehr simpel, wenn jede Gruppe, die vor denen spielt, plötzlich auf Viva läuft", weist Peter jegliche Mauschelei-Gerüchte weit von sich. Ja, ja, im Fernsehen wegen Rockstar. Und im Ox wegen Fernsehen wegen Rockstar? Natürlich.

Als Nebenprodukt sollte erwähnt werden, dass eine BEATSTEAKS-Show zu 80% aus Schweiß, zu 10% aus Stagediving, zu 9% aus jungem Publikum und auch irgendwie aus ein paar Liedern, die man sich sowieso alle gar nicht merken kann und die viel zu schnell gespielt werden, besteht.

"Mir fällt das oft auf, wie die Leute sich mit unseren Konzerten identifizieren können. Da kommt dann einer auf dich zu und sagt: Hey, Peter, schön dass du auch hier bist. Ja, weißt du noch im Knaack? Ich war auf der Bühne und er davor. Irgendwie finde ich das ja lustig. Das ist in Berlin alles eine kleine große Familie. Dich kennen alle, du aber fast keinen davon", lacht Peter.

Armin nickt gleich mit dem Kopf: "Ja, die Geschichte mit "Du auf der Bühne, sie davor" kenne ich auch. Entweder, die nehmen dich alle in den Arm oder die verhauen dich."

Richtig so, die Fanpolizei der BEATSTEAKS muss also hart durchgreifen: "Ja, jeder fühlt sich irgendwie für uns verantwortlich. Da heißt es auch, dass das jetzt aber nicht nötig war. Aber immer auf diese nette Art", lächelt Peter wohlwissend.

Sorgen macht man sich ja, was aus den BEATSTEAKS in der Medienmaschinerie einmal werden soll. Vivas "Tobi Schlegel-Übernehmen Sie!" war doch erst der Anfang. Was passiert erst, wenn "Interaktiv" anklopft? Oder schlimmer noch "Top Of The Pops"? Oder im grausamsten aller Schreckensfälle: "The Dome" auf RTL 2??? Werden die BEATSTEAKS dann zu WHEATUS oder CRAZY TOWN oder eher zu ALIEN ANT FARM? "Also wir haben keine Probleme mit dem Fernsehen. Wir finden das eher spannend. Das hält sich ja auch noch alles in Grenzen. Aber von uns wird es auf jeden Fall nie einen Playback-Auftritt geben. Für so etwas geben wir uns nicht her. Das wären dann nicht mehr die BEATSTEAKS", versichert Peter felsenfest.
Dann sind wir ja alle beruhigt. Am Besten man hebt sich dieses Interview schön als Beweisstück auf und rahmt es sich ein. Man weiß ja heutzutage nie, was so alles passiert.

Die BEATSTEAKS gehören zu den tragischen Bands. Man hörte ihre Musik auf kleinen "Vier Bands im Jugendclub"-Festivals. Eigentlich mochte man solche Musik gar nicht und war wegen der Band danach gekommen, aber irgendwie gingen die – "Wie heißen die da gerade?", "BEATSTEAKS", "Aha, danke." – nicht von der Bühne bzw. sie wurden nicht herunter gelassen. Aus solchen Fehlern lernt man natürlich.
Armin und Peter geben lachend zu: "Wir wählen jetzt schon bewusst aus, wo wir spielen wollen."

Die Legende, dass sie sich auf der letzten großen Punkrockfestivalbastion Force Attack unwohl fühlen, räumen wir auch gleich mal aus dem Weg: "Das hat mir einen Riesenspaß gemacht, dort zu spielen. Allein schon wegen der lustigen Namen der anderen Bands. Hey, jetzt kann ich sagen, dass ich mit ZAUNPFAHL mal zusammen gespielt habe", freut sich Armin und fügt gleich an, "Die Punks wollten ja sogar, dass wir Zugaben spielen."

Dennoch scheint der Neid auf sie immer imposanter zu werden. Viele alte Fans gönnen ihnen ihren steigenden Erfolg einfach nicht. "Die Leute gehen einfach ganz klar davon aus, dass ich mich, wenn ich verschwitzt und erledigt von der Bühne komme, gleich mit ihnen unterhalten will. Dem ist aber eben nicht so. Ich kenne den anderen gar nicht und der meint, ich müsste mich gleich mit ihm unterhalten. So etwas wird natürlich gleich zum Gesprächsthema", erwidert Armin.

Als ob die BEATSTEAKS jemals das Gerede um sie gestört hätte... Über wen nicht gesprochen wird, der ist tot, lautet eine alte Werbegrundregel. Die Veröffentlichung von "Living Targets" zog sich ja ewig hin. Seit ihrer vorigen Scheibe "Launched" sind fast volle drei Jahre verstrichen. Peter versucht zu beschwichtigen: "Wir hatten immer wieder andere Probleme."

Ja, ja, nur Ausreden. Zuerst waren die vielen, anstrengenden Touren, dann die Kreativlosigkeit im Studio Schuld, dann soll es der Veröffentlichungsplan von Epitaph gewesen sein, weil man nicht zu viel gleichzeitig herausbringen wollte, und zum guten Schluss hat man sich auch noch Billy Gould, den Ex-Bassisten von FAITH NO MORE, als Produzenten ins Studio geholt. Am Ende war der 11. September noch an allem Schuld, oder was?!

Früher ging das doch auch. Früher war sowieso... Was wird überhaupt aus ihrem Debütalbum "48/49" auf dem Berliner Minilabel XNO, das völlig ausverkauft ist und auf Internettauschbörsen schon astronomische Summen erzielt? Armin gibt Entwarnung: "Nächstes Jahr wollen wir "48/49" wiederveröffentlichen. Schön mit Digi-Pack. Das erscheint auch wieder auf XNO und nicht auf Epitaph."

Back to the roots. Hach, vielleicht treten sie doch noch mal in der Klinke auf... Das ist so ein ganz kleiner Club für 100 Leute in Berlin. Da haben sie ganz zu Anfang einmal gespielt. Nein, lieber gehen sie auf große Tour. Die Zeiten als Vorgruppe dürften nun auch gezählt sein?! Armin widerspricht gleich: "Das war großartig mit ALL zu spielen. Wir sind alle große DESCENDENTS-Fans, und es ist schön mit Bands auf der Bühne zu stehen, die man selbst schon immer gehört hat. Genauso geil war das mit den ÄRZTEN, wobei das natürlich andere Dimensionen waren. In der vollen Wuhlheide aufzutreten und die Leute mögen deine Musik – das ist schon geil."

Die Wuhlheide ist Berlins Freiluftarena mit einem Fassungsvermögen von 18.000 Leuten. Die BEATSTEAKS haben dort zum dritten Mal gespielt, nachdem sie schon zweimal auf der Warped-Tour 1998 und 1999 die Bühnenverhältnisse getestet hatten. 1998 noch als allererste von 16 Gruppen aufgetreten. 1999 kamen danach nur noch ICE-T, PENNYWISE und DIE ÄRZTE. Sie waren sozusagen schon einer der Headliner. "Wenn uns die DESCENDENTS fragen würden, ob wir mit ihnen touren wollen, würden wir bestimmt nicht Nein sagen. Überhaupt ist das etwas ganz anderes. Du brauchst dich als Vorgruppe um nichts zu kümmern, kannst viel experimentieren, was du bei deinem eigenen Konzert nicht kannst, und du hast immer ein anderes Publikum."