NEW END ORIGINAL

NEW END ORIGINAL-Gitarrist Norman Arenas hat viele Leute innerhalb der Hardcore/Punk-Community inspiriert. Die Liste der Bands in der Norm Gitarre gespielt hat, liest sich wie ein Who´s Who der amerikanischen Hardcore Szene: 108, FOUNTAINHEAD, RESSURECTION, SHELTER und nicht zuletzt TEXAS IS THE REASON, die sich kurz nach dem Unterzeichnen eines hochdotierten Majordeals auflösten.

Aber neben seinem musikalischen Output, verstand es Herr Arenas auch mit seinem Fanzine "Anti-Matter" und dessen Vorgänger "Crucified", sowie unzähligen Kolumnen für Magazine wie das "Punk Planet" oder Beiträge im "Alternative Press" einen mehr als positiven Beitrag zur alternativen Musikszene zu leisten. Waren doch sowohl seine Interviews als auch seine Kolumnen ein echter Kontrapunkt zum gängigen "Scenetalk". Viele der befragten Personen in "Anti-Matter" haben derart persönliche Interviews wohl nie wieder gegeben (u.a. Zack De La Rocha genau wie SHELTERs Porcell, um nur zwei Beispiele zu nennen).

Nachdem er für ein paar Jahre von der Bildfläche verschwunden war, ist Norm nun zurück mit einer Art "Emo-Supergroup": NEW END ORIGINAL, in der Norm zusammen mit Charles Walker (ex-CHAMBERLAIN), Scott Winegard (ex-TEXAS IS THE REASON) und Jonah Matranga (ex-FAR) spielt. Und ist das Debütalbum "Thriller" auch nicht die Neuerfindung des Post-Hardcores, so sind NEW END ORIGINAL ohne Zweifel eine der interessantesten Rockoutfits des Jahres. Die folgende Unterhaltung mit Norman fand in einem indischen Lokal in Kreuzberg statt, kurz bevor NEW END ORIGINAL im Berliner "Razzle Dazzle" bewiesen, dass sie sich ihres großen Erbes durchaus würdig erweisen.

Norman, nachdem sich TEXAS IS THE REASON aufgelöst haben und du mit SHELTER die Tour zu deren "Beyond Planet Earth"-Album absolviert hast, bist du nahezu aus dem Licht der Öffentlichkeit verschwunden. Jonah erzählt in einem Interview, dass du in der Zwischenzeit als Progressive House-DJ tätig warst. Viele Leute waren, wie ich denke, darüber überrascht. Wie kam es dazu?

Es hatte viel damit zu tun, sich breiter zu orientieren. Als TITR nach Europa und England kamen, wo viele Leute bekanntlich ein großes Wissen über "Dance-Music" haben, mochte ich elektronische Musik nicht so sehr, trotzdem beschloss ich, dass es eine Herausforderung ist, sich damit zu beschäftigen, um auf diesem Weg ein wirklich fundiertes Wissen darüber zu erlangen. Dabei fing ich an, diese Art von Musik sehr zu mögen. Als sich TITR auflösten, hätte ich nicht gedacht, dass ich so etwas wirklich mal selbst machen würde.

Neben der musikalischen Entwicklung hat mich auch dein Umzug verwundert, denn New York hatte in all deinen Texten und Kolumnen einen wichtigen Stellenwert. Wie wichtig war New York wirklich?

Ich bin ja jetzt schon beinahe vier Jahre weg aus NY und es ist total seltsam, dass ich schon so lange von dort weg bin... Immerhin war das der Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Wenn ich heute zurückschaue, wird mir bewusst, dass es in New York fast jedem ein bisschen schlecht geht, es sei denn, du bist finanziell wirklich abgesichert. Um dieses Elend zu ertragen, muss man sich selber überzeugen, dass New York der einzige Platz auf der Welt ist, an dem man leben kann. Ich habe mich definitiv selber einer Gehirnwäsche unterzogen, in der Hinsicht, dass New York der einzige Ort ist, der wirklich Kultur und Kunst zu bieten hat. Nun gibt es natürlich bestimmte Aspekte, welche New York tatsächlich einzigartig machen, aber nachdem ich nach Chicago umgezogen bin, habe ich festgestellt, dass Chicago das alles auch zu bieten hat, vielleicht etwas anders. Darüberhinaus konnte ich dort leben, ohne mich um die Miete oder das Essen sorgen zu müssen. Das zerschlug viele meiner früheren Vorstellungen über diese Stadt. Fast, als ob ich mein ganzes Leben in einem dunklen Zimmer gelebt hätte, und als ich endlich die Tür öffnete, war da dieser große Palast voll mit Möglichkeiten, haha. Ich denke nicht, dass ich zurückgehen möchte. Vor allem nicht, seit ich weiß, dass es auch noch eine andere Seite gibt.
Chicago ist ja quasi Geburtsort der House-Musik und das hatte natürlich einen sehr großen Einfluss auf mich, da Chicago eine großartige Musikszene zu bieten hat. Somit war ich von Leuten umgeben, die mich wirklich inspiriert haben, denn in New York, zumindest zu der Zeit, als TITR noch existierte, herrschte diese Grundstimmung, dass alle Leute, die ich kannte, entweder einen Plattenvertrag hatten oder versuchten einen zu bekommen. Das hat dann den Sound dieser Bands auch beeinflusst und gewisse Aspekte an der Musikszene haben sich verändert. Die Bands versuchten, Songs zu schreiben, welche im Radio gespielt werden konnten oder zumindest einigermaßen kommerziell verwertbar waren. Somit waren viele der Dinge verschwunden, die ich damals an der New Yorker-Musikszene cool fand. In Chicago war es genau das Gegenteil: Dort gibt es keine Musikindustrie und keiner versucht einen Vertrag zu bekommen und macht einfach die abgefuckteste Musik, die möglich ist. Es war fast schon verpönt, in einer Band zu spielen, deren Songs einen "Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Brigde-Refrain"-Aufbau hatten.

Wie kam es dann, dass du wirklich DJ wurdest? War DJ-ing ein Weg für dich, etwas Geld zu verdienen?

Nein, das hatte damit gar nichts zu tun. Interessanterweise war einer der Hauptgründe, weswegen ich nach Chicago gezogen bin, der, mir einen normalen Job zu suchen. Ich hatte sehr lange Zeit nicht mehr die Regelmäßigkeit eines normalen Jobs. Und ein solcher Job kann einem viel Ausgewogenheit bringen... Ich weiß, dass viele Musiker solche Jobs als "Sell-Out" betrachten, aber ich denke, dass es eher ein "Sell-Out" ist, keinen zu haben. Möglicherweise ein gewagtes Statement, aber ein regelmäßiges Einkommen erlaubt einem, sich anderen Sachen zu widmen, ohne diese immer als Geldquelle ansehen zu müssen. In Chicago arbeitete ich für eine Internetfirma und verdiente unglaublich viel Geld, ohne wirklich viel dafür zu tun. Ich hatte somit viel Zeit, Platten zu kaufen und zu lernen, wie man mixt. Für mich war das eine Chance kreativ zu sein, weil es um einiges spontaner ist. Du schreibst ja keine Setlist, bevor du in einen Club gehst und auflegst, du schnappst dir ein paar Platten, von denen du denkst, du könntest etwas damit anfangen und los geht´s... Ich habe teilweise bis zu sieben Stunden aufgelegt. Mit einer Rockband konnte ich das natürlich nie, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wohl kein Mensch eine Rockband sieben Stunden ertragen könnte. Es war einfach ein wenig offener und eine ganz andere Erfahrung und hat mich dahingehend beeinflusst, wie ich Musik jetzt angehe und auch was ich mag. Es hat mir gezeigt, wie Musik auf einer rhythmusorientierten Ebene funktioniert und nicht nur auf einer melodieorientierten. Das war eine echte Offenbarung.

Eine weitere Sache, über die ich mit dir sprechen wollte, ist deine Spiritualität. In einem deiner letzten TITR-Interviews in Porcells "War On Illusion"-Fanzine sagtest du, dass es dir sehr geholfen hat, einen Guru gefunden zu haben. Nachdem du aber gerade von deinem Umzug gesprochen hast, würde es mich interessieren, ob sich in deinem spirituellen Leben auch Dinge geändert haben?

Mein spirituelles Leben war immer gewissen Schwankungen unterworfen, was total normal ist... Ich würde wohl nicht so daran interessiert sein, wenn es anders wäre. Als ich das von dir angesprochene Interview gegeben habe, habe ich mich natürlich in einem besseren Umfeld bewegt, da ja in New York viele von meinen Freunden dieselben Interessen hatten und ernsthaft an ihrem spirituellen Leben arbeiteten, trotzdem aber Job und Familie hatten. Somit war New York zu dieser Zeit ein guter Ort dafür, weil ich mit vielen dieser Leute in dauerndem Kontakt stand und auch mein Guru oft in New York war. Als ich dann umgezogen bin, habe ich mich völlig isoliert von allen Leuten – und in Chicago kannte ich gerade mal zwei Leute. Und das war genau, was ich wollte: die Möglichkeit, von vorne anzufangen und anonym zu leben, denn in New York habe ich zu diesem Zeitpunkt sogar die Obdachlosen auf der Straße gekannt, haha. Andererseits war es auch so, dass ich mich von vielen Menschen entfernte, die mich auf einer spirituellen Ebene inspiriert hatten und somit ist es seitdem ein bisschen schwieriger für mich, da ich auf mich selbst angewiesen bin und mich sozusagen selbst inspirieren muss. Es geht also mal so und mal so, aber einer meiner größten Stärken, oder möglicherweise auch mein größter Fehler, ist die Tatsache, dass ich ein relativ konsequenter Mensch bin und sich nicht viele Sachen an mir selbst verändern. Somit hat es auch keine großen moralischen Einbrüche oder Krisen gegeben. Ich bin immer noch dieselbe Person.

Kurz nach dem TITR-Split hast du auch aufgehört, für "Punk Planet" und "Alternativ Press" zu schreiben. Ich dachte immer, dass du genau das verstärkt machen würdest, sobald die Band dir erlaubt, mehr Zeit darauf zu verwenden.

Ich bin mit dem Schreiben gegen eine Mauer gerannt. Auf der einen Seite war da das Schreiben über Musik, was für eine bestimmte Zeit auch sehr schön war, nur dass es eben nach einer gewissen Zeit extrem unbefriedigend und langweilig wurde. Du befindest dich nämlich in einer Situation, in der du, wenn du nicht genau auswählst, über Personen schreibst, die dich eigentlich gar nicht interessieren. Dein Job ist also, diese uninteressanten Personen interessant zu machen, was nicht das war, was ich wollte. Es ist mir öfter passiert, dass ich in einem Raum mit einer Person beim Interview war und dachte: Oh Gott, sogar mein Leben ist interessanter als deins. Oder du triffst jemanden, der ein kompletter Vollidiot ist, und das veranlasst dich ja auch nicht gerade dazu, Lobeshymnen über diese Person zu verfassen. Es ist mir also mehr als leicht gefallen, den Musikjournalismus hinter mir zu lassen. Ich habe den Magazinen einfach gesagt: Wenn es jemanden geben sollte, über den ich schreiben will, dann lasse ich es euch wissen. Das war´s...

Was die persönlicheren Sachen z.B. im "Punk Planet" betrifft, lag der Fall anders. Ich habe ja vorhin davon gesprochen, wie wichtig es mir nach meinem Umzug nach Chicago war, anonymer zu leben. Leider kommt das "Punk Planet"-Magazin genau dorther, jeder dort liest es. Ich schrieb also all diese Sachen über mich, Dinge die wirklich persönlich waren. Ich dachte in New York nie besonders viel darüber nach, ich schrieb, was mir einfiel und gab es in die Post, aber plötzlich traf ich Leute, sogar Freunde, die mit mir über Dinge sprachen, die zuhause teilweise nicht mal meine engsten Freunde wussten. Das hat mir dann echt Angst gemacht und ich fand, dass ich etwas zuviel preisgegeben hatte. Das führte dann dazu, dass ich mir bis zum heutigen Tage bewusst vorbehalte, nicht zuviel über mich selber preiszugeben. Ich ziehe mich ein wenig mehr in mich selbst zurück und ich bin, denke ich, nicht mehr ganz so offen, wenn es um Dinge geht, die mein Privatleben betreffen, wobei ich sagen muss, dass ich mich trotzdem immer noch für einen ziemlich extrovertierten Menschen halte.

Kommen wir mal zu NEW END ORIGINAL. Ich hätte eine weit experimentellere Platte von dir erwartet, aufgrund deines elektronischen Backgrounds und deiner Vorliebe für progressive Rockmusik wie eben RADIOHEAD oder SHUDDER TO THINK.

Es wäre für mich, glaube ich, der vorhersehbarste Schritt gewesen, eine vertrackte, strange Platte rauszubringen. Klar habe ich über sowas nachgedacht, vielleicht werde ich so eine Platte auch irgendwann aufnehmen, aber ich liebe eben immer noch Popmusik. Meine Lieblingsplatte aller Zeiten ist wohl immer noch "Abbey Road" von den BEATLES. Ich denke nicht, dass wir eine billige Pop-Platte aufgenommen haben, sondern, dass unsere Platte auf andere Art auch eine Herausforderung an den Hörer ist. In Stuttgart kam ein Mädchen zu Jonah und sagte, sie hätte irgendwie einen komischen Abend gehabt, weil ihr ein Freund ein Mixtape von der neuen Platte gemacht hat, aber nur mit den schnellen Songs. Somit wusste sie nicht wirklich, wo sie die langen, ruhigen Lieder einordnen sollte und das hat sie schon verwirrt. Insofern ist es schon eine Pop-Platte, hat aber andererseits gewisse Komponenten, die den normalen Pophörer durchaus verwirren. In etwa so, wie ich es bereits mit TITR versucht habe, nur eben diesmal ein bisschen moderater.

Die Band fand ja auf ungewöhnlichem Weg zusammen. Bis auf Scott kanntest du vorher ja keines der anderen Mitglieder.

Der Weg, auf dem wir als Band zusammengefunden haben, und ob das eine gute Idee war bzw. wie das in Zukunft laufen wird, finden wir gerade selbst raus. Ich denke, all die Erfahrungen, die wir hinter uns haben, haben uns musikalisch geformt. Ich persönlich würde wohl nicht mehr die Energie haben, ganz von vorne anzufangen, wenn wir nur eine Band in einer Garage wären, die versucht eine Platte zu veröffentlichen. Eine Situation also, in der man man keine Songs hat und alles von vorn macht. Für mich musste der Weg zurück in die Rockmusik die Möglichkeit bieten, sofort wieder loslegen zu können und das hier ist der einfachste Weg, den ich mir vorstellen konnte. Jonah ging es wohl genauso, denn er hat ja mit ONELINEDRAWING sein Ding gemacht und er tut das immer noch. Er hat mich sehr inspiriert mit dem, was er gemacht hat. Eine Sache, die mich besonders beeindruckt an ONELINEDRAWING ist die Tatsache, dass Jonah ja von vielen als der Typ mit dem Majorvertrag angesehen wurde, und der startete plötzlich etwas, das mehr DIY nicht hätte sein können. Er hat noch nicht mal einen Plattenvertrag unterzeichnet, sondern nur seine Platten herausgebracht, er hatte seine Website, und hat in den Wohnzimmern von Leuten gespielt. Ich könnte das, glaube ich, nicht und außerdem: was für ein Ego muss man da erstmal eliminieren um das durchzuziehen. Ich fand das klasse und inspirierend und genau das war wohl auch der Grund, warum ich eher bereit war mitzumachen.

Bist du nach all den Sachen, die seit der Zeit mit TITR passiert sind, eigentlich eine glücklichere Person?

Ich denke, anders als die meisten Menschen sehe ich Glück nicht als Hauptziel in meinem Leben an. Ich sehe es eher als vorbeiziehenden Moment und ich stehe überhaupt nicht darauf, das künstlich hervorzurufen, ich kann es aber hoffentlich genießen, wenn es kommt. Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob ich glücklicher bin oder nicht. Ich glaube eher, dass derselbe Anteil an Leid und Ärger immer da ist, egal in welchem Zustand man sich gerade befindet. Ich für meinen Teil bin eben traurig, glücklich und oft auch gleichgültig gegenüber verschiedenen Dingen. Ich habe gestern noch mit Freunden darüber Witze gemacht, dass ich wohl niemals Ecstasy nehmen könnte, da es ja künstlich diese Glücksgefühle hervorruft. Eigentlich stellt dein Körper ja nur eine gewisse Anzahl von diesen Glückshormonen her und mit der Einnahme dieser Pillen zerstörst du ja deinen Vorrat an diesen Hormonen. Ich habe dann gesagt, dass ich es schwer genug finde, glücklich zu sein, ohne meinen Vorat zu dezimieren. Ich denke Trauer ist das, was Glück so großartig macht!

Danke für das Gespräch.