DEAD KENNEDYS - Jello Biafra

It's a holiday in... Gerichtssaal

DEAD KENNEDYS vs. DEAD KENNEDYS (2)

Jello Biafra war bekanntermaßen Frontmann der US-Punklegende DEAD KENNEDYS. Seit deren Auflösung 1986 hat er sich vor allem um sein Label Alternative Tentacles gekümmert, betrat aber auch immer wieder die Bühne bzw. ein Studio, sei's für einen Spoken Word-Auftritt, sei's mit seinen vielfältigen Projekten wie LARD oder THE NO WTO BAND oder Gastauftritte bei NO MEANS NO.
Seit geraumer Zeit jedoch hat Biafra auch eine Menge Ärger: seine einstigen Bandkollegen East Bay Ray (Gitarre), Klaus Flouride (Bass) und D.H. Peligro (Drums) brachten den Mann, den viele bis heute als eine Art graue Eminenz der weltweiten Punkszene betrachten, vor Gericht. Ihr Vorwurf: er habe sie bei den Abrechnungen der Einnahmen aus dem Verkauf der DK-Platten, die bis vor kurzem von Alternative Tentacles vertrieben wurden, beschissen.


Ein Geschworenengericht in San Francisco sah dies nach Prüfung der Fakten auch so, verurteilte Biafra zu Anfang des Jahres zu Schadensersatz - und doch scheint die Angelegenheit damit nicht aus der Welt zu sein, denn Biafra hat Berufung eingelegt und wäre zudem, hätte das Urteil Bestand, sowohl privat wie mit seinem Label in einer prekären finanziellen Situation, sowohl was die Schadensersatzzahlungen anbelangt wie auch die schon jetzt fehlenden Umsätze aus dem Verkauf der DK-Platten.

Die wiederum sind seit einigen Wochen wieder erhältlich, in Europa über den englischen Vertrieb Plastic Head, der diese - unter anderem auch im Ox - beworben hat. Da wir im Ox über diese ganze Angelegenheit bereits mehrfach berichtet hatten und ich persönlich eine ganze Menge von Biafra und seinem Label halte, gleichzeitig aber auch ein sehr deutliches Gerichtsurteil existiert, dachte ich mir, es wäre nur fair, beiden Seiten gleichermaßen Raum zu bieten, ihre Positionen darzulegen.

Anmerken muss ich dazu, dass ich mich nach diesen Gesprächen nicht in der Lage sehe, für mich selbst ein eindeutiges Urteil zu fällen. Ich denke, sowohl Biafra wie auch die drei anderen DKs haben Fehler gemacht und hätten besser daran getan, ihre Streitigkeiten irgendwie aussergerichtlich beizulegen, anstatt mit einem Prozess das Bild abzugeben, als seien die DEAD KENNEDYS letzten Endes doch nur eine weitere Rockband gewesen, deren Mitglieder nach der Auflösung aus Geldgier nur noch via Anwalt miteinander verkehren. Damit nämlich treten sie die Punk-Ideale, mit denen sie immer in Verbindung gebracht werden bzw. wurden, erst recht mit Füßen.


JELLO BIAFRA

Jello, gib mir doch mal einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge.

Die Situation ist sehr, sehr hässlich. Obwohl wir in Berufung gegangen sind und das Gericht noch nicht endgültig festgelegt hat, wer wem was zahlen muss, hat East Bay Ray mit dem englischen Vertrieb Plastic Head insgeheim und hinter meinem Rücken einen Deal klargemacht, um diese beschissenen Versionen der DK-Alben herauszubringen, sowie dieses Livealbum, bei dem ich nicht das geringste Mitspracherecht hatte, etwa was die Soundqualitaet oder Qualitaet der aufgezeichneten Show und des Artworks anbelangt. Ich fühle da vor allem auch von Plastic Head hintergegangen, denn die hatten mir versprochen, diese Platten nicht herauszubringen und sind zudem der Exklusivvertrieb von Alternative Tentacles in England. Dazu kommt noch, dass ich wohl nie was von dem Geld zu sehen bekommen werde, das mit den neuen DK-Alben verdient wird, denn jetzt wird wohl nur noch durch drei geteilt. Ich habe Ray gefragt, warum ich von ihm nur Abrechnungen bekomme, bei denen für mich unterm Strich null herauskommt, und er schickte mir als Antwort Kopien von vier Rechnungen, auf denen die Adressen unleserlich gemacht worden waren. In gewisser Weise ist es jetzt also nicht nur so, dass die Irren sich zu Direktoren des Irrenhauses gemacht haben, nein, sie plündern es auch noch aus. Aus diesem Grund haben wir den Verteidigungsfonds gegründet, um Geld fuer die Berufung zu sammeln und damit die Rechte an den DK-Platten wieder dahin zu bringen, wo sie hingehören. Ich hoffe, dass die Leute da draußen sich bewusst sind, dass wenn sie die Idee von Gerichtsprozessen um Levi´s-Werbespots nicht mögen oder dass man seinen alten Bandleader wie Scheiße behandelt und versucht, die Songs zu klauen, sie diese Leute nicht unterstptzen und nicht ihr Geld geben sollten.

Ich habe vor kurzem auch mit East Bay Ray ueber den Fall gesprochen, und er hat natürlich so ziemlich das genaue Gegenteil gesagt von dem, was zu sagst. Wie sollen die Leute da draußen sich ihr eigenes Urteil bilden?

Weißt du, ich versuche die ganze Geschichte so zu erzählen, wie ich sie sehe, und ich weiß eben was wahr ist und was nicht. Wie kann man man denn jemandem glauben, der nach 22 Jahren auf die Idee kommt, sämtliche Songwriting-Credits auf den Alben zu ändern? Jetzt sieht es so aus, als habe D.H. Peligro zwei Jahre, bevor er überhaupt in der Band war, für die DEAD KENNEDYS Songs geschrieben. So geschehen bei der neuen, bastardisierten Version von „Give Me Convenience Or Give Me Death“.

Was stört dich denn so an den neuen Wiederveröffentlichungen? East Bay Ray ist ja ziemlich stolz auf seine Remastering-Arbeit.

Er hat mir nicht mal die Gelegenheit gegeben, seine neuen Abmischungen zu hören. Er schickte mir nur ein Tape von „Fresh Fruit...“ und mir gefiel das Ergebnis überhaupt nicht. Es klang wie eine schnell hingeschusselte Analog-auf-CD-Überspielung, mit klingelnden Höhen und irgendwie feedbackig. Sowieso kann ich niemandem diese remasterten Versionen empfehlen. Das ist nur ein billiger Versuch, die DK-Fans abzuzocken, damit sie Platten nochmal kaufen - mit der Behauptung, da sei was anders, wenn da eigentlich nichts anders ist. Wenn ich die Rechte zurückbekomme, werde ich allerdings durchaus mal prüfen, ob man nicht eine Neuauflage mit neuem Mastering ins Auge fassen könnte. Aber wenn man das macht, dann richtig und nicht so einen Billigjob.

Ganz persönlich sehe ich sowieso nicht die Notwendigkeit des Remasterns, denn Generation von Punkrockern sind mit diesen Versionen der DK-Alben groß geworden und damit zufrieden gewesen.

Nun, man muss schon sagen, dass die Mastering-Technik ueber die Jahre große Fortschritte gemacht hat, aber trotzdem sollte jeder die neuen DK-Alben hören, bevor er sie kauft - und im Hinterkopf behalten, dass das womöglich nur der Versuch ist, ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen.

Was hältst du von dem Livealbum? Und warum kam das nicht schon längst auf Alternative Tentacles raus?

Es stinkt. Und ein Teil der Aufnahmen war mir sogar unbekannt, denn Ray hat mir nie was davon gesagt. Ich finde, das Album ist eine Beleidigung für jeden DEAD KENNEDYS-Fan, denn es ist nicht so gut wie es die DK-Liveshows waren. Das Album ist langweilig, von den wilden Aktionen zwischen Publikum und Band ist gar nichts zu hören, es klingt wie eine Sammlung von Studioversionen, wo man etwas Publikumslärm dazwischen geschnitten hat, und das war´s dann. Es ist nicht besser als ein akzeptables Bootleg. Ich habe viel bessere Aufnahmen, die ich gerne zusammen mit den drei anderen gesichtet haette, um sie dann zu veröffentlichen, aber die haben es ja vorgezogen, ihre Anwälte auf mich loszulassen, weil ich mich weigerte, mich an Levi´s zu verkaufen.

Woran hat sich die ganze Affäre denn entzündet? Meines Wissens nach geht es darum, wie das Geld, das mit dem Verkauf der DK-Platten auf Alternative Tentacles verdient wurde, zwischen euch vieren aufgeteilt wird.

Das ist eine Lüge und dahinter steckt der Versuch, Alternative Tentacles abzuzocken. Ihre Position ist, dass kein Label, das DK-Platten veröffentlicht, das Recht haben sollte, daran Geld zu verdienen. Geld, um die Angestellten zu bezahlen, um Promotion zu machen, nichts. Stattdessen solle alles in ihre Taschen fließen. Welches Label soll denn bereit sein, mit solch habgierigen Möchtegern-Rockstars zu arbeiten? Als Alternative Tentacles gegründet wurde, steckte da der Community-Gedanke dahinter, wir wollten auch anderen Bands helfen, und ich habe ja auch die Solo-Alben von Ray, Klaus und D.H. veröffentlicht, wobei sie jetzt sogar selbst das als Geldverschwendung ansehen, als Verschwendung von Geld, das sie ja auch besser für... Ach, ich habe schon so meine Vorstellung davon, wofür sie das Geld ausgeben würden, aber ich bin besser ruhig. Ich will aber loswerden, dass wir prozentual gesehen sehr viel an die Bands weitergeben, und bis heute hat kein einziger Künstler je Alternative Tentacles beschuldigt, ihn abgezockt zu haben.

Es wurde behauptet, dein Anteil an den Ausschüttungen sei grßer gewesen als der der drei anderen in der Band.

Das hat was damit zu tun, dass ich auch die meisten Songs geschrieben habe. Sie behaupten zwar jetzt was anderes, aber ich habe auch immer schon mehr Autorenhonorar bekommen, eben weil ich die meisten Songs geschrieben habe. Weißt du, es macht mich einfach sehr wütend, mich überhaupt mit diesen ganzen Lügen auseinandersetzen zu müssen, während diese Typen zu einem richtig fetten Anwalt rennen, der sonst JOURNEY, BOSTON und SANTANA vertritt, um mein Leben und mein Label zu ruinieren. Warum? Weil Alternative Tentacles nicht wie ein Majorlabel gehandelt hat. Ray hat mich 1993 mal angerufen, als ich gerade mit Mojo Nixon im Studio war, und brüllte mich anderthalb Stunden an, weil er so verbittert war und ich sein ganzes Leben zerstört hätte, weil die DEAD KENNEDYS zwölf Jahre vorher nicht bei einem Major unterschrieben hätten. Und diese Scheißaktionen und Drohungen von ihm liefen schon seit Jahren. Ich habe das immer für mich behalten, denn ich dachte, wenn das nach draußen dringt, würde das alle, die mit ihm in der Band waren, in einem schlechten Licht dastehen lassen, aber jetzt habe ich ja keine andere Wahl. Die drei haben mich wie Scheiße behandelt, und das war schon so, bevor die Band sich auflöste: ich mache die ganze Arbeit, aber sie wollen das ganze Geld. Das ist doch krank. Das hat was davon, wie die BEACH BOYS mit Brian Wilson umgegangen sind.

East Bay Ray hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zwei Seiten dieser Angelegenheit gebe, sondern nur die eine, die durch das Gerichtsurteil festgestellt worden sei - nämlich ihre Position.

Naja, er hat schon jede Menge verrückte Sachen erzählt. So sagte er vor einer Weile mal zu mir, wie verbittert er darüber sei, dass die Band nicht mehr existiere, denn - und das ist ein exaktes Zitat - „we could have gone on and on for years like R.E.M. or U2“. Ich glaube, er hat dabei vergessen, wofür unsere Band immer stand und was für Musik wir machten. Wir klangen weder wie diese beiden noch traten wir für die gleichen Ziele ein. Nein, wir wollten was los machen und auch noch eine Message loswerden sowie die Underground-Szene unterstützen, in der man sich gegenseitig hilft statt nur soviel abzukassieren wie möglich. Und sogar diese Drei waren richtiggehend geschockt, als der Richter das Urteil gegen mich verkündete. Die hatten wohl selbst nicht gedacht, sie würden damit durchkommen, soviel wie sie gelogen hatten und wie offensichtlich das auch gewesen ist. Ray, D.H. und Klaus waren alle in den Zeugenstand gegangen und hatten behauptet, sie hätten meine Songs geschrieben und ich hätte ihnen die Credits dafür geklaut - und das, obwohl das 15 bis 20 Jahre auf alle Platten gedruckt war. Soll das heißen, ihnen bedeuteten die Platten so wenig, dass sie sie nicht mal angeschaut haben und ihnen das erst viel später aufgefallen ist? Wie kann überhaupt jemand so einen Scheiß glauben? Die Jury hat dann wohl auch noch vergessen, dass das Geld, das den DEAD KENNEDYS als Band geschuldet wurde - und von dem wiederum ein Viertel mir gehörte -, ausgezahlt wurde, bevor der Prozess anhängig wurde. Nein, der Prozess wurde geführt aus Rache und Geldgier. Die haben sogar einen Zeugen vorladen lassen von Grateful Dead Records, der bezeugte, ich würde den drei anderen eine halbe Million Dollar Schadensersatz schulden, weil die DEAD KENNEDYS nicht regelmäßig in großen Musikmagazinen wie Billboard, Rolling Stone und Spin auftauchen oder auf VH-1. Außerdem würde ich ihnen Schadensersatz schulden, weil mit mehr Anzeigen für DK-Platten auch mehr Geld verdient worden wäre, und weil ich das nicht gemacht habe, müsste ich sie entschädigen.

Das klingt nach ziemlichem Bullshit.


Na klar ist das Bullshit! Das weißt du als Herausgeber eines Musikmagazins doch am besten. Da wird jede Menge Geld ausgegeben für Platten, die niemand kauft, während andere Sachen, für die keine Anzeigen geschaltet werden, sich konstant verkaufen. Naja, mit solchen Argumenten wurde da vor Gericht gekämpft, und die Jury bestand aus Leuten, die nicht unserer Szene oder Generation angehören, sondern aus Ärzten, Computer-Yuppies und so weiter, die sowieso schon Vorbehalte hatten gegenüber der Grassroots-D.I.Y.-Szene und die der Meinung waren, dass man ja schließlich des Geldes wegen Musik macht. Leider glauben das jetzt auch meine drei ehemaligen Bandkollegen. Klaus hat mich seinerzeit gedrängt, dem Levi´s-Werbespot zuzustimmen, und als ich ihm erklärte, was das dem Ruf der Band antun würde, ganz zu schweigen von meinem Selbstrespekt und davon, dass wir damit allen unseren Fans und ihren Idealen in den Rücken Gefallen wären, meinte er, ich solle doch einfach der Presse erklären, wir würden den Gewinn spenden, aber dann halt nur 5% abgeben und den Rest behalten. Ich konnte es selbst nicht so recht glauben, als er das sagte, ich dachte, ich müsse gleich kotzen.

Aber warum hast du diesen Prozess verloren?

Das ist mir auch schleierhaft. Ich konnte danach nicht mit der Jury sprechen, und deshalb sind wir auch in Berufung gegangen. Wir glauben, wir haben gute Chancen, denn unserer Meinung nach hat nicht nur die Jury falsch entschieden, sondern auch die Richterin, die kaum Erfahrung hatte in Zivilrecht und sonst fast nur Strafrechtssachen verhandelte. Die hat den ganzen Fall völlig vermurkst. Dieser Grateful Dead-Typ hätte gar nicht erst als Zeuge zugelassen werden dürfen, aber sie luden ihn vor als Experte für die Musikindustrie und Promotion, obwohl der Typ bei Grateful Dead Records nur für die Buchhaltung zuständig war. Es lief darauf hinaus, dass wir ehrlich waren und die anderen gelogen haben und jeden schmutzigen Trick brachten, den es gibt. Tja, in diesem Fall hat das funktioniert, und natürlich bin ich darüber sehr sauer und verbittert. Es fällt mir sehr schwer, die guten Erinnerungen an die DEAD KENNEDYS von den schlechten zu trennen, von meinem Wunsch, diese Typen niemals getroffen zu haben.

Dexter von THE OFFSPRING war in diesem Prozess auch als Zeuge geladen - für eure Seite?

Ja, er versuchte den Unterschied zu erläutern zwischen der kommerziellen Musikindustrie, in der er jetzt zu tun hat, und der Underground-Punkszene, wo er herkommt.

Würdest du denn sagen, dass du an der ganzen Sache auch eine gewisse Schuld trägst, dass du dir auch etwas vorzuwerfen hast?


Ich bin nicht schuldig des Stehlens und jeder Art des Betruges. Diese Gewissheit werde ich auch mit ins Grab nehmen. Es gibt ein paar Kleinigkeiten hier und da, die man anders hätte machen können, ja. Aber ich sollte nicht für den Rest meines Lebens an drei Typen gefesselt sein, mit denen ich schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr zusammen Musik mache. Nur weil ich mal mit denen in einer Band war soll ich die heute noch babysitten und ihre Egos füttern? Wenn die mehr Geld brauchen, warum suchen die sich nicht einen Job? Ray ist der Geldversessenste von den drei, und wenn er so viel Geld will, warum ist er dann nicht ins Management oder an die Börse gegangen? Oder warum hat er nicht einfach eine neue großartige Band aufgezogen? Warum? Weil das zu viel Arbeit wäre, und keiner von denen will richtig arbeiten. Ja, die verklagen lieber ihre Freunde anstatt zu arbeiten.

Viel von dem Geld, das du mit den DEAD KENNEDYS verdient hast, ist in die Arbeit von Alternative Tentacles geflossen. Erklär doch bitte, was die Idee hinter dem Label ist.

Die gleiche wie eh und je: Das Label soll denen helfen, die sonst keine Chance hätten, dass ihre Musik wahrgenommen wird, die sich komplett außerhalb der Mainstream-Unterhaltungsindustrie bewegen wollen. Und du weißt genauso gut wie ich, dass es heute auch jede Menge Quasi-Industrie-Punklabels gibt, die Punk so vermarkten wie andere Labels Mainstream-Bands verkaufen.

Was für Reaktionen gab es denn von Freunden und von den Bands auf deinem Label zu dem Urteil?

Die haben mich alle sehr unterstützt, und nicht eine einzige Band hat das Label verlassen deswegen oder nach einer Erhöhung ihrer Royalties gefragt. Die wissen eben, wie Labels arbeiten und dass sie auch Geld brauchen, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Seltsam ist eben jetzt auch, dass die ganzen Ausgaben, die früher Alternative Tentacles trug, jetzt von Ray der Band in Rechnung gestellt werden, wobei ich das Gefühl habe, sie ziehen das nur von den Zahlungen an mich ab. Da werden dann Kosten für „Remastering“ aufgeführt, wobei ich das Gefühl habe, dass das Ray zuhause auf dem Computer gemacht hat. Das Artwork des Livealbums, bei dem ich kein Mitspracherecht hatte, geht auf meine Rechnung, und es sieht auch richtig billig aus. Ich habe bei allen anderen Platten sehr viel Zeit in das Artwork investiert, und die schustern da mal eben was zusammen aus alten Fotos, mit meinem Gesicht auf dem Cover, und reduzieren mit dieser Platte die DEAD KENNEDYS auf das hirnlose Level von THE EXPLOITED oder schlimmerem. Ich hoffe nur, die Leute da draußen verstehen, dass ich damit nichts zu tun habe.

Sind die DK-Alben derzeit in den USA zu haben, und welche DK-Platten darf AT noch verkaufen?

Hier in den USA dürfen wir „Fresh fruits...“ und die „Nazi Punks Fuck Off“-Single verkaufen. Die Richterin hat übrigens zwei Sachen völlig durcheinandergebracht: sie hat nicht kapiert, was Songwriting- und was Verlagsrechte sind, also dass das zwei verschiedene Sachen sind. Ich denke, das wird uns bei der Berufung helfen. Es geht darum, dass derjenige, der die Rechte am Songwriting hat, bestimmen kann, was mit einem Song passiert. Wer die Publishing-Rechte hat, kann das Recht zur Veröffentlichung an ein Label weitergeben. Es gibt an diesem System auch ein paar negative Seiten, etwa wenn Michael Jackson, dem die Rechte an den BEATLES-Songs gehören, den BEASTIE BOYS untersagt, einen Song zu covern, weil er die Publishingrechte besitzt. In meinem Fall bedeutete es, dass ich verhindern konnte, dass „Holiday in Cambodia“ gegen meinen Willen für den Levi´s-Werbespot verwendet hat - und wohl gegen den Willen von 99% der DK- und Punk-Fans.

Wie würdest du denn jemandem, der von der Sache gar keine Ahnung hat, beschreiben, was das für Werte sind, für die unter anderem die DEAD KENNEDYS stehen?

Grundsätzlich das, dass man nicht wie THE CLASH endet, wenn man ein politisches Statement macht. In anderen Worten: Wenn du in einem Song etwas sagst, solltest du besser nicht im richtigen Leben das genaue Gegenteil davon tun. Man hat mich kritisiert, ich sei meinem Anspruch nicht 100% gerecht geworden, aber ich denke, ich schneide ein ganzes Stück besser ab als viele andere. Das grundlegende Prinzip war und ist, seine Musik nicht zu verwässern oder zu missbrauchen, um Geld in die kommerzielle Unterhaltungsindustrie zu pumpen. Die gehört nämlich den immer gleichen Leuten, die auch sonst überall das Sagen haben, wie Bertelsmanns, Time Warner und so weiter. Warum denen Geld geben, wenn man auch komplett außerhalb von deren Welt arbeiten kann, mit einer D.I.Y.-Ethik? Die drei anderen Ex-DKs haben das auch so gesehen, bis NIRVANA und GREEN DAY so großen Erfolg hatten. Plötzlich wurden die neidisch und verbittert, fragten sich, warum sie selbst keine Rockstars sind. Die haben übrigens auch versucht eine DK-Reunion-Tour zu buchen, wobei der Booker sich große Mühe gegeben hat, davon abzulenken, dass ich nicht mit dabei sein würde. Als ihn dann jemand darauf ansprach, meinte er wohl, das sei nicht das Problem, man sei schon dabei einen neuen Sänger auszusuchen.

Du hast einen „Legal Defense Fund“ gegründet, was hat´s damit auf sich?

Ich hätte das ja lieber vermieden, aber es ist wie damals der „No More Censorship Fund“. Anfangs dachte ich noch, das sei ein ganz normaler Streit unter Geschäftsleuten, aber mittlerweile hat das die Dimension erreicht, wo die finanziellen Folgen Alternative Tentacles ruinieren können - was übrigens, wie Ray zugegeben hat, sein Ziel ist. Einige Leute haben mich gefragt, ob und wie sie helfen können, und ich habe gesagt, sie können gerne Geld spenden. Alles weitere dazu steht auf unserer Website. Und ja, ich weiß, dass es schlimmere Probleme gibt auf der Welt, aber trotzdem ist jede Hilfe willkommen.

Weißt du denn, wieviel die Berufung kosten wird?

Über 100.000 Dollar. Das Problem ist eben, dass das juristische System in den USA sehr viele Anwälte anzieht, die einen Fall nur als Chance ansehen, richtig Geld zu machen. Die geben einen Scheiß auf ihre Klienten, weil sie wissen, dass sie ihnen selbst dann, wenn sie verlieren, eine Rechnung über mehrere hunderttausend Dollar schreiben. Wenn jemand, der so verbittert und irrational ist wie East Bay, in meine Anwaltskanzlei käme, würde ich auch anfangen zu sabbern und mir denken, dass dieser Depp so eben sichergestellt hat, dass ich mir eine neue Yacht kaufen kann.

Und was macht Alternative Tentacles ganz aktuell?

Das Label lebt noch, und wir haben eine ganze Reihe neuer Releases am Start. Im Juni wird ein neues FARTZ-Album erscheinen, unglaublich, aber wahr, und ich habe große Hoffnungen in IOWASKA gesetzt, eine englische Band, deren neues Album dieser Tage erscheint und die einen ganz eigenen Sound hat, so eigen, dass keines der „normalen“ Punklabels sie haben will, aber auch kein Psychedelic-Label. Für mich klingt´s wie eine Mischung aus Punk und Spacerock, ANTISECT gekreuzt mit HAWKWIND, mit einer Sängerin. Außerdem haben wir zwei neue Bands aus der Gilman Street-Szene aufgegabelt: zum einen THE PHANTOM LIMBS, die mich teilweise an die SCREAMERZ erinnern mit ihrem Keyboard, sehr seltsam, und sicher die außergewöhnlichste Band, zu der die Leute im Gilman Street völlig ausgerastet sind. Die andere Band sind die FLESHIES, die was von den CANDY SNATCHERS haben, wenn man bei denen das Blut und die Gewalt durch Humor ersetzt. Sehr wild, gerade der Sänger.

Was machst du denn sonst noch, also dann, wenn du nicht mit der Gerichtssache beschäftigt bist?

Naja, die Sache nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch und beansprucht auch in emotionaler Hinsicht. Manchmal macht mich das so wütend, dass ich nicht weiß, ob ich mich in Kurt Cobain verwandeln oder eine Neuauflage der Columbine Highschool hinlegen soll. Ich wünschte, ich hätte diese Typen nie getroffen. Ansonsten mache ich meine Spoken Word-Shows, kümmere ich mich etwas ums Label, aber es ist derzeit alles eher frustrierend.