WESERLABEL

Foto

Fahrrad, Barschel, Hallo SVW

25 Jahre Punk Rock, Teipels „Verschwende deine Jugend“, die Düsseldorfer Ausstellung „Zurück zum Beton“ – viel wird in diesen Tagen über die Anfänge der deutschen Punkbewegung gesprochen. „Wo sind die alten Helden geblieben?“, fragt man sich dabei gelegentlich. Claus „Fabsi“
Fabian ist einer von ihnen, und er hat durchgehalten. Angefangen hat er als Schlagzeuger von ZK, gründete vor 20 Jahren erst DIE MIMMI’S und dann das Weser Label, entdeckte Bands wie die DIE GOLDENEN ZITRONEN und ging auch Ärger mit Barschel und Bild nicht aus dem Weg. 20 Jahre Weserlabel – da war es an der Zeit, den geborenen Erzähler mal zu interviewen.

Fabsi, erst mal Gratulation zum Jubiläum deines Labels. Deine persönliche Geschichte begann allerdings nicht erst vor 20 Jahren, sondern schon 1976 in Düsseldorf. Erzähl doch mal.


Ich bin eigentlich durch Zufall zum Punkrock gekommen. Im Sommer ‘76 war ich per Interrail durch Europa unterwegs und hatte in Kopenhagen Ameisen im Zelt. Voll genervt bin ich dann nach Düsseldorf zurück und hatte noch eine Woche Interrail frei und habe mich in irgendeinen Zug gesetzt, und der ging halt nach London. Mit Schnäuzer und Latzhose bin ich dann gleich in einen Club rein und sah EDDIE & THE HOT RODS und JOHNNY MOPED. Zurück in Düsseldorf habe ich dann direkt meine vorher gekaufte Karte für PINK FLOYD in der Dortmunder Westfalenhalle weggeschmissen, denn das war es einfach nicht mehr. Dieser Bombast-Rock und diese Langeweile. Leider bekam man zu der Zeit noch keine Punkplatten. Allerdings gab es in der Altstadt einen Laden, der Muster aus England kriegte und damit nichts anzufangen wusste. Die konnte ich für ein paar Mark kaufen.
Dann ging es auch schon bald mit dem Ratinger Hof los, der ja eigentlich ein Hippieladen war. Dort liefen plötzlich Gestalten wie Janie rum, die das anhatten, was ich in England gesehen hatte. Buttons und so. Einer fuhr dann immer nach London und brachte Platten mit, die dann Sonntags im Ratinger Hof gespielt wurden. So fing die ganze Szene an zu wachsen.

Und wie ging es dann mit dir und ZK los?

1978 hatten sich Isi und Campino zusammengetan und suchten einen Schlagzeuger, weil der Typ, der es eigentlich machen sollte, im Knast gelandet war. Ich konnte überhaupt kein Schlagzeug spielen, kaufte mir aber direkt eins und ließ mir ein paar Sachen beibringen und so fing das mit ZK an. Uns gab es dann bis zum 21.11.1981. Zu der Zeit hatte ich bereits meine Freundin Elli kennen gelernt, die von Bremen nach Düsseldorf ziehen wollte. Weil sie aber in Bremen einen Job bekam und ich arbeitslos wurde, ging ich halt nach Bremen.

War das auch der Anfang des Weser Labels?

Elli und ich hatten zunächst die Band SLIPEINLAGE gegründet und damit ein paar Konzerte gegeben. Mein Wunschtraum war es damals immer, eine Fußballplatte zu machen. In Gladbach hatte ich Werder Bremen gesehen beim Wiederaufstieg mit Burdenski und Kostede und war von dem Fußball so begeistert, dass ich gesagt hab, mache ich halt über Werder eine Platte. Unter dem Namen SLIPEINLAGE hätte das Ding aber kein Schwanz gekauft. Nach einer durchzechten Nacht in Amsterdam sind Elli und ich aus einem Club mit dem Namen ‘De Mimmi’ rausgetorkelt, was Elli auf die Idee brauchte, uns DIE MIMMI´S zu nennen, weil das mit den Mädchen in der Band auch ganz gut passte. Wir haben dann die Platte aufgenommen, aber kein Label wollte die rausbringen. Wir haben dann die ganze Sache selber gemacht und Weser Label genannt, weil das Stadion an der Weser liegt. Zu der Zeit dümpelte Werder auf dem 12. Platz rum und jeder hat sich kaputtgelacht über den Titel ‘Deutscher Meister wird der SVW’. Im Februar 1983 war Werder plötzlich auf Platz 2, und in dem Moment kamen alle bei mir an und wollten das Ding haben, sogar Drogerien.
Ich bin dann mit dem Fahrrad durch Bremen gefahren und hab die Platte an irgendwelche Läden verkauft. Sogar John Peel spielte die Single rauf und runter und meinte, es sei eine der besten Fanplatten, weil sie aus dem Herzen komme, obwohl das Lied heute musikalisch nur belächelt werden kann. Dann haben wir die erste MIMMI´S-LP aufgenommen und auch auf dem Weser Label rausgebracht. Danach riefen die HOSTAGES OF AYATOLLAH an und meinten, sie hätten eine Platte, aber keinen Vertrieb. Die haben wir bei uns mit reingenommen. Kurz darauf meldete sich Wölli von den SUURBIERS fragte, ob wir von ihnen eine Platte rausbringen wollten, was der eigentliche Anfang des Weser Labels war. Es ging plötzlich los mit Finanzamt und so. Ich schmiss dann meinen Job und meldete das Label als Gewerbe an. Unsere Bassistin Silke fing sogar eine Lehre bei mir an. Ab da war das Label richtig geboren.

Gab und gibt es eine bestimmte Label-Philosophie?

Ich hab immer nur Sachen gemacht, wo ich dahinter stand. Es gibt ja viele Label, die bringen Platten raus wie Schmeißfliegen. Deshalb ist der Markt heute auch so zugeschissen, weil keiner mehr auf Qualität achtet und mit Herz dabei ist. Gerade auch bei den Independent-Labels heute, da kommt eine Platte und fertig. Entweder es wird was oder nicht. Ich bin aber immer noch einer, der mit den Künstlern längerfristig arbeitet. Ich muss nicht mit jedem befreundet sein, aber die Bands sollen sehen, dass ich kämpfe und ich möchte sehen, dass die kämpfen. Obwohl die Zeiten schlecht sind und wir mit dem Label eine riesige Berg- und Talfahrt hatten, bin ich nach 20 Jahren sehr zufrieden, dass sich alles so entwickelt hat.

War denn das Weser Label am Anfang eine Art Selbstläufer?

Kann man sagen. Die MIMMI´S liefen eh gut. Mit RUMBLE ON THE BEACH kam dann der erste Knaller. Damals war gerade die große Rockabilly- und Psychobilly-Zeit, als die Jungs ‘Purple Rain’ von PRINCE coverten, was wir zuerst gar nicht als Single rausbringen wollten, dann aber doch machten. Jeder wollte das Ding haben. Von der LP haben wir dann rund 18.000 Stück verkauft, was wahnsinnig viel war. Das war so der erste Schritt, wo man auf uns aufmerksam wurde. Mir kam dann die Idee, die verschiedenen Bands des Weser Labels gemeinsam auf Tour zu schicken. ‘We are the Champions’ nannten wir das. Vier Bands ab in den Bus und einfach los. Mit einem gemieteten Schulbus fuhren wir Wochenende für Wochenende durch die Republik, bauten die PA selber auf, übernachteten mit 19 Leuten privat und wussten manchmal gar nicht, wo wir landen. Das Feeling im Publikum und auf der Bühne war einfach irre, weil mit Punks und Psychobillies verschiedene Welten aufeinander trafen und die Leute trotzdem durchdrehten. Schließlich sind die Kids uns sogar nachgereist. Es entstand eine richtige Welle.

Der endgültige Durchbruch kam dann aber mit den GOLDENEN ZITRONEN, oder?

Ja, die waren ein Glücksgriff. Campino rief mich damals an und sagte, er habe da eine Band, die ihn ständig mit Konzerten nerve und er fragte, ob ich da was machen könne. Ich hab mich dann mit Schorsch Kamerun getroffen, die Single ‘Doris ist in der Gang’ rausgebracht und eine Tour gebucht. Rocko Schamoni war plötzlich auch mit von der Partie. Nach der ersten Tour haben wir dann eine zweite gemacht, richtig mit Nightliner und so. Vorher haben die ZITRONEN eine neue Single veröffentlicht, die ‘Am Tag als Thomas Anders starb’ hieß. Die Tour lief nicht so recht und ich sah mich schon vor der Pleite stehen, als in Aachen ein Reporter der Bildzeitung auflief und ein Interview machen wollte. Die Band hat ihn aber mit den Worten: ‘Verpiss dich. Wir hauen dir auf`s Maul.’ weggeschickt. Am nächsten Tag stand dann in der Bild am Sonntag die Schlagzeile ‘Punkband wünscht Thomas Anders den Tod’. Von da an war die Hölle los. Alle Läden rappelvoll. Dann kam die Bravo und hat sich einen Artikel aus den Finger gesogen, woraufhin die ‘Thomas Anders’-7“ mit 40.000 verkauften Exemplaren voll abging. Auch das Album ‘Porsche Genscher Hallo HSV’ ging ab wie nichts.

War das auch das kommerzielle Highlight?

Das war das kommerzielle Highlight, heute immer noch. Wir lächeln manchmal, wenn wir die Abrechnung machen, denn die Platte verkauft sich nach wie vor. Wir sagen dann im Scherz, das ist die Rente.

Zu der Zeit war das Weser Label nicht nur ein Plattenlabel, sondern hat auch Merchandise verkauft. Damit kam dann auch der zweite Skandal, nämlich mit Barschel.

Genau. Zu der Zeit gab es kaum Band T-Shirts, die wir deshalb selber vertrieben plus ein paar T-Shirts mit ausgedachten Motiven. Dann kam das Ding mit Barschel, der tot in der Badewanne lag und sich die CDU vollkommen gegen ihn wandte, obwohl es zunächst noch geheißen hatte, sie würden zu ihm halten. Das hatte meine Mutter, die ihr Leben lang immer CDU gewählt hatte, so aufgeregt, dass sie sagte ‘Eigentlich müssten alle genauso baden gehen.’. Mein Siebdrucker kam dann mit der Idee an, mit dem Barschel-Foto ein T-Shirt zu machen, das wir dann mit dem Spruch ‘Wann gehen die anderen baden?’ versahen. Zunächst passierte gar nichts, bis die Bildzeitung das T-Shirt entdeckte. Auf einmal waren wir bundesweit auf der ersten Seite mit der Schlagzeile ‘Punklabel verkauft T-Shirt mit Uwe Barschel’. Ich wusste von nichts, als es morgens um 7 Uhr bei uns klingelte. Tür auf, Licht an: RTL. Die haben mich dann interviewt und das T-Shirt in die Kamera gehalten. In dem Bericht hieß es dann, wir hätten schon Tausende verkauft, obwohl wir nur Hundert gedruckt hatten. Dann kam die Klage des Stern auf Copyright-Verletzung, und Freya Barschel klagte auf Verunglimpfung. Im Endeffekt hat mich das Ganze 15.000 Mark gekostet.

Zu der Zeit warst du zweigleisig unterwegs: als Labelchef und mit den MIMMI’S. Wie lief beides zusammen?

Ganz gut eigentlich, obwohl ich heute sagen muss, wenn ich das Label nicht gemacht hätte, wäre die Band wahrscheinlich erfolgreicher gewesen. Labelarbeit und Mailorder sind uns so über den Kopf gewachsen, dass wir umziehen mussten und ich bis zu elf Angestellte hatte. Ich war plötzlich Chef von einem Unternehmen. Das ärgert mich heute, denn man konnte sich kaum um die eigene Band kümmern.

Was dich wahrscheinlich auch ärgert, ist das Ende der MIMMI’S, das ja nicht harmonisch verlief.

Wir hatten bei den MIMMI’S eh ein Auf und Ab und mussten 1986 längere Zeit pausieren, weil unser Schlagzeuger Peter Alkoholiker war. Als wir dann wieder anfingen, hatten wir mit der Volxmusik-Tour mit den ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN eine super Zeit. Mit der Harmonie ging es dann 1993 zu Ende, was seine Ursachen vor allem im familiären Bereich hatte. Zu der Zeit hatten Elli und ich ein Kind verloren. Kurz darauf nahm sich meine Mutter das Leben, die bei allem immer dabei gewesen war, z.B. auf dem Cover der Best Of von ZK oder sogar bei Konzerten im Ratinger Hof. Das war für uns ein riesiger Schock. Ein Jahr später war Elli erneut schwanger und unsere Bassistin Silke auch.
Leider klappte es bei Elli wieder nicht. Zu der Zeit wollten wir eigentlich ins Studio gehen, um ein neues Album einzuspielen. Verschiedene Konzerte waren auch schon gebucht. Wir spielten allerdings nur auf dem ‘7 Jahre HEITER BIS WOLKIG’-Jubiläumskonzert. Vor dem Auftritt sagte Elli zu mir: ‘Fabsi, genieße heute Abend unseren Auftritt. Er wird unser letzter sein.’ Das Feeling stimmte einfach nicht mehr. Das Gespräch zwischen uns vieren war einfach nicht mehr da. Ich wollte nur noch meinen Dickkopf durchsetzen. So kamen mit der Zeit immer mehr Unstimmigkeiten rein. Daran sind DIE MIMMI’S leider zerbrochen. Ich bin aber froh, dass wir vor rund zwei Jahren die Sprache wiedergefunden haben.

Dass DIE MIMMI’S irgendwann noch mal zusammenkommen, ist aber kein Thema?

Nein. Silke will nicht mehr, auch wegen ihres Kindes. Elli kann nicht mehr, da sie einen Tinnitus erlitten hat und unter Rückenproblemen leidet. Wir haben aber FABSI & DEN PEANUTSCLUB als die Nachfolgeband der MIMMI´S wiederaufleben lassen mit Lars Köster, dem alten Schlagzeuger, und zwei neuen Frauen. Hübsche, nette Mädels, die ein tierisches Rock’n’Roll-Brett fahren und auf GLUECIFER, TURBONEGRO und Konsorten stehen. 75% der Stücke live sind von den MIMMI’S, die mit einer solchen Wucht rüberkommen, dass ich mit 46 Jahren Gänsehaut bekomme. Lars ist der musikalische Leiter, und ich kümmere mich nur noch um das Drumherum. Lars war es auch, der mich zum 20jährigen des Weser Labels angefeuert hat, was zu starten. Es macht so einen Spaß, auch weil der Druck weg ist. Wir müssen keinem etwas beweisen, uns selber schon gar nicht. Wenn wir auf Tour gehen, dann kommen Freunde, aber auch Kids, die die alten Sachen noch mal hören wollen. Da möchte ich nicht so eine abgefickte Show abliefern, so wie viele andere, die dickbäuchig auf die Bühne kommen und gar nicht fit sind, dafür aber ein Vermögen kassieren. Das wird es bei uns nicht sein. Bei uns gibt es Vollgas.

Lass uns mal über das Weser Label heute sprechen. Welche Bands sind aktuell auf deinem Label?

LOS BANDITOS, KILLERKOUCHE aus Berlin, SCHWARZ AUF WEISS und JUGENDRENTE. Außerdem haben wir noch den kompletten Backkatalog, aus dem Ende September eine ‘Best Of’ von STUNDE X erscheint und in verschiedenen Etappen alte Scheiben von den MIMMI’S wiederveröffentlicht werden. Seit einiger Zeit gibt es mit Superrock Records ein Sublabel, um dort andere Musik herauszubringen und von dem Funpunk-Image des Weser Labels wegzukommen. Funpunk waren ohnehin nur HEITER BIS WOLKIG, DIE MIMMI’S und die ZITRONEN. Die BUSTERS, RUMBLE ON THE BEACH, EDDIE CONSTANTIN, LURKERS, CHELSEA waren alle kein Funpunk. Mit Superrock wollte ich das vermeiden und eine Frische im Kopf rüberbringen. Auf Superrock sind THE GO FASTER NUNS aus Bamberg, SOULMATE, SELTZER aus Schweden und CATO SALSA EXPERIENCE aus Norwegen. Die DIMPLE MINDS bringen bald eine neue Platte raus, die hoffentlich auf dem Weser Label erscheint. Ich hab mir die Platte angehört. DIMPLE MINDS waren früher auch nicht meine Baustelle, aber die neue Platte rockt ohne Ende. Das ist Punkrock pur. Das ist nicht mehr dieser Müll von früher, sondern eher SOCIAL DISTORTION auf deutsch. Im Oktober geht der PEANUTSCLUB übrigens mit den DIMPELS auf Tour.

Wenn man dich so reden hört, merkt man sofort, dass du mit unheimlich viel Herzblut dabei bist. Andererseits bist auch Geschäftsmann. Ist es schwierig, beides unter einen Hut zu bringen?

Ja. Eigentlich dürfte ich das gar nicht machen. Durch den Mailorder und die Computeranlage, die ich damals kaufen musste, habe ich unheimlich viel Geld verloren. Heute kriegst du so eine Anlage nachgeworfen. Als CHELSEA die ‘Traitor’s Gate’ rausbrachten, habe ich für die Band eine Europa-Tour gebucht. Drei Wochen vor Beginn sagten die Engländer die Tour ab, weil es bandinternen Ärger gab. Die Aktion hat mich 20.000 Mark gekostet. Da habe ich mich hingesetzt und mal nachgerechnet, was so im Laufe der Zeit an Minus zukommengekommen ist. Von diesem Minus kannst du ein paar Eigenheime kaufen. Um davon wegzukommen, muss ich mindestens 15 Jahre ackern. Aber es nimmt mir keiner, denn was ich erlebt habe, erleben andere in hundert Jahren nicht. Was kann schöner sein? Ich bin immer noch dabei und hab Freude. Elli und ich haben eine Tochter und sind glücklich. Ich hab so viel erlebt in meinem Leben, dieses ganze Auf und Ab, ich hab so viele Menschen kennengelernt, das ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen.

Wie werden denn 20 Jahre Weser Label gefeiert?

Die Frage war natürlich, was ich mache. Alle Bands kann ich natürlich nicht einladen, denn dazu müsste ich Millionär sein. Wir machen ein Konzert am 11. Oktober in Bremen. Da werden der PEANUTSCLUB, die DIMPELS, THE GO FASTER NUNS und KILLERKOUCHE spielen. Dann werde ich verschiedene Bands fragen, ob sie gerne kommen möchten. In den Pausen zwischen den vier Bands können die dann als Überraschung drei, vier Stücke spielen. Das ist ein Abend, den ich mal genießen möchte. Ich möchte mal der Fan sein, obwohl ich selber auf der Bühne stehe. Die Leute sollen einfach Spaß haben. Im Dezember mache ich dann diese Multimedia Punk Disco-Tour, wo ich Dias von früher zeige, Videos gespielt werden und ich nur Vinylplatten auflege. Ansonsten machen wir Sahneschlachten, Stofftierzerreißen und Konfettischlachten, wo alle abdrehen und pogen und sich die Plakate mit Barschel und dem Scheiß ansehen können. Das wird eine superspannende Runde.

Außerdem machst du mit deinem alten Weggefährten Wölli eine Nachwuchstour durch die Republik. Was hat es denn damit auf sich?

Die Zeit ist einfach reif für was Neues, denn die Industrie macht ja nichts mehr. Die A&R-Manager sitzen in ihren Glaskästen und fördern nicht mehr. Wölli rief mich im Dezember an und fragte, ob ich nicht Lust hätte wieder so eine Art ‘We are the Champions’-Tour zu machen. Ich hab kurz überlegt und dann sofort zugesagt. Die Idee ist, junge Bands in die Läden zu schicken, in denen wir früher angefangen haben. Batschkapp, SO 36 und so. Ich muss nicht 40 Euro für BLINK hinlegen. Diese jungen Punkbands haben genauso viel Spaß und machen es aus dem Herzen heraus. Deshalb ist diese Tour entstanden, die ‘Die Zeit ist reif’ heißen wird. Außerdem passt das ganz gut zu 20 Jahre Weser Label, damit nicht nur Nostalgie angesagt ist, sondern auch wieder neue Sachen. Bei den Bands handelt es sich um SCHWARZ AUF WEISS, PLANLOS, SFH und MASSENDEFEKT. Ich mach den Tourleiter und sag die Bands an.
Der ganze Blödsinn wie damals halt, nur dass wir diesmal nicht auf dem Boden pennen müssen.

Letzte Frage: Wenn andere in Rente gehen, wird es dann das Weser Label noch geben?

Wenn mein Körper das durchhält und wenn die Musik noch da ist, wird es das Weser Label weiter geben. Solange dieser Krach noch da ist und es Musiker gibt und so Vögel wie Wölli unterwegs sind, mache ich weiter. Es hält mich ja auch fit. Wenn ich manchmal in Bremen in den Römer komme und dann gerade ein Kracher läuft, dann frage ich mich, warum sitzt diese Jugend da mit ihrem Arsch auf der Bank und nimmt nicht den Laden auseinander, so wie wir früher. Wenn im Ratinger Hof ein Titel kam, dann sind wir da rumgesprungen, die Biergläser flogen an die Wand und die ganze Kneipe ist durchgedreht. Alle. Das vermiss ich heute manchmal. Der HipHop zum Beispiel hat es komplett versäumt, eine bestimmte Sprache weiterzugeben. Politisch passiert unheimlich wenig. Die Skandale laufen ohne Ende und nichts passiert. Deshalb finde ich auch den HOSEN-Song ‘Graue Panther’ so gut, in dem es heißt ‘Wir haben für euch damals den Arsch hingehalten’. Da sag ich: Doch. Hab ich gemacht. Nicht die Jugend verschwendet, sondern den Arsch hingehalten.