BOARDSTEIN

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Wenn man sich die deutschen Skateboard-Magazine anguckt, trifft man meist auf sterile Hochlanzblätter. Eine der wenigen Ausnahmen ist das seit Anfang 2000 existierende „Boardstein“ aus Dortmund. Die Macher haben sich dick Chaos (Glaubt mir, ich habe ihr Büro gesehen…) und Punkrock auf die Fahne geschrieben und halten diese auch ziemlich hoch.
Das erste Mal in Kontakt mit dem Heft kam ich bei einem Konzert in Köln. Da das Konzert ausverkauft war, waren die stark angetrunkenen Boardstein-Kollegen sehr genervt und ein Redaktionsmitglied, welches namentlich nicht erwähnt wird, rief dazu auf, den Laden zu stürmen. Amüsiert darüber kam ich mit ihnen ins Gespräch und kurz darauf drückte mir eine der Gestalten ihr Heft in die Hand, welches ich dann leider beim Stagediven wieder verlor. Monate später traf ich sie dann bei einem Festival wieder, bloß diesmal war ich derjenige, der volltrunken Quatsch redete. Weil ich sehr gerne Rollbrett fahre – die Betonung liegt auf „fahren“, da ich absolut keine Tricks kann – bin auch ich inzwischen regelmäßiger Leser dieses Blattes und mir sind deshalb ein paar Fragen eingefallen, die ich den Mannen der rollenden Gilde stellen wollte. Ich trat also den weiten und beschwerlichen Weg nach Dortmund an, um nach Stunden des Wartens mit Chefredakteur Arne ein Interview in seinem Wohnzimmer, welches sich im Boardstein-Büro befindet, zu führen.

Es gibt ja eigentlich schon sehr viele Skateboard-Zeitschriften. Hat das Boardstein da eigentlich noch eine Daseinsberechtigung?


Auf jeden Fall. Man konnte damals sehen, dass all die anderen Hefte in ihrer Berichterstattung ziemlich fest gefahren waren. Wir haben auch probiert hier und da als Schreiber Fuß zu fassen, allerdings haben die uns nicht gelassen und da haben wir uns gedacht, dass wir wohl etwas eigenes machen müssen. Wir wollten auch was anderes machen. Nicht einfach nur so viele Bilder wie möglich ins Heft ballern, ein paar Grafiken dazu und darunter einen stumpfen Text setzen. Wir wollen die Leute bei Laune zu halten, indem sie merken, dass wir Spaß an der Sache haben. Man kann an der Resonanz und an den Verkaufszahlen erkennen, dass wir durchaus eine Daseinsberechtigung haben.

Du sagst, dass die Verkaufszahlen ganz gut sind. Ich habe mal gehört, dass es bei euch finanziell gesehen nicht ganz so gut aussah.

In der Hinsicht haben wir nach wie vor eine Krise, da uns einfach Geld fehlt, aber das ist unabhängig von den Verkaufszahlen. Wenn jemand, der sich ein bisschen in der Richtung auskennt, das Heft durchblättert und sieht, wie wenig Seiten mit Anzeigen darin sind, kann er sich denken, wie unsere Lage ist. Im Endeffekt haben wir bei den letzten Ausgaben sogar draufgezahlt. Um die fehlende Werbung auszugleichen, haben wir mit unserem Mailorder angefangen und der läuft auch ziemlich gut. Das war das Beste was wir machen konnten, da wir das alles sonst nicht mehr gepackt hätten.

Du hast ja mal in einem Heft geschrieben, dass bei euch Anzeigenkunden abgesprungen sind. Wie kam so was denn?

Das Problem ist, dass sich langsam doch der Euro bemerkbar macht. Manche Leute haben sich da teilweise verkalkuliert und mussten einsehen, dass doch einiges teurer geworden ist. Ich seh das auch bei meinen Kollegen und mir. Da wird es bei den Firmen nicht anders sein. Es muss auch nicht unbedingt sein, dass die Kunden einfach abspringen. Es kommt eher vor, dass die Firmen vorher sagen, dass sie keine Anzeige schalten können, da sie z.B. eine neue Sommerkollektion auf den Markt gebracht haben und daher einfach das Geld fehlt. Wir müssen dann immer gucken, wie wir in kürzester Zeit die fehlenden Seiten sinnvoll füllen können und wie die Kohle dann wieder reinkommt. Das ist jetzt etwas teurer geworden, allerdings haben wir auch die Seitenzahl erhöht. Das wollen wir natürlich beibehalten, da wir immer viel Material haben. Wenn es nach mir ginge, könnten wir ruhig alle zwei Monate ein Heft mit 200 Seiten rausbringen, doch so muss leider sehr viel verschoben bzw. gestrichen werden.

Bei euch kriegt man eher den Eindruck, dass es sich eher um ein Fanzine als ein richtiges Magazin handelt. Wie sieht es bei euch denn mit Leserbeteiligung aus? Kann man mehr machen, als nur Leserbriefe schreiben?

Ja klar, das meinte ich auch damit, als ich sagte, dass wir so viel Material haben. Viele Leser haben uns z.B. Fotos geschickt, und manche traf man dann bei dem einen oder anderen Contest, und die sind jetzt feste Fotografen bei uns. Wir bekommen viel Post und unsere Seiten mit den Leserbriefen werden auch sehr gerne gelesen. Selbst wenn so kleine, pissige Zeichnungen dabei sind, solange da ein Skateboard drauf ist, finde ich es witzig. Und es ist ja auch irgendwie Kultur. Wir haben viele aktive Leser, die dann z.B. jede zweite Ausgabe mal was schreiben. Die Leser machen ja ebenfalls die Szene aus und wenn die gut schreiben können, drucken wir das natürlich gerne ab. So was haben all die anderen Magazine definitiv vernachlässigt. Selbst wenn das Heft, dadurch, dass ich Chefredakteur bin, teilweise meine persönliche Handschrift hat, ist es mir immer wichtig, dass viele Leute mitmachen und nicht nur ein kleiner, elitärer Kreis das Heft betreibt.

Liest du überhaupt noch gerne andere Skateboard-Zeitschriften?

„Von ‘gerne lesen’ kann da nicht wirklich die Rede sein. Ich meine, vorher habe ich die Hefte auch nur zur Recherche gelesen und um informiert zu sein. So Ami-Hefte wie das Thrasher Magazine, Big Brother, Skateboarder oder Slap haben uns natürlich über Jahre inspiriert und die lese ich heute noch gerne von vorne bis hinten durch. Die deutschen Hefte aber eher weniger. Wir freuen uns immer, wenn wir mal ein Heft aus Spanien oder Frankreich in die Finger bekommen, auch wenn wir die nicht lesen können. Da sehen wir wenigstens, was woanders so los ist und man kann eventuell auch mal mit anderen Fotografen in Kontakt treten und fragen, ob die vielleicht noch Fotos übrig haben, mit denen wir dann unsere Seiten voll kriegen. Viele haben da auch Lust drauf und da wir die leider nicht bezahlen können, kriegen die dann Boards in die Hand gedrückt. Bei unseren Fotografen läuft das nicht anders. Die machen das so wie wir, auf dem ‘Just for fun’-Level. Natürlich stecken die auch eine Menge Arbeit und Kohle in die Sache, aber letzten Endes ist das eine Art Hobby für die.

Nach eurer letzten Umfrage haben eure Leser ein Durchschnittsalter von 17,5 Jahren. Seid ihr damit zufrieden oder ärgert ihr euch eher, dass ihr die ganzen Kinder am Hals habt?

Also, für mich sind 17-jährige schon fast erwachsen und damit kann ich sehr gut leben. Das heißt, dass zum Teil sehr junge Leser dabei sind, aber auch alte Hasen, daher ist das eher ein Traumdurchschnittsalter. Es zeigt ja nur, dass wir wohl eine breite Schicht von Skatern ansprechen. Ich denke, 14,5 oder 23,5 wäre viel schlimmer.

Es gab in der Boardstein-Ausgabe Nr. 14 ein Interview, welches ziemlich heftige Reaktionen hervorrief. Erzähl doch mal was dazu.

Der Stein des Anstoßes war ein Interview mit dem Skater Rene Zimmermann. Er hat da ein paar Antworten gegeben, die bei vielen Leuten nicht so gut ankamen, z.B. sagte er, er fände das deutsche System viel zu locker und sozial usw. Rene hätte wissen müssen, dass er gerade bei unseren Lesern damit auf Widerstand stößt – genauso wie es bei uns. Das war halt ein Statement, mit dem ich mich hundertprozentig nicht identifizieren kann. Es gab halt sehr viele eindeutige Reaktionen darauf, und wir müssen dann darauf irgendwie eingehen. Man muss beide Seiten verstehen. Es ist klar, dass ich in diesem Fall eher die Leser verstehe, die sich darüber aufregen, aber auch der Rene hat das Recht, seine Meinung kund zu tun. Wir sind nun mal ein Skateboard-Magazin und interviewen alle Typen von Skatern und nicht nur von oben bis unten Zutätowierte, die eine bestimmte Musik hören. Es gibt so viele interessante Sachen beim Skateboarding und wir wollen uns dabei auf keinen Fall in eine bestimmte Richtung drängen lassen. Allerdings kommt so etwas zwangsläufig vor – das fängt schon beim Aussehen des Magazins an. Wir haben ein gewisses Punk-Image und dagegen habe ich auch nichts, da ich mich selber auch eher als Punk bezeichnen würde, was sich natürlich auch im Heft widerspiegelt. Das ist dann aber auch einer der Gründe, weshalb Rene für viele Leser zu einer Zielscheibe wurde.

Apropos Punk – ihr hattet letztens einen Artikel im Heft, der ja stark gegen Konsumterror und Markenfixierung gerichtet war.

Ja, genau. Mit dem Artikel kann ich mich auch hundertprozentig identifizieren. Unsere Gesellschaft ist durch diverse Medien sehr verblendet und mit unserem Magazin kann man die Chance nutzen, den Leuten auch mal andere Sichtweisen nahe zu bringen. Das haben wir von Anfang an gemacht. Manchmal geht es auch ins Politische über, aber das ist in Ordnung so. Fakt ist, dass man alles, was heute so läuft, nicht einfach so hinnehmen kann und deswegen müssen solche Artikel auch auf jeden Fall sein.

Andererseits verkauft ihr ja in eurem Mailorder selber überteuerte Markenartikel. Wie lässt sich so was vereinbaren?

Heutzutage ist alles, was man kauft, definitiv überteuert, aber wir probieren schon noch Skater-freundliche Preise zu haben. Wir wollten eigentlich nie Skateboards verkaufen, sondern nur darüber schreiben, aber von irgendetwas muss man leben. Es gibt auch viele neue deutsche Firmen, und mit unserem Mailorder wollen wir auch die deutsche Szene pushen, da dort vorher von anderer Seite nichts passiert ist. Es gibt zwar zwei große Vertriebe, Titus und Urban Supplies, welche ihre eigenen Skateboard-Magazine haben, aber die haben nie richtig was gemacht. Wir hatten damals gehofft, dass sie wenigstens bei uns, damals noch als völlig unabhängiges Magazin, Anzeigen schalten würden, aber weil dies nicht passierte, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen und haben einen Mailorder gegründet. Wir verkaufen dort außer ein paar korrekten amerikanischen Firmen nur Sachen aus Deutschland, was zum Teil auch sehr mit der Arroganz der Amis gegenüber der europäischen Szene zu tun hat. Die haben es sich schon bei vielen Leuten verscherzt. Selbst wenn wir wollten, kämen wir gar nicht mehr an die meisten amerikanischen Firmen ran, da sehr viel Geld dahinter steckt und wir deshalb keine Chance hätten.

Was denkst du denn generell über Großvertriebe wie Titus, die in ganz Deutschland ihre Filialen haben?

Dass der Vertrieb so groß ist, ist eine normale Entwicklung. Titus hat auch mal klein angefangen, allerdings hätte er inzwischen die Bremse ziehen müssen. Aber Geld macht blind und Besitz macht besessen. Leider hat er vieles, was er anfangs für die deutsche Skateboardszene gemacht hat, in den letzten Jahren wieder zerstört. Gerade die Sache mit den vielen Shops ist eine Sache für sich, denn durch seine Ladenkette machte er die ganzen lokalen Skateshops kaputt und so was kann einfach nicht gut sein. Das Problem bei den Großvertrieben ist, dass sie zu viel Geld aus dem Skateboarding herausholen, aber nicht genug wieder hineinstecken. Zugegeben, ich wäre gerne selber so ‘groß’, aber ich würde ganz andere Sachen machen. Wir haben so viele Ideen, doch wir können sie nicht verwirklichen, weil uns schlicht und einfach das Geld fehlt. Aber es geht bei uns auch aufwärts und ich will das alles noch eine Zeit lang weiter machen. Ich denke, dass sich da noch einiges machen lässt. Im Moment überlegen wir, ob wir nicht mit einem befreundeten Schreiner eine Rampenfirma gründen wollen.