CRASH

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Im Herbst 2001 überraschten mich CRASH mit ihrer exzellenten 10“ „Young Boy I Can Help You Through Your Exams“. Netterweise war das Vinyl, und das Zeug da drauf war nicht Punk, nicht Hardcore, nicht Emo, sondern irgendwas dazwischen bzw. hatte irgendwas von allem. Vor allem war eines gegeben: es waren richtig gute Songs. Lustigerweise steckte ich dem Titel entsprechend zu dieser Zeit tatsächlich mitten in meiner Diplomarbeit. Nicht nur, weil die Platte ihr Versprechen offenbar tatsächlich einlöste (Prüfung bestanden), sondern vor allem, weil die vier Norweger aus Bergen unter Beweis stellten, dass man auch im Umkreis des Sub-Genres Emo – welches mittlerweile durch süßlichen Belanglos-Pop bedroht ist – nach wie vor sehr druckvolle Sachen fabrizieren kann, erschien mir ein Interview angezeigt. Und Leute, die für acht kleinere Gigs in zehn Tagen 5.000 km quer durch Nord-Ost-Europa fahren, müssen auch schon aus echtem Schrot und Korn und mit echtem „Spirit“ ausgestattet sein. Ich sprach in Wilhelmshaven, der vorletzten Station ihrer „Baltikum-Tournee“, mit Arild (git, voc), Kristian (git), Thomas (dr) und Aaron (bs).

Skandinavien macht in den letzten Jahren gewaltigen Druck in der Punkwelt. Woher kommen seit ein paar Jahren all die exzellenten Bands, speziell auch aus Norwegen?


Arild: In den späten 80ern gab es die Squat-House/Hausbesetzer-Szene in Oslo, aus der viele Hardcore-Bands wie SO MUCH HATE, LIFE BUT HOW TO LIVE IT?, STENGTE DØRER oder auch KORT PROSESS kamen. Die machten ihren Weg und öffneten die Türen für viele andere Bands und deren Veröffentlichungen.

Verglichen mit etwa TURBONEGRO produziert ihr ja einen fast „feingeistigen“ Sound. Woher bezieht ihr eure Einflüsse?

Arild: Zum Punkrock haben mich damals die Platten von RITES OF SPRING, EMBRACE oder auch DAG NASTY gebracht. Mittlerweile ist das mit den Einflüssen jedoch ganz schwer zu sagen, weil wir ganz viele unterschiedliche Platten kaufen und hören.
Kristian: Wir hören nicht nur die Musik, die wir machen, und auch nicht nur College- oder Emo-Rock, sondern auch Pop, Rock, Metal, HipHop usw.
Thomas: Das ist gar nicht einheitlich... Wir haben eigentlich gar keinen gemeinsamen Geschmack.

Also, als ich euren Tourplan von dieser Tour sah, der über Finnland, Lettland und Ostpolen nach Deutschland führt, dachte ich mir: die Jungs können sich mal warm anziehen, im kalten Frühjahr nach Ostpolen zu fahren, und dann wahrscheinlich in irgendwelchen besetzten Häusern auf dem Boden schlafen...brrr.

Arild: Ich denke, die ganze Tour war für uns mehr oder weniger ein Abenteuer, und wir wurden dabei durchaus positiv überrascht. wir haben zum Beispiel längst nicht so viele Leute in Lettland erwartet. wir wollten diese Länder auch gerne mal sehen...
Aaron: So übel war’s da gar nicht...
Arild: Nein, ganz und gar nicht, wir hatten sogar ‘ne Menge Spaß und die Leute waren supernett und am Tanzen.
Aaron: Und mehr Leute bei den Konzerten als in Deutschland.
Arild: Ja, es stellte sich heraus, daß z.B. die Konzerte in Lettland und Litauen viel besser besucht waren als die in Deutschland. Wir waren eben mit diesem polnischen Mädchen Asa von Sunny Days Booking in Kontakt gekommen, und sie hatte uns angeboten, eine Tour in Osteuropa zu buchen. Sie hätte wahrscheinlich sogar eine Tour für 3 Monate durch Osteuropa zusammenbuchen können.

Was sind denn eure Pläne, plattenmässig und für die nächste Tour?

Kristian: Wir bringen eine Split-7“ raus mit SOLEA, und danach wollen wir ein ganzes Album machen. Das wollen wir dann aber richtig masterplanmäßig machen, den richtigen Sound und die richtigen Songs finden, und auch die Koordinaten wie Vertrieb und Werbung sollen dann stimmen.
Arild: Wir würden auch gerne noch mal in England spielen. Beim letzten Mal haben uns dort schon einige Leute gesehen, und da unsere nächste Platte bei dem englischen Label Firefly Recordings rauskommen wird, hoffe ich, dass das nächste Mal sogar noch besser laufen könnte.

Aaron und Arild, ihr habt euer eigenes Label Soundfiction.

Arild: Ja, das haben wir zuerst nur darum gemacht, um unsere erste Single schnell rauszuhauen, da wollten wir keine Zeit vertrödeln. Inzwischen hat mich aber Virus gepackt, und jetzt sind wir schon bei der sechsten Veröffentlichung.

Warum steht auf der Platte eigentlich „No Copyright“? Ist das nicht eine Einladung, eure Songs zu klauen?

Arild: „Ich hab dabei eher an die immateriellen Werte der Songs gedacht, die Melodien, Beats und so, bei denen sich Leute gerne bedienen können, wenn es ihre Musik bereichert und sie damit etwas anstellen, was uns selbst vielleicht gar nicht möglich ist. Bei Copyright geht es immer um Geld, und bei unserer Musik soll Geld eigentlich nicht die Rolle spielen, sondern es geht uns nur darum, etwas zu erschaffen, was uns und andere innerlich bewegt. Wenn jemand von unseren Platten Bootlegs machen will, so hab ich damit kein Problem, wenn man mir vorher Bescheid sagt.“

Bei John Peel seid ihr schon in der Heavy Rotation?

Arild: He, he, nein, wenn du dir seine Playlist anguckst, spielt er Songs meistens nur einmal. Wir liefen dort auch nur einmal, wenn’s hoch kommt, zwei mal.

Hat er den Song gespielt, den ich für euren größten „Hit“ bislang halte, das eher ruhige „Like dancing goodbye“?

Arild: Nein, bei Peel lief „Dust“. Der staatliche norwegische Sender hat drei Wochen lang jeden Abend „Forever but ending“ gespielt. Und den Song, den du meinst, haben wir, äh, gewissermaßen fallen gelassen, weil man ihn live nicht so hinkriegen kann wie im Studio, als uns Cello und Violine zur Verfügung standen. Ohne diese Zutaten klingt er zu „nackt“. In Zukunft werden wir uns beim Songwriting Sachen einfallen lassen müssen, die auch ohne Cello auskommen, damit wir nicht noch mal einen schönen Song so „schmälich“ fallen lassen müssen.