CHOKEBORE

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Anfang Mai waren CHOKEBORE mal wieder in Deutschen Landen unterwegs. Seit 13 Jahren gibt es die Band nun schon, und egal, ob mal lauter und auf einer Bühne mit TODAY IS THE DAY oder NIRVANA oder ganz soft wie auf ihren letzten beiden Platten, den Spaß am Musizieren und ein Händchen für ausgereifte Songs konnte man ihnen nie abstreiten. „It’s A Miracle“ heißt ihre aktuelle Scheibe, erschienen ist sie auf PaleBlue, einem neuen Label aus Frankreich. Ich traf Troy von Balthazar, den charismatischen Kopf der Band, Gesang und Gitarre (dies übrigens auch solo als Singer/Songwriter), im Starclub in Dresden nach einem ausgereiften und exzessiv bejubelten Auftritt der Band.

Ihr stammt ursprünglich aus Hawaii. Gibt’s denn da überhaupt so was wie eine vernünftige Musiker-Szene?


Das ist richtig, da haben wir angefangen… Hawaii ist zwar nur eine kleine Insel im großen Pazifik, aber auch wir sind da mit einer Punk-Szene aufgewachsen. Aber jeder, der da eine Zeit lang dazu gehört, zieht irgendwann weg, womit die Szene einer ständigen Veränderung unterliegt.

Wie sieht die derzeitige Besetzung von CHOKEBORE aus?

Naja, wir sind jetzt seit 13 Jahren zusammen, eine verdammt lange Zeit! Wir hatten zwischenzeitlich unterschiedliche Schlagzeuger. Unser derzeitiger ist nach einjähriger Pause wieder dabei. Mit ihm haben wir auch unser drittes Album aufgenommen. Aber John an der Gitarre, James am Bass und ich, wir waren immer dabei.

Was heißt eigentlich CHOKEBORE?

Das ist eine Bezeichnung für eine Manipulation an einem Gewehr. Man sieht das hin und wieder in Comics, wenn mit großen Kalibern auf Hunde geschossen wird. ‘Choke the bore of a gun’ heißt so viel, wie den Gewehrlauf verstopfen. Wir haben mit Waffen aber eigentlich nichts am Hut, uns gefiel das Wort einfach.

Ihr habt ja nun eine neue Platte draußen. Das Label dazu heißt Pale Blue. Den Namen habe ich bislang noch nie gehört…

Kannst du auch nicht, denn das Album ist ihre erste Veröffentlichung. Sie kommen aus Frankreich, sind ziemlich cool und glauben an uns als Band.

Ja, aber warum nun PaleBlue? Mag man euch hier mehr als drüben in den Staaten?

Eigentlich ist es so, dass wir es einfach sehr mögen, hier zu sein. Schon auf unserer ersten Tour lernten wir Europa lieben. Seither rufe ich ständig die Leute hier an, ob sie uns spielen lassen. Es ist mir auch egal, ob wir damit Geld verdienen. Wir mögen es hier zu sein, auch noch nach all den Jahren! Auch in den Staaten lief alles ganz gut soweit, aber wir wollten irgendwann nicht mehr da live spielen und tun es jetzt auch kaum noch. Hier macht es einfach mehr Spaß! Außerdem war bei AmRep irgendwann Schluss, dann folgte Boomba und so brauchten wir ein neues Label. Wir haben halt schon einige Label überlebt.

Warum habt ihr so lange für eure neue Platte gebraucht?

Zuerst mal wollten wir uns eine Auszeit gönnen, dann unbedingt mal in Japan touren, um dann wieder viele neue Songs zu schreiben. Überhaupt haben wir zuviele Stücke geschrieben, besonders wenn wir unterwegs waren, und da ist es einfach besser, sich Zeit zu lassen, um die wirklich Guten heraus zu filtern.

Eigentlich hatte ich euch ja eher schräg und krachig angekündigt bekommen, und nun war das Gebotene heute Abend doch eher sehr ruhig und ausgefeilt. Bin ich über eure Musik generell falsch informiert oder ist es so, dass diese neue Platte ruhiger ausgefallen ist?

Meiner Meinung nach ist unser neues Album sogar krachiger als unser letztes. Aber ich bin eher ein Liebhaber ruhigerer Musik. Wenn ich mir Platten anhöre, dann in erster Linie die ruhigeren Passagen, auch wenn ich manchmal ein wenig Angst davor habe, mir das einzugestehen.

Wie läuft eure Tour? Besser als in den Staaten?

Ganz gut soweit. Wir haben unseren Spaß. Wie ich schon sagte, wir haben in letzter Zeit recht wenig in den Staaten gespielt, nur ein paar Shows während der letzten Jahre, aber die waren auch ganz gut. Ich muß da auch nicht spielen. Ich will lieber die Welt sehen und ein wenig herumkommen! Das ist mein Leben, und das lebe ich dann eben lieber in Europa.

Ihr habt doch auch schon mal in Sarajevo gespielt. Wie seid ihr dazu gekommen, gibt es da immer noch eine Verbindung?

Unser Drummer hat immer noch ganz guten Kontakt dahin, gute Freunde eben. Damals war das einfach eine Show, die die Boomba-Leute uns vermittelt hatten, aber auch irgendwie kein alltägliches Erlebnis – nicht gerade ein normaler Gig einer Tour. Wir sind da mit einem Miltitärflugzeug eingeflogen, und die Freunde mit den Maschinengewehren saßen direkt neben uns. Und dann diese Stadt, überall auf den Straßen Einschusslöcher, jedes Auto, jedes Haus zerschossen, Bombentrichter überall. Das war eine intensive Erfahrung. Wir waren damals die erste amerikanische Band, die nach dem Krieg da spielen durfte und wir blieben für drei Tage dort. Das war so verrückt da, dass mir das Lachen für ein paar Wochen verging. Ich weiß nicht mehr, ob es ‘96 oder ‘97 war, aber es war ein verdammt eindrucksvoller Trip.

Ich habe gelesen, dass es neben der Band auch einige Seitenprojekte gibt.

Das ist ein Akustik-Projekt. Die Songs klingen anders, nur Gitarre, Piano und ein wenig Schlagzeug. Ich spiele dabei alles selber, arbeite aber hin und wieder mit verschiedenen Leuten zusammen, für deren Alben ich auch ab und an selbst Stücke schreibe. Zum Beispiel Melissa Auf Der Maur, die bei HOLE und den SMASHING PUMPKINS Bassistin war. Oder andere nette Leute, die musikalisch ganz anders unterwegs sind. Ich will einfach was neues und interessantes machen. CHOKEBORE gibt es nun schon so lange, weshalb ich einfach auch mal andere Einflüsse brauche, um der Band mit jedem neuen Album auch wieder frische Ideen beisteuern zu können. Ich habe eine Website, auf der ich meine Solo-CDs verkaufe. Wen es interessiert, der kann mal unter www.streetreceiver.com schauen. Die Platten kommen unter meinem Namen raus, B. Balthazar.

Wie sieht deine/eure nähere Zukunft aus?

Gute Frage, aber ich kann es dir nicht sagen. Früher habe ich mir immer Pläne für die Zukunft parat gelegt, aber heute kann ich dir nicht mehr sagen, was ich als nächstes tun werde. Ich hoffe, weiter schöne Touren spielen zu können und einfach eine gute Zeit mit der Band zu haben. Gute Musik machen, jeden Tag leben, und das ist mein Plan für die nächste Zukunft.

Kannst du von der Musik leben oder hast du noch einen Job nebenher?

Als wir unsere Auszeit hatten, mussten wir arbeiten gehen, aber ansonsten können wir von der Musik leben, wenn auch eher bescheiden.

Auch wenn es zum Schluss nicht ins Konzept passt, wie in all meinen Interviews, die Frage nach deiner Lieblings-Liveband?

FUGAZI in San Francisco, noch bevor ‘Repeater’ raus kam. Da waren nur 50 Leute da, und das war ein so verdammt intensives Konzert, ich konnte kaum glauben, was ich da sah!

Ist FUGAZI damit als Einfluss in CHOKEBORE eingeflossen?

Nicht musikalisch, aber einige ihrer Ideen sind wirklich gut und immer noch eine echte Inspiration für uns.