ANDREAS SCHWABE

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Es ist anscheinend das perfekte Sommerlochthema für die Presse. 25 Jahre Punk, was ist geblieben? Selbst die Springer-Tagespresse wie das Hamburger Abendblatt und Die Welt nimmt sich dem Thema an. Für unsereins gibt es da zwar nichts Neues zu lesen, denn dass die SEX PISTOLS 1977 für Schlagzeilen sorgten, haben wir ja doch alle irgendwie schon mal mitbekommen. Aber immerhin werden zahlreiche bunte Bilder aus der guten alten Zeit abgedruckt, die man sonst nur in teuren, limitierten Fachbüchern aus der Punk-Bibliothek zu Gesicht bekommt. Wie dem auch sei, das Vierteljahrhundert Punk-Geschichte ist in und gefragt. Deswegen springen wir vom Ox natürlich auch auf den Retro-Zug mit auf und lassen Zeitzeugen der ersten Stunde zu Wort kommen. In Hamburg war Andreas Schwabe einer der Ersten, der sich von den anarchischen Klängen aus England begeistern ließ und mit den RAZORS zu den Pionieren der Bewegung gehörte. Später prägte Schwabe mit den PHANTASTIX über fünfzehn Jahre lang das musikalische Untergrundgeschehen in der Hansestadt. Und auch heute noch mimt er mit seinen 42 Jahren monatlich den DJ beim „100% Punk Rock“-Abend im „Radau“ und schwingt die Trommelstöcke bei PROJEKT KOTELETT. Da gibt es also einiges zu erzählen, dachte ich mir, und traf den geschäftigen Klempnermeister auf eine Tasse Bier in seinem Wohnzimmer, um in vertrauter Runde ein kleines Interview zu führen.

Wann und wo hast du das erste Mal von Punk gehört?


Als ich 1975 mit ein paar Leuten nach England gefahren bin, fing das gerade mit Punk an. Da gab es bereits die ersten Bands, die SEX PISTOLS spielten ja auch schon. Die hatten leider in der Woche vorher gespielt, so dass ich sie nicht live erlebt habe. Als ich dann 1977 das nächste Mal in London war, habe ich dort aber GENERATION X gesehen. Und ab da ging es für mich eigentlich richtig mit Punk los. Musik habe ich mit Feller, dem RAZORS-Bassisten, allerdings schon vorher gemacht, oder zumindest das, was wir dafür hielten. Später haben wir dann Gott kennengelernt, den späteren Schlagzeuger der RAZORS, der auf die gleiche Schule ging wie wir. Ich glaube, da waren wir 15. In der Zeit hatte ich die SEX PISTOLS im Radio gehört und von dieser neuen Bewegung aus England. ‘Anarchy in the UK’, das war halt neuer Sound. Vorher habe ich Hardrock gehört wie AEROSMITH und so’n Kram. Da war Punk natürlich besser. Das passte bei mir auch in der Zeit gut. Ich war mit der Schule fertig und hatte noch keine Lehre begonnen.

Als der Punk dann also in deinem Leben seinen Platz gefunden hatte, ging es ja auch recht zügig mit den RAZORS voran.

Wir fingen 1977 an Konzerte zu spielen. Am Anfang dann meistens in Berlin, wo wir erstaunlicherweise immer besser ankamen als in Hamburg. Wir waren auch immer gerne für ein Wochenende dort. So haben wir dann mit ZK und all diesen Bands, die jetzt in dem ‘Verschwende deine Jugend’-Buch wieder aufgebrüht werden, zusammen im KZ36 gespielt. Dort waren wir eigentlich immer. Etwas später spielten wir dann im SO36 die Konzerte. In Berlin haben wir auch unsere ersten Sampler-Beiträge aufgenommen, für den ‘Soundtrack zum Untergang’ von Walterbach, oder wie der Typ noch mal hieß. Die ersten Jahre ging es uns eigentlich auch nur darum live zu spielen. An eine eigene Platte dachte da noch gar keiner. 1980 haben wir dann aber unser erstes Album in Angriff genommen. Das war die erste Platte, die damals bei Rock-O-Rama erschien. Ich habe da früher über den Mailorder immer meine Punk-Scheiben gekauft und Egold irgendwann auch mal besucht. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihn dann gefragt, ob er nicht unsere Platte rausbringen will und das Ding nahm seinen Lauf. Man konnte also noch nicht wissen, welchen weg dieses Label mal einschlagen würde. Wir haben aber damals immerhin, im Gegensatz zu vielen Bands nach uns, Geld von ihm gekriegt. Für tausend LPs, die er zu Anfang gemacht hatte, bekamen wir tausend Mark. Die haben wir auch an einem Wochenende bei Egold fast komplett versoffen. Danach habe ich nur noch zwei, drei Mal mit ihm telefoniert, und das war es. Der Typ war halt damals schon merkwürdig.

Habt ihr denn später mal Ärger wegen des Deals mit Rock-O-Rama bekommen? Das könnten ja irgendwelche radikal-linken Kreise als derben Affront werten.

Nö, eigentlich nicht. Wenn ich recht überlege, ist das nie passiert. Und die Leute, die uns damals live gesehen haben, wussten eh, dass wir mit dem späteren Schaffen des Labels nichts am Hut hatten.

Hat die Platte euch denn dann über Hamburg und Berlin hinaus auch etwas populärer gemacht?

Ich denke schon. Aber kurz danach hatten wir uns ja schon aufgelöst. So haben wir das gar nicht mehr richtig mitbekommen. Unser Sänger Danker war uns damals abgehauen. Der kam von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr, war auch nicht zu Hause zu erreichen und somit komplett von der Bildfläche verschwunden. Ich habe bis heute nicht erfahren, was mit dem passiert ist. Das war so ein halbes Jahr, nachdem das Album erschienen war. Für uns als Band natürlich extrem ungünstig. Wir wollten eigentlich auf Tour gehen und standen plötzlich ohne Sänger da. Aber andererseits werden durch solche Geschichten auch Mythen geboren. Und somit ist die Platte auch interessant geworden. Wer weiß, wo wir gewesen wären, hätten wir vier, fünf Platten aufgenommen. Wahrscheinlich wäre das Scheiße geworden. Das weiß man nicht. Wir haben jedoch noch später eine Maxi-Single rausgebracht. Ich glaube, das war 1982. Da hatte dann Loui gesungen. Den ersten Teil hatten wir zwar noch mit Danker aufgenommen, doch später hat Loui den Gesang noch mal gemacht. Leider sind die alten Aufnahmen mit Danker inzwischen verschwunden. Der Typ von ‘Unterm Durchschnitt’, der die damals produziert und rausgebracht hat, ist inzwischen auch verstorben. Danach haben wir noch die RAZORS II gemacht, wo ich von der Gitarre ans Schlagzeug wechselte, Hake gesungen hat, Slaughter Bass spielte und Andre Gitarre.

Wie sah denn in der Zeit überhaupt das Leben für dich in Hamburg aus? Wie hast du die ersten Jahre der Punk-Szene erfahren?

Das waren zuerst ja noch ziemlich wenig, vielleicht 50 Leute. Die trafen sich dann ständig, viel auch noch bei Wohnungspartys. Es gab ja sonst noch keine Kneipen für uns. Dann gab es irgendwann die ‘Marktstube’ im Karolinenviertel, wo wir uns trafen. Später trafen sich die Punks dann am Mönkebergbrunnen, aber da war ich schon nicht mehr so oft dabei.

In „Verschwende deine Jugend“ war zu lesen, dass die New Waver vor der „Marktstube“ gerne mal von den Punks aus dem Umfeld der RAZORS aufs Maul bekommen haben. Was ist da denn dran?

Na klar, jeden Tag. Nein, so ein Quatsch. Das stimmt natürlich nicht. Von uns war auch keiner ein Schläger. Wenn überhaupt geriet man mal in die Kloppereien mit den Teds. Da ging es ja früher im Karolviertel hart her. Und was willst du dann machen, selbst wenn du dich gar nicht hauen willst. Später hat sich das aber auch so ergeben, dass man die Teds nach und nach näher kennenlernte. So viel zu den Geschichten aus ‘Verschwende deine Jugend’. Aber in dem Buch steht auch drin, dass Feller sich tot gefixt hat…

Als dann 1982 auch Schluss mit den RAZORS war, bedeutete das ja für dich das Ende eines Lebensabschnitts. Gab es da schon mal den Gedanken, die ganze Geschichte um Punk herum hinzuschmeißen? Schließlich war der Geist des Neuen ja inzwischen aufgebraucht und Punk etabliert.

Das brachte aber auch Vorteile. Es kamen dadurch auch mal mehr Leute zu den Konzerten. Also eigentlich fand ich das ja ganz gut. Und hinschmeißen wollte ich es deshalb auch nie. Von den RAZORS war ich auch der Einzige, der weitermachen wollte. Es ergab sich auch immer irgendwas Neues, so dass ich gar nicht daran dachte, aufzuhören.

Dann ging es Mitte der 80er mit den PHANTASTIX weiter.


Ja, das war so ‘85/‘86. Als dann die erste Platte bei K.O. Records erschien, haben wir auch angefangen zu touren. Etwas, was es bei den RAZORS nicht gab. Wir waren zuerst mit den LURKERS unterwegs, dann mit den TOTEN HOSEN. Aber kurz vor der HOSEN-Tour hat unser Sänger Hake aufgehört. Wir standen alle vorm Proberaum und wollten los auf Tour, da kam der einfach nicht. Also mussten Erwin, unser Gitarrist, und ich kurzfristig singen. Wir haben dann einige Jahre ohne Hake so weitergemacht. So kamen auch die anderen beiden Platten raus. Später, als wir mal wieder zu Weihnachten in Hamburg spielten, haben wir Hake gefragt, ob er nicht mitsingen will, und seitdem war er wieder dabei. Ende der 90er hat Uwe von LA CRY ihn abgelöst, und wir haben noch eine Single gemacht. Aber als unser anderer Gitarrist Gregor ausgestiegen ist, war Schluss. Aber das hat immerhin fünfzehn Jahre gehalten.

Hat dich denn das Punk-Revival in den 90er Jahren oder zuvor Grunge in irgendeiner Weise noch tangiert?

Nö. Ein paar von den Bands fand ich teilweise ganz gut, aber sonst hat mich das Ganze eigentlich nicht interessiert. Bei den Chaos-Tagen bin ich auch nicht mehr gewesen. Das reichte mir zwei Mal in den 80ern.

Wie ging es für dich persönlich nach dem Ende der PHANTASTIX weiter?

Kurzzeitig habe ich bei den SONICS 77 gespielt, und mit Hake und Loui versuchten wir uns an Gitarrenrock. Seit letztem Jahr spiele ich bei PROJEKT KOTELETT, wo gerade die erste Single rausgekommen ist. Das bringt eine Menge Spaß und ich hoffe, dass wir noch einiges gemeinsam auf die Beine stellen werden. Das Potential ist auf jeden Fall da und alle in der Band scheinen auch richtig motiviert zu sein. Das war bei meinen früheren Geschichten nicht immer der Fall.

Was motiviert dich denn, immer noch weiter Punkrock zu machen?

Ich reise gerne. Durch die ganze Geschichte kenne ich inzwischen überall Leute, die man mal besuchen kann oder bei denen ich übernachte, wenn ich in der Stadt bin. Außerdem ist Musik machen einfach mein Hobby. Ich mache das seit 25 Jahren, da hört man nicht einfach auf.

Ist es denn nicht auch traurig, wenn immer mehr ehemalige Weggefährten verschwinden? Sei es in die Bürgerlichkeit, den frühen Tod oder sonst wie.


Das gehört nun mal dazu. Einige trifft man ja auch gelegentlich wieder. Und es kommen natürlich ständig neue Leute hinzu, die man plötzlich auch schon wieder drei, vier Jahre kennt. Und so ergibt sich das zwangsläufig, wenn man immer weitermacht.

Wo siehst du dich in den nächsten zehn oder auch zwanzig Jahren? Willst du dem Punk weiter treu bleiben?

Ich werde weitermachen wie bisher. Was dann passiert, weiß ich heute noch nicht. Und wenn eine Sache mal nicht klappt, macht man halt was Neues. Irgendwas ergibt sich immer.