BOY DIVISION

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That’s Entertainment

Seit einiger Zeit geistert bereits der Namen BOY DIVISION durch die Hamburger Musikwelt.
Das erste Mal Zeuge einer musikalischen Darbietung der Band wurde ich bei einem Besuch des Elektro-Kaufhauses Saturn Hansa in der Hamburger Innenstadt, als auf der dortigen Show-Bühne vier Herren in weißen Hemden und schwarzen Krawatten ihre Sperrmüll-Instrumente malträtierten und bekannte Songs aus den letzten drei Dekaden durch den Fleischwolf drehten. Dazu quäkte der Sänger kaum verständlich durch ein Megaphon und verpasste damit dem trashigen Sound der Band eine sehr eigene Note, so dass die Band bei mir einen bleibenden Eindruck hinterließ.
Später sah ich die Band noch zwei Male und war stets begeistert. Als ich dann ihr Debüt-Album „Ill“ zu Ohren bekam, stand für mich fest, denen mal auf den Zahn zu fühlen.
Für das Interview traf ich mich mit Schlagzeuger Bernd und Sänger Olli, dessen Bar Saal II als Location für unser Gespräch diente.

Wie seid ihr bloß auf den Namen BOY DIVISION gekommen?


Bernd: Das kam halt so, wie solche Ideen nun einmal kommen. Wenn man was getrunken hat und gerne mit Worten rumspielt, liegt der Name ja eigentlich auf der Hand.

Ist der Name denn an die Band oder das Gleitmittel JOY DIVISION angelehnt?

Bernd: Ich denke, schon an die Band. Das Gleitmittel spielte dabei gar keine Rolle. Das kenne ich nämlich gar nicht.

Aber ihr wollt mit eurer Musik auch Frauen ansprechen, oder?

Olli: Ja sicher. Oder glaubst du, das machen wir hier alles nur zum Spaß?

Wer steckt denn alles hinter BOY DIVISION?

Olli: Bernd und ich haben die Band gegründet, damals noch zusammen mit Lars und Tim von SUPERPUNK, die inzwischen aber ausschließlich dort spielen, weil es bei SUPERPUNK immer zeitintensiver wurde. Daraufhin habe ich meinen Freund Kolja gefragt, ob er am Bass mitspielen will, und nach kurzem Zögern hat er dann auch zugesagt. Schließlich macht Felix als Gitarrist und Tastenspieler die Band komplett.
Bernd: Ich glaube, uns gibt es jetzt im siebten Jahr. Ganz am Anfang haben wir im Übungsraum noch mit eigenen Stücken angefangen. Das hat aber nicht so wirklich Spaß gebracht, so dass wir schnell bei den Cover-Versionen landeten.

Und wie ist das Gesamtkonzept der Band entstanden?


Bernd: Eigentlich ist die Band ganz klassisch am Tresen im Suff entstanden. Wir saßen im Heinz Kramers zusammen und hatten uns überlegt, zusammen Musik zu machen. Tim wohnte in Hamburg, hatte gerade keine Band, Lars wollte neben SUPERPUNK auch noch was machen, Ollis andere Band hatte sich gerade aufgelöst und ich hatte Lust, mal zu trommeln.
Olli: Eine der wichtigsten Ideen dabei war, dass alles, was wir an Equipment benutzen, in ein Auto reinpasst, da das Ganze schon von vornherein als Party-Band gedacht war. Außerdem war ich immer schon ein großer Fan von solch minimalistischen Sachen. Nicht nur musikalisch, es sieht halt auch super aus.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang eure Garderobe?

Olli: Da ging es uns eigentlich nur darum, dass wir einheitlich auftreten wollten. Das ist auch etwas, was ich seit Jahren schön finde. Wenn Bands auf die Bühne gehen, sollten sie auch optisch klarstellen, dass sie es sind, die dort stehen, und nicht da rumstehen, als wären sie gerade erst aufgestanden.
Bernd: Weiße Hemden und schwarze Krawatten sind ja jetzt auch nicht gerade das aller originellste. Aber es ging uns halt nur um die optische Gleichschaltung.

Meine Freundin gab mir noch die Frage mit auf den Weg, ob ihr eure Musik selber wirklich schön findet, oder doch eher als Experiment seht.

Bernd: Also, einige Sachen schocken schon wirklich, finde ich. Die machen einfach Spaß zu spielen, sowohl im Proberaum als auch live. Ein Experiment ist das gar nicht, ich finde das schon gut. Ich kann auch die Platte auflegen und sie mir gut anhören. Wenn das jemand anders machen würde, würde mir das auch gefallen.

Aber wenn ihr live spielt, könnte ich mir vorstellen, gibt es oft Leute im Publikum, die mit eurer Darbietung gar nichts anzufangen wissen, weil sie nicht dem gängigen Rock’n’Roll-Schema entspricht.

Olli: Es ist eher selten der Fall, dass die Leute komplett nichts damit anfangen können. Das haben wir eigentlich erst zweimal gehabt. Das eine Mal in einer Yuppie-Bar, wo von Anfang an klar war, dass es keinen interessiert. Das andere Mal war in Kassel, da war es eigentlich auch klar, dass es keinen interessiert. Als unser Gitarrist dort zwei Wochen später mit SPORT gespielt hat, kam der Veranstalter zu ihm und sagte, es sei nicht so gewesen, dass die Leute BOY DIVISION nicht gemocht hätten, die hatten einfach nur Angst.

Welche Songs kommen denn in die Auswahl, um von euch gecovert zu werden?

Olli: Dafür gibt es kein Kriterium.
Bernd: Wir müssen das nur so hinkriegen, dass wir es gut finden. Wir haben auch schon einige Sachen probiert, dann aber festgestellt, dass es überhaupt keinen Sinn macht, die nachzuspielen. Es bringt nicht jeder Song automatisch Spaß, wenn man das Tempo anzieht und den Verzerrer reindrückt.

Eure Platte klingt dann ja auch trotz des hohen Trash-Faktors enorm fett.

Bernd: Das finde ich auch. Darüber war ich echt überrascht. Dabei haben wir das mit zwei Kumpels im Proberaum selber aufgenommen.
Olli: Ich glaube auch, dass wir da einen guten Weg gefunden haben. Einmal waren wir auch in einem richtigen Studio, um was aufzunehmen, das ging mit unserer Musik aber überhaupt nicht. Das war einfach überproduziert.

Erzählt doch kurz mal, was ihr musikalisch neben BOY DVISION noch so auf die Beine stellt.

Olli: Ich mache nur noch BOY DIVISION. Früher habe ich noch bei PORNO POP gespielt.
Bernd: Ich spiele nebenbei noch bei POTATOE FRITZ. Das war’s. Felix hingegen ist noch bei KANTE, SPORT und irgend so einem Hip-Hop-Ding dabei. Unser Basser spielt wie ich noch bei POTATOE FRITZ.

Habt ihr eigentlich schon mal mit dem Gedanken gespielt, doch wieder eigene Songs zu schreiben oder soll es ausschließlich beim Covern bleiben.

Bernd: Am Anfang haben wir genau das ja gemacht, wie schon gesagt, und haben auch vor, das wieder etwas aufleben zu lassen. Für die nächsten Aufnahmen wollen wir auch eigene Sachen einproben. Wir sind also nicht nur auf Cover-Versionen festgelegt.

In welche Richtung sollen die eigenen Stücke gehen?

Bernd: Keine Ahnung. Ich denke, das wird schon so klingen wie die Platte, nur dass wir dann die Riffs von bekannten Stücken anders herum spielen.

Wann ist denn die nächste Platte geplant?

Olli: Wir machen jetzt erst einmal eine Vinyl-Single. Die heißt ‚One week with BOY DIVISION’ und es geht darum, dass es zu jedem Wochentag einen Song geben wird. Aber auch alles Cover-Versionen.
Bernd: Die Single wird wohl auch wieder bei Fidel Bastro Records erscheinen.

Ein gutes Stichwort, Bernd. Das Label Fidel Bastro betreibst du ja selber. Erzähl doch dazu mal ein bisschen.

Bernd: Fidel Bastro hat gerade zehnjähriges Jubiläum, zu dem auch ein Sampler erschienen ist. Dort gibt es mit „Boys don’t cry“ auch einen unveröffentlichtes Stück von BOY DIVISION. Der Sampler ist die sechsundzwanzigste Veröffentlichung des Labels. Eigentlich wurde es mal als Noise-Rock-Label im weitesten Sinne gegründet, ohne dass wir jemals wirklichen Noise-Rock veröffentlicht haben. Wir veröffentlichen halt Sachen, die uns gefallen. Wir, das sind mein Bruder und ich.

Da ich Bernd die Möglichkeit gegeben habe, sein Label zu bewerben, kannst du, Olli, nun auch noch was zu deinem Lokal, dem „Saal II“ erzählen. Wie siehst du die Entwicklung des Schanzenviertels, sowohl aus der Sicht des Gastronoms als auch des Privatmenschen?

Olli: Als Privatmensch mag ich es nicht. Als Gastronom ist es mir egal. Letztendlich kann ich das ganze Geschrei von Yuppiesierung nicht ganz verstehen. Das ist eine ganz normale Entwicklung, die überall dort passiert, wenn es in einem Stadtteil schöne, große Wohnungen gibt. So viele Stadtteile gibt es davon ja nicht. Mich wundert es eher, dass die Leute nicht schon viel früher hierher gezogen sind. Das ist jetzt vielleicht ärgerlich, und man kann es auch scheiße finden, aber man hält es nicht auf. Auf den Saal II wirkt es sich wenn überhaupt eher negativ aus, da inzwischen ein Schlag Mensch ins Schanzenviertel kommt, der vorher nicht im Saal II war.
Bernd: Ich finde diese Entwicklung schrecklich. Wenn ich an der neuen Piazza lang gehe, ärgere ich mich jedesmal fürchterlich über die Leute da. Ich vermute auch ein Konzept vom Senat dahinter. Wo sie die Rote Flora bislang nicht knacken konnten, versuchen sie nun, die Floristen durch die ganzen Yuppies zu vergraulen.

Eine schöne Verschwörungstheorie. Wie beurteilt ihr als Band denn die derzeitige Situation in Hamburg. Lässt es sich hier gut aushalten? Und gibt es noch eine gute, funktionierende Szene?

Olli: Außer VENUS VEGAS ist hier in den letzten zwei Jahren keine wirklich gute Band mehr in Erscheinung getreten.
Bernd: Das hängt, glaube ich, mit vielen Faktoren zusammen. Es gibt einfach keinen vernünftigen Laden mehr, wo Bands entstehen und schnell auch mal auftreten können. Das ist hier in Hamburg ein echtes Grundproblem. Als Olli damals das Heinz Kramers Tanzcafé betrieben hat, war das so etwas wie eine Keimzelle für Hamburger Bands. Da konnte man relativ problemlos billige Konzerte spielen. Das interessiert heute eigentlich kaum noch. Momentan nerven mich einfach ganz viele Sachen, auch was so an Hamburger Platten veröffentlicht wird. Da gibt es meistens nur diese alte Punkrock-Geschichte, die mich eigentlich immer schon gelangweilt hat. Mich interessiert halt nicht die tausendste Band, die wie die BUZZCOCKS klingt.

Glaubt ihr denn, dass der Mitte-Rechts-Senat ein weiterer Negativfaktor ist?

Olli: Für mich hat sich dadurch im Vergleich zu Rot-Grün nichts geändert. Die haben damals auch kaum was für kleine Läden oder die Subkultur gemacht. Die damalige Kultursenatorin Christina Weiß kannte das Kramers nicht mal, obwohl dort seit drei Jahren regelmäßig Konzerte stattfanden.

Kommen wir mal zurück in die Jetztzeit. Was hört ihr derzeit für Musik? Welche aktuellen Bands gefallen euch?

Bernd: Aktuell? BIG BLACK. Das ist halt immer noch meine Lieblingsband, woran sich wohl auch so schnell nichts ändern wird. Bei diesem ganzen Emo-Core-Hype, der mich ziemlich ankotzt, gibt es auch die eine oder andere Sache, die da mit reinrutscht, obwohl die Bands gar nichts dafür können, dass sie mir persönlich gut gefallen.
Olli: Neue Bands gibt es eigentlich kaum, die mich wirklich begeistern. Ich bleibe da lieber bei den alten Sachen.

Kommen wir zum Ende. Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Olli: Wir wollen auf Japan-Tour gehen. Das haben wir uns schon seit einiger Zeit überlegt. Wir denken, da kommen wir gut an. Ansonsten kommt halt demnächst die Single raus.