JOE JACKSON

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He’s the man

Der Mann ist eine Diva. Und seit ich mit 14 beim älteren Bruder eines Freundes das „Look Sharp“-Album der JOE JACKSON BAND im Plattenschrank entdeckte (und dann auch „I’m The Man“ und „Night & Day“), war ich Fan. Der Mann war cool. Er hatte Stil. Und doch war er irgendwie auch Punk. Aber nur irgendwie. Denn für „richtigen“ Punk war er viel zu cool. Die Texte zu schnippisch, zu traurig, die Musik zu ausgefuchst. Das war, das ist einfach großartige Pop-Musik. Mit „Volume IV“ ist Jackson samt Band nun zurückgekehrt an den Punkt, an dem man sich 1980 trennte und wo er begann, eine erfolgreiche und eigenwillige Solo-Karriere einzuschlagen, die ihn von Pop über Jazz, Latin und Klassik wieder zum Ausgangspunkt zurückführte.

Ich traf Jackson, mittlerweile 48, aber immer noch mit unglaublich jugendlicher Ausstrahlung, vor seiner Show in Köln im Hotel, und boy, ist der Mann eine Diva. Ja, nett, aber auch verdammt eigenwillig – oder sagen wir es so: Ich hatte schon einfachere Interviews ...

Joe, wann und wo begann deine musikalische Sozialisation?


Als Kind, als ich Bands wie die BEATLES und die KINKS hörte, und dann mit elf, als ich anfing Geige zu spielen. Freiwillig, denn wenn meine Eltern mich dazu gezwungen hätten, hätte ich das wahrscheinlich nicht gemacht.

Du hattest also damals schon deinen eigenen Kopf.

Oh ja, ich war immer schon ein ‚misfit’.

Apropos: seinerzeit wurde die JOE JACKSON BAND durchaus auch im Punk-Kontext wahrgenommen.

Mag sein, aber das ist mir egal. Die Leute sehen immer das, was sie sehen wollen: Wer 1979 eine Platte gemacht hat, der war eben irgendwie Post-Punk. Ich weiß nicht... Und ich wusste auch damals nicht, was es ist und weiß das auch heute nicht. Ich denke, alles, was ich bis heute gemacht habe, ist eine Mischung aus einer ganzen Vielzahl von Stilen.

Ich habe es ganz einfach als Rock’n’Roll angesehen.

Wie gesagt, ich weiß es nicht. Es hängt immer davon ab, was du als Vergleich heranziehst, was deine Definition ist. Ich denke, meine Musik ist sehr vielseitig, durchdacht und anspruchsvoll – auf ihre Weise. Andererseits aber auch durchaus minimalistisch, was aber eine bewusste Entscheidung war, die in die Zeit passte. Die Platten damals und die neue, da bin ich auf das Grundskelett reduziert.

Der Unterschied besteht also darin, ob man mit drei Akkorden Musik macht, weil man es nicht besser kann, oder ob man gezeigt hat, dass man mehr kann und man sich bewusst auf einen minimalistischen Ansatz einlässt.

Genau, es ist eine bewusste Entscheidung. ‚Volume IV’ ist ein minimalistisches Album, das auf die Essentials reduziert wurde, und doch hat es nichts mit nur drei Akkorden und dummen Texten ohne Bedeutung zu tun.

Mit „Volume IV“ knüpft die JOE JACKSON BAND offensichtlich da an, wo man sich nach drei großartigen Alben 1980 getrennt hat.


Ich konnte mir einfach keinen besseren Titel vorstellen als ‚Volume IV’. Das Album zeigt, wie weit der Weg von damals bis heute war, gerade auch was mich als Songwriter betrifft.

War es denn schwer, die Jungs – das Album wurde in der Originalbesetzung mit Dave Houghton am Schlagzeug, Graham Maby am Bass und Gary Sanford an der Gitarre eingespielt – zu überzeugen, noch mal was als JOE JACKSON BAND zu machen?

Nein, eigentlich gar nicht. Ich wusste aber natürlich nicht, worauf ich mich einlasse, denn wenn nur einer von ihnen Nein gesagt hätte, wäre nichts daraus geworden. Aber sie sagten Ja und waren ganz begeistert, und da war ich mir dann sicher, dass wir das wirklich machen sollten. Die Idee zur Reunion hatte natürlich was mit dem 25-jährigen Jubiläum zu tun, das sich abzeichnete. Anfangs gefiel mir selbst die Idee ja gar nicht, ich fand sie schrecklich, doch dann kam mir der Gedanke, auch ein neues Album zu machen, und ab dem Zeitpunkt fand ich es interessant.

Die Platte ist jetzt schon ein paar Wochen raus, wie sind die Reaktionen?

Was die Presse angeht, habe ich schon ein paar Rezensionen gelesen. Ich denke, es ist für jeden Künstler wichtig, ganz gleich ob man eine gute oder eine schlechte Besprechung bekommt, beides nicht zu ernst nimmt. Man muss überzeugt sein von dem, was man tut, und vor allem muss man daran Spaß haben. Ein paar der Reviews zum neuen Album waren eher dumm, andere nett, aber grundsätzlich waren sie eher positiv, aber wenn jemand Blödsinn schreibt, kann ich auch nichts machen.

Du sagtest, man muss Spaß haben an dem, was man tut. Wie hast du dir den bewahrt?


Indem ich offen bin, meiner Intuition folge und versuche, neue Wege zu finden und zu gehen. Live zu spielen ist auch wichtig, das macht immer Spaß, und gerade jetzt wieder mit den Jungs zu spielen, das ist schon sehr schön. Man muss sich einfach bewegen und Neues finden – wenn nicht, dann höre ich auf.

Du warst schon immer jemand, der keine musikalischen und stilistischen Grenzen gekannt hat.

Nun, es gibt immer Grenzen, aber die setze ich selbst, je nach meinem Geschmack – und folge eben nicht den Regeln anderer. Um dahin zu gelangen, muss man ehrlich sich, auch zu sich selbst – ‚sticking to your guns’ sagen die Engländer dazu.

Welches war die erste Platte, die du dir gekauft hast?

Das war die ‚Telstar’-Single von den TORNADOS, und meine erste LP war eine Symphonie von Beethoven. Und die erste CD, die ich kaufte, war die 7. Symphonie von Sibelius. Ich habe sowieso erst recht spät angefangen, CDs zu kaufen, als sich abzeichnete, dass die CD das Rennen macht. Trotzdem ist mir bis heute Vinyl lieber als CD. Leider ist mein neues Album nicht auf LP erschienen, eine Entscheidung der Plattenfirma, die ich nicht beeinflussen kann.

Nun gibt es da bis heute Streit unter Experten, ob das analoge Vinyl nicht doch einen besseren Klang als die digitale CD.

Diese Diskussionen sind oft irreführend, denn es sind so viele verschiedene Faktoren, die den Klang einer Platte beeinflussen, dass analog oder digital nur einer unter vielen ist: Wie wurde die Platte aufgenommen, über was für ein Mischpult, wie gemischt, was für Mikrofone wurden verwendet, wie gemastert, und so weiter. Von daher kann man eine lausige CD mit mieser Dynamik haben, aber auch eine gute LP mit großer Dynamik, und so was kann man dann verallgemeinern, aber das macht keinen Sinn, es kommt auf den Einzelfall an.

Und wie hältst du es beim Aufnehmen? Bist du ein technikverliebter Perfektionist?

Nein, mir ist es nur wichtig, wie eine Aufnahme klingt und ich habe schon immer sehr genaue Vorstellungen, wie etwas klingen soll. Ich beschäftige mich also so viel damit wie nötig, aber auch nicht länger, denn ich bin eigentlich nicht gerne im Studio. Die Arbeit im Studio langweilt, nein, frustriert mich, es macht mir nicht allzu viel Spaß. Irgendwann fängt die Studioarbeit immer an, mich verrückt zu machen. Das neue Album haben wir in zehn Tagen aufgenommen, und es gibt keinen Grund, dafür länger zu brauchen.

Erstaunlich, dass gerade junge Bands mit großem Studiobudget sich wochenlang im Studio aufhalten.

Die wissen eben nicht, was sie tun. So einfach ist das, sorry. Ich habe meine Platten schon immer so schnell wie möglich aufgenommen. Mal sind es auch vier oder fünf Wochen gewesen, aber das war immer so schnell, wie es mir möglich war.

Wie gehst du beim Songwriting vor?

Ich habe die Musik im Kopf, bringe sie dann zu Papier, und manchmal sitze ich auch am Keyboard. Das ist immer verschieden. Wenn ich dann ins Studio gehe, ist das Album eigentlich schon fertig.

Bist du denn jemand, der seinen Mitmusikern dann auch ganz exakt sagt, was sie zu tun haben?

Ja, genau. Ich bin der Komponist und Arrangeur. Manche Leute verstehen das nicht, die denken dann immer, ich wäre gemein zu den Leuten, die mit mir spielen. Ich arbeite da ganz ähnlich wie ein Regisseur: Ich schreibe das Drehbuch und brauche dann eben statt Schauspielern Musiker, um das Drehbuch zum Leben zu erwecken. Und je besser die Besetzung, desto besser das Ergebnis – und desto einfacher ist auch die Arbeit, weil ich dann nicht immer ganz exakt erklären muss, was sie spielen sollen. Jemanden wie Graham Maby bitte ich, etwas so und so zu spielen, und da weiß ich, dass es einfach passt, was er dann macht. Und mit dieser Sicherheit kann ich meinen Musikern dann auch etwas Freiheit lassen, denn ich kenne sie eben. Und diese Arbeitsweise rührt eben auch von meiner klassischen Musikausbildung her.

Ist Musik etwas, das dich 24 Stunden am Tag beschäftigt?

Nicht bewusst, aber irgendwo da drin schon. Die meiste Zeit denke ich aber an anderes, das wäre ja auch schrecklich, das würde mich verrückt machen.

Was für Musik begeistert dich derzeit?

Ich habe ein Faible für finnische Musik, und auch für elektronische Musik, Drum & Bass. Und es gibt auch ein paar gute junge Bands – ich werde jetzt keine Namen nennen –, aber die meisten werden völlig überschätzt. Und ich höre gerne Bach und noch so viel anderes.

Wie kommt es, dass du bislang nicht im Bereich elektronischer Musik gearbeitet hast?

Ich mag auch traditionelle irische Musik und davon findest bei meinen Platten auch keine Einflüsse. Ich mache keine Platte, weil es irgendwie eine gute Idee sein könnte, dies oder das zu machen. So eine Platte kommt von viel tiefer in mir drin. Für mich sind die verschiedenen Instrumente, Gitarren, Violinen, Computer, Synthesizer, nur Farben auf einer großen Palette, derer ich mich bediene oder eben nicht.

Du lebst seit einer ganzen Weile in New York, doch „Volume IV“ wurde in England aufgenommen. Spielt es für dich eine Rolle, wo du lebst und arbeitest?


Also in letzter Zeit habe ich mir aus offensichtlichen Gründen überlegt, wieder nach Europa zu ziehen, aber es spielt für mich keine Rolle, wo ich meine Musik schreibe. New York hat schon einen gewissen Einfluss auf mich gehabt, gerade was Latin Music anbelangt, und ich denke, wenn ich nicht dorthin gegangen wäre, hätte ich das wohl nicht entdeckt. New York war auch ein guter Ort, um gute Musiker zu finden, die einen ähnlichen Anspruch haben wie ich. Aber seit einer Weile habe ich einfach ein Problem mit New York, mit den USA an sich und ich weiß nicht, ob ich da in Zukunft noch so viel Zeit verbringen werde.

Ihr seid jetzt auf Tour, wie ist dein Eindruck?

Es macht richtig Spaß, wieder mit den Jungs unterwegs zu sein. Vor der Europatour waren wir für 20 Shows in den USA unterwegs, heute ist das zweite Konzert in Europa, und es ist auch schön zu sehen, wie gemischt das Publikum ist. Ich stelle mir echt die Frage, was all die Leute da machen, haha. Alte Fans, junge Gesichter, schwarze, weiße, Schwule – es ist wirklich schön. Aber natürlich ist das der Alptraum jedes Marketing-Experten. Ehrlich, man hat mich das auch schon in Interviews gefragt: What is the target audience for your new record?

Und was war deine Antwort?

Fuck off!

Ich danke dir für das Interview.