1966

Frank Schäfer

Mit seinem vorzüglichen Jahresband „1913“ schuf der Feuilletonist Florian Illies ein eindrucksvolles Porträt eines Jahres, das als Wendepunkt der Zeitgeschichte eine neue Ära einläutete, er beschrieb auf sympathisch-spöttische Weise die Liebeleien der Intelligenzia, lieferte massenweise Klatsch und Tratsch, vermittelte dennoch hinreichend Hintergrundwissen, um nicht allein einen bloßen Almanach, sondern eine Mischung aus Sittengemälde, Rezeptions- und Geistesgeschichte.

Genau so gut, hatte ich erhofft, hätte Frank Schäfers Band über „Das Jahr, in dem die Welt ihr Bewusstsein erweiterte“ gelungen sein können. Leider ist Schäfer, Schreiber für Rolling Stone, NZZ, taz, Romanschriftsteller und Essayist mit seinem Überblick nur eine stellenweise arg dröge Faktensammlung gelungen.

Zweifellos ist das Buch über weite Strecken gut recherchiert, die Faktenlage wird gut aufbereitet, die relevanten gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Themen mit hinreichender Sorgfalt beleuchtet.

Das ist es dann allerdings schon, es gelingt ihm nicht, einen roten Faden herauszuarbeiten, der die sicherlich bedeutsamen Umwälzungen dieser Tage zusammenhält. In der Summe versprüht „1966“ soviel Esprit wie eine Fernsehreportage von Guido Knopp.

Und leider beschränkt er sich nur allzu willig und plakativ auf die großen Slogans des Jahres, seine Zeitgeschichte lässt sich mühelos aus Bild-Headlines und APO-Transparenten ableiten, zwischen den Zeilen wird allzu selten gelesen, und darum bleibt „1966“ stets ein wenig unscharf, wirkt wie eine lustlose Fleißarbeit.