HERBERT

Diejenigen, für die das Kino ein reiner Ort des Eskapismus ist, werden Thomas Stubers Debütfilm „Herbert“ nicht sehen wollen, der einen auf quälende Weise mit der Realität konfrontiert. Auch wenn die gut 100 Minuten von „Herbert“ eine echte Tortur bedeuten, sind es genau diese Filme, die einen bis zum Nachspann nicht mehr loslassen, emotional aufwühlen und die man auch danach nur schwer wieder aus dem Kopf bekommt – großartiges Kino also.

Das gelang 2011 auf ähnlich eindringliche Weise Andreas Dresen mit „Halt auf freier Strecke“, in dem der Zuschauer erlebt, wie ein Berliner Familienvater einem Hirntumor erliegt. Dresen hatte auch den Bestseller „Als wir träumten“ des Schriftstellers Clemens Meyer verfilmt, der wiederum zusammen mit Stuber das Drehbuch für „Herbert“ schrieb.

Meyer erweist sich auch hier als Garant für detailgetreue Milieuschilderungen und Charakterstudien, und erzählt die Geschichte des ehemaligen Boxers Herbert, der inzwischen als Geldeintreiber und Türsteher arbeitet.

Gleichzeitig trainiert er einen jungen Boxer, um durch ihn doch noch den Traum von der großen Boxkarriere zu verwirklichen, die ihm selbst verwehrt blieb. Ex-Knacki Herbert ist zwar kein schlechter Mensch, aber definitiv ein Gescheiterter, von dem man über das Boxen hinaus keine großen Emotionen erwarten darf, weshalb sich auch seine Tochter enttäuscht von ihm abgewandt hatte.

Herberts Lebensentwurf ist komplett auf seine körperliche Leistungsfähigkeit ausgerichtet, um so härter trifft ihn die Diagnose, dass er unter ALS leidet, einem unheilbaren Muskelschwund.

Hauptdarsteller Peter Kurth zeigt dabei den unaufhaltsamen physischen Zerfall seiner Figur auf beeindruckende Weise, während Stuber bei seiner schonungslosen, aber dennoch einfühlsamen Darstellung des Leidenswegs von Herbert den Zuschauer in keinster Weise schont.