MUTTER

Der Traum vom Anderssein

Als noch niemand von Hamburger Schule sprach und BLUMFELD noch nicht für die Heilsbringer deutscher Independent-Musik gehalten wurden, gab es die Berliner MUTTER bereits, die 1989 ihr erstes Album „Ich schäme mich Gedanken zu haben die andere Menschen in ihrer Würde verletzen“ aufnahmen.

Wenn überhaupt, konnte man hier von Berliner Schule reden, die dem so genannten Diskurspop den Mittelfinger zeigte. Allerdings bekamen MUTTER auch die damals noch fehlende Akzeptanz von ernstzunehmender deutschsprachiger Musik zu spüren, denn die späte NDW war ja längst im Schlagersumpf untergegangen.

Nicht zuletzt auch wegen ihrer musikalischen Unberechenbarkeit blieben MUTTER bis heute Liebhabermusik ohne Massenappeal. Das letzte Album „Text und Musik“ von 2014 war dennoch etwas enttäuschend, denn der Versuch von Bandkopf Max Müller und Schlagzeuger Florian Koerner von Gustorf – die beiden einzigen verbliebenen Urmitglieder – MUTTER zur gepflegten Popband mit barockem Anstrich und nachdenklichen, empfindsamen Texten zu machen, wollte nicht so richtig funktionieren.

Auch die aktuelle Veröffentlichung „Der Traum vom Anderssein“ besitzt ihre stilleren, lyrischeren Momente, aber MUTTER besinnen sich wieder verstärkt auf ihren früheren radikalen Noiserock, mit dem sich die Band ihren „Traum vom Anderssein“ auf jeden Fall erfüllt und sehr schön den Bogen von damals zu heute schlägt.

Einziger Wermutstropfen: Max Müllers etwas verunglückter Vocoder-Einsatz bei den letzten beiden Stücken – das dürfen nur Neil Young und KRAFTWERK.