RISE AGAINST

Wolves

Bassist Joe Principe sagt im Interview mit dem Ox, Frontmann Tim McIlrath habe diese Platte zuerst „Mourning In America“ nennen wollen, „Trauer in Amerika“. Und natürlich hätte das gepasst. Denn diejenigen, die in Amerika leben und noch einigermaßen bei Verstand sind, befinden sich seit der Wahl eines großkotzigen, mediengeilen Milliardärs zum Präsidenten tatsächlich noch in der Trauerphase und trauern um Menschen, denen der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen scheint.

Wo kein Menschenverstand mehr regiert, da regieren Habgier und Raffsucht. Da regiert die Egomanie. Und auf diesem Nährboden wachsen Turbokapitalismus und Rassismus. Insofern also: Trauer ist okay.

Aber es wäre nicht okay gewesen, wenn ausgerechnet RISE AGAINST diese Empfindung im Plattentitel offen zur Schau gestellt hätten. Denn Trauer heißt immer auch: sich zurückziehen. Sich einrollen.

Sich der Außenwelt verweigern. Was der falsche Weg ist, möchte man den Menschenverstand wieder in die Köpfe der Leute – egal ob in den USA oder anderswo – hineinkriegen. Um das zu schaffen, muss man zu anderen Methoden greifen.

Man muss rabiater werden. Man muss zu einem Rudel Wölfe werden, das die Zähne fletscht und dem Gegner selbstbewusst gegenüber tritt. So sind RISE AGAINST immer schon gewesen. Das ist ihre Natur.

Das ist, wenn man so will, ihre Existenzberechtigung als Band. Schon die Namen der bisherigen Alben, die sie bis in die Riesenhallen und Charts führten, tragen dieses Aufbegehren mitunter im Titel: „Revolutions Per Minute“, „Siren Song Of The Counter Culture“, „Endgame“.

Und jetzt eben „Wolves“. Nicht „Mourning“. Eine gute Wahl. Die beste Wahl. Auch weil diese Platte nach Angriffslust klingt, nicht nach Schwanz einziehen und Wundenlecken. Textlich wie musikalisch.

Das Titelstück, „House on fire“, das großartige „The violence“, „Parts per million“ – „Wolves“ ist die nächste Dampframme dieser Band, die mit einer nach wie vor ihresgleichen suchenden Geschmeidigkeit inmitten all der Härte aus den Boxen hinaus ins Ohr und von dort aus in Herz und Seele des Hörers kracht.

Ungebremst. Und wie ein Rudel Wölfe, das Blut geleckt hat und losrennt. „I am ready to explode / We are the wolves at the gates / And our number is growing every day / You can’t fight us all / We are the wolves at the wall / And we break it like a waterfall“, schreit/singt Tim McIlrath.

Das klingt nicht nach Aufgeben. Das klingt nicht nach Verzweiflung. Das klingt nicht nach Trauer. Das klingt nach einer Band, die weiß, was ihre Bestimmung ist, und die die Musik nicht nur als Aufforderung zum Tanzen versteht, sondern als etwas Essentielles.

Als Ausdrucksmittel für Wut und als Schwarzes Brett, an dem die Protestpamphlete gegen das Schlechte angeschlagen werden. Wenn man in zehn Jahren von der Ära Trump erzählen wird, dann wird man sich in Punkrock-Kreisen auch an dieses wichtige Album erinnern.