MELVINS

A Walk With Love And Death

Nach dem Multi-Bassisten-Experiment auf „Basses Loaded“ haben die MELVINS mit Steve McDonald inzwischen wieder einen festen Basser am Start. Also wieder 08/15-Band und alles beim Alten? Sicher nicht, ganz ohne neues Testfeld wäre das nach über dreißig Jahren im Musikgeschäft ja auch zu langweilig.

Also mal eben in den Band-Annalen geblättert und zack, hat man ein neues Projekt mit unangetastetem Terrain am Wickel: Ein Doppelalbum. Halleluja. Der Heilige Gral des Konzeptalbums. Allerdings waren die MELVINS bekanntlich noch nie große Freunde des allzu Offensichtlichen und wer hier ein zweites „Weißes Album“, „Tommy“ oder „Physical Graffiti“ erwartet, befindet sich ganz gewaltig auf dem Holzweg.

Vielleicht sollte man „A Walk With Love And Death“ eher als zwei zusammengefasste Alben oder „Album plus“ bezeichnen, denn die beiden hier vereinten Platten haben tatsächlich nur wenig gemein.

Teil eins bildet „Death“, ein mit tieffrequent kriechenden Gitarrenriffs und knarzigen bis – McDonald sei Dank – fast poppigen Basslinien prall gefülltes Album im eher klassischen MELVINS-Sinne.

Mit dem nur schwer verdaulichen zweiten Teil „Love“ (haha) startet man dann den Versuch, auch Die-hard-Fans aus der Reserve zu locken: Modifizierte Gesprächsfetzen und Alltagsgeräusche reihen sich nahtlos an eingestreute Melodiebrocken und in allen erdenklichen Formen verzerrtes und entstelltes Synthierauschen und -fiepen.

Eine Klangorgie, gegen die THROBBING GRISTLE zeitweise eher wie die BAY CITY ROLLERS wirken. Was im Übrigen alles offiziell als Soundtrack zu einem noch unfertigen Kurzfilm von Jesse Nieminen läuft.

Scharfsinnigen Lesern wird an dieser Stelle nicht entgangen sein, dass der Soundtrack zwangsläufig vor dem Film entstanden sein muss. Nun ja. Der passende Soundtrack zur nächsten Halloween-Party ist es sicherlich.

„[Das ist] herausfordernd, kann dich aber an einen anderen Ort tragen“, sagt Drummer Dale Crover dazu. Also nur zu, Ring frei für hitzköpfige Diskussionen über Sinn und Unsinn von Klangexperimenten.

Ist ja schließlich inzwischen auch gar nicht mehr so leicht, überhaupt etwas kontrovers Diskutierbares bis Provokantes auf die Beine zu stellen. Und jede gute Band, die was auf sich hält, muss schließlich irgendwann mal durch ihre John Cage-Phase.

Mutige begeben sich also direkt ins Minenfeld (oder nicken es anerkennungsvoll als glatten Bruch und/oder gelungenen Lausbubenstreich ab), Traditionalisten lassen Platte zwei im Schuber und widmen sich hingebungsvoll dem mit illustren Gästen – Joey Santiago (PIXIES), Teri Gender Bender (LE BUTCHERETTES), Anna Waronker (THAT DOG) – gespickten Althergebrachten.

Doppelalbum? Am Arsch. Vielen Dank für diese Erkenntnis, die sich sicher schon bald in den endlosen Weiten des unerschöpflichen MELVINS-Kosmos verlieren wird.