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KURZER ABSTECHER

Irvine Welsh

Nach „A Decent Ride“ („Ein ordentlicher Ritt“) bleibt Irvine Welsh auch mit „Kurzer Abstecher“ (eine ausgesprochen smart-doppeldeutige Anlehnung an den Originaltitel „The Blade Artist“) in seiner „Markenwelt“ – einem Glasgow mit einer für Touristen optimierten Oberfläche, darunter ein Drecksloch.

Wie in „A Decent Ride“ greift er auch diesmal wieder Charaktere aus „Trainspotting“ auf, hier ist es Francis Begbie. Der saß Jahre im Knast, verliebte sich in seine aus den USA stammende Therapeutin, heiratete diese, ging mit ihr in nach Los Angeles, die beiden bekamen zwei Töchter, er wurde erfolgreicher Künstler ...

und wird von seiner Vergangenheit eingeholt, als sein erwachsener Sohn, mit dem er keinerlei Verbindung mehr hatte, in Glasgow ermordet wird. Er fliegt zur Beerdigung, sein iPhone – eine schöne Metapher hat sich Welsh da ausgedacht – kurz nach Ankunft dort in den Gully, und Begbie wird vom Schwarzen Loch aus schlechten Erinnerungen und schlechten Einflüssen eingesaugt.

Er trifft auf alte Verwandte und Bekannte, er macht in extremer Weise das mit, was jeder kennt, der längst woanders wohnt und in die Stadt zurückkehrt, wo er aufwuchs: ein Strudel an Erinnerungen zieht einen an, und in Begbies Fall führt das den sich als therapiert betrachtenden einstigen Gewaltverbrecher in Bereiche der Stadt und der Persönlichkeit, die der längst hinter sich gelassen hatte.

Welsh wäre freilich nicht Welsh, wenn er nicht auch humorvoll schreiben würde, und so ist er wie sein Verlagskollege Niven auch höchst unterhaltsam. Die Intensität, Verzweiflung und Tiefe der Bücher eines Hubert Selby Jr.

freilich erreicht er nie, auch wenn seine Bücher durchaus Aspekte einer Sozialstudie haben.