BOXHAMSTERS

Der göttliche Imperator

1987 haben sie sich in Gießen gegründet, 1988 wurde das Debüt „Wir Kinder aus Bullerbü“ aufgenommen und veröffentlicht (2012 kam die Vinylneuauflage), 1988 begann ich meinen Zivildienst, lernte während des Zivi-Seminars diesen langhaarigen Grindcore-Typen mit ELECTRO HIPPIES-Patch auf der Jacke kennen, wir wurden Freunde und er spielte mir „Bullerbü“ vor.

Irgendwas gefiel mir an dieser Band, in Düsseldorf bei der ersten PopKomm sah ich sie erstmals live, und im Gegensatz zu NORMAHL fand ich sie interessant, aber nicht begeisternd. 1990 kam dann „Der göttliche Imperator“, mit „Zu klein“ hatten sie mich begeistert, sie spielten quasi um die Ecke vom damaligen Ox-HQ (Heidenheim) in Donauwörth, wir fuhren hin und machten für Ox #08 ein Interview.

Es war der Beginn einer langen Freundschaft, die dazu führte, dass die „Boxies“ mit weit mehr als fünfzig Konzerten für mich wohl die am öftesten live gesehene Band sind (höchstens EA80 kommen da noch ran).

Die BOXHAMSTERS, und das war ihnen seinerzeit nicht bewusst, traten damals etwas Neues los. Sie waren eigentlich ja „nur“ eine weitere deutschsprachige Punkband, und deutscher Punk hatte damals seine besten Tage hinter sich („Funpunk“ grassierte ...), und gleichzeitig hatten sie eben bei FEHLFARBEN, HÜSKER DÜ, THE WHO und vielen anderen gut aufgepasst, Co war (und ist) zudem ein sehr gewandter Texter, und so wurden sie einige Jahre später selbst zur Vorlage für Bands, die viel erfolgreicher wurden.

TOCOTRONIC etwa konnten mich nie begeistern, sie klangen für mich immer wie eine nicht so gute BOXHAMSTERS-Kopie, von den überbewerteten TOMTE ganz zu schweigen. Und MUFF POTTER ohne BOXHAMSTERS? Undenkbar! Die BOXHAMSTERS hatten jenseits der völlig autark agierenden EA80 gezeigt, dass Punk mit deutschen Texten jenseits von Schlappiro-Deutschpunk möglich ist.

Und das fand damals sogar jenes Musikmagazin namens „Spex“ interessant, das in grauer Vorzeit im Gegensatz zu heute noch eine gewisse popkulturelle Deutungshoheit hatte. Nun gibt es das Album, das zuletzt im Jahr 2000 von Co auf seinem Bad Moon-Label neu aufgelegt worden war, in Kooperation mit Flight 13 in weißem Vinyl und inklusive Download-Code – und die Frage, ob diese Platte 2018 noch jemand braucht, erachte ich als ketzerisch.

Denn hier sind sie alle drauf, die zeitlosen Boxies-Hits: „Zu klein“ ist der A-Seiten-Opener, mit der wundervollen Zeile „Wir sind zu klein um uns zu wehren / Doch wir warten weiter ab / Denn ganz am Schluss holt euch die Zeit ein / Und wir pissen euch auf’s Grab“, „Gefrierbrand“ steht dem kaum nach, „Neunundachtzig“ kommentiert(e) trefflichst die Situation kurz nach der Wiedervereinigung (genau wie „Der Weddingpräsident“, dessen Titel eine Anspielung auf die Band THE WEDDING PRESENT ist), „Alter Film“ ist ein weiterer Klassiker, den ich fast auswendig kann, ebenso „J.

Lippstick“, das famose „Schmetterling“ und natürlich „Der gute König“. In- und auswendig kenne ich diese Platte, die für mich und viele andere ihre Stimme zur Zeit war und, wie das bei prägenden Platten so ist, auch heute noch so vertraut wirkt wie ein alter Freund: man sieht sich nicht oft, aber nach ein paar Minuten ist da schon keine Distanz mehr.

Müsste ich die Boxies-Platten in eine Beliebtheitsreihenfolge bringen, wäre der „Imperator“ auf Platz 1.