LE TIGRE

Feminist Sweepstakes CD/LP

Eigentlich möchte Kathleen Hanna gar nicht kommunizieren. Nicht mit dem Mainstream, jedenfalls und nicht außerhalb der Kreise, in denen sich die ehemalige Sängerin der 1998 aufgelösten Proto-Riot-Grrrl-Band BIKINI KILL zu Hause fühlt - einer feministischen Underground Community, die ihre Netzwerke jenseits der kommerziellen Kultur bildet und deren Selbstverständnis, Ästhetik und Gestus viel mit DIY und Punk zu tun hat.

Klar, dass sie diese Verweigerungshaltung auch mit ihrer neuen Band, dem Electro-Punk-Trio LE TIGRE, beibehält. Die homophobe, sexistische Medienmaschine wird gemieden, der Diskurs zwar angeboten, die Issues jedoch größtenteils in den eigenen Reihen verhandelt.

Das brachte ihnen von einigen Seiten den Vorwurf ein, die Chance zur größtmöglichen Breitenwirksamkeit ihrer Message nicht zu nutzen und lediglich den Bekehrten zu predigen. Die Musikerinnen sehen das nicht als Nachteil.

Warum, fragen LE TIGRE, die neben Hanna aus JD Samson und Johanna Fateman bestehen, mit Leuten diskutieren, die dich ohnehin hassen und sich bestenfalls ein Stück von dir kaufen wollen ? Einen Hauch von Underground-Attitude etwa oder die schicke Coolness eines antikommerziellen Gegenentwurfes zu MTV-Awards und Monsters of Rock Konsens.

Sich vor derartiger Vereinnahme zu schützen, dürfte LE TIGRE mit ihrem aktuellen Album "Feminist Sweepstakes" schwer fallen. Schon das Debüt zeigte die hedonistische Ader der Musikerinnen, manifestiert in einem so furiosen wie scheppernden Garagensound, der - unpassend genug und im nicht entferntesten Sinne der Band - in so mancher Rock-Disco für muckibetontes Jungsgeschubse sorgte.

"Feminist Sweepstakes" vollzieht den nächsten Schritt. Die Songs sind konzentrierter ohne an Vehemenz einzubüßen, tight aber nicht hypertroph und immer irgendwie geschmeidig. Es zeigt sich, dass die Band ihre, während der Produktion des ersten Albums noch wenig vertrauten Geräte mittlerweile im Schlaf bedienen kann und dies mit Freude und Hingabe.

LE TIGRE verschmelzen einzelne Elemente des Rock mit dem Instrumentarium elektronischer Musik zu einem klar von der eigenen gitarristischen Vergangenheit geprägten Amalgam aus Beatbox und Verzerrer.

Nach wie vor sind die Strukturen irgendwie immer noch Punk, das Ergebnis atmet jedoch wesentlich mehr Glam und weniger Destruktivität als etwa bei den entfernt verwandten ATARI TEENAGE RIOT oder eben auch BIKINI KILL.

Wut wird hier nicht länger durch Stagediving, Pogo oder Autoaggression ausagiert, es darf, ja soll, getanzt werden. Musikalisch formuliert die Band ihr Anliegen somit auf besonders mitreißende Art.

Jede einzelne Sekunde versprüht eine Energie, die jungen Menschen der Generation KID ROCK und BLOODHOUND GANG ebenso gefallen dürfte wie AnhängerInnen von TEAM DRESCH oder etwa auch PEACHES.

Was in diesem Fall durchaus kritisch gesehen werden kann : So brächten LE TIGRE als Nebeneffekt ihrer Verbindung von Punkrock und Electronic, Sampler und Fuzzbox zusammen, was sie vielleicht gar nicht zusammenbringen wollen.

Das Ergebnis wäre ein Publikum, das in Teilen genau dem entspricht, wogegen die Band antritt und das sich womöglich über die Inhalte gar nicht erreichen lässt. Doch wer weiss, ob nicht dem ein oder anderen verirrten Fan sogar ein wegweisendes Lichtlein unter dem Basecap aufgeht.

Denn bei aller poppigen Partytauglichkeit und Sexyness machen die Texte unmissverständlich deutlich, welche Standpunkte hier vertreten werden. Bewusst parolenhaft fordern sie Bewegung statt Stagnation, Gemeinsamkeit und Agitation.

Sie erinnern immer wieder daran, dass Wut nach wie vor berechtigt ist und der Sexismus in der Gesellschaft im allgemeinen und im Musikgeschäft im besonderen alles andere als überwunden. Bleibt abzuwarten, wie die Verwertungsprozesse ablaufen, bei dieser durchaus chartstauglichen Platte einer sich so rigoros vom Big Business abgrenzenden Band.

Denn bekanntlich kann ja alles zum Trend werden. Und wenn das nächste große Pop-Ding Feminismus ist oder ein Riot-Grrrl-Revival, heißen die Urheberinnen und Stars LE TIGRE. Ob sie wollen oder nicht.