DAG NASTY

Minority of One CD

Was soll ich jetzt zu DAG NASTY schreiben, einer Band, die das Genre Emo wohl miterfunden hat. Zehn Jahre nach der letzten Scheibe "Four on the Floor", die ja auch schon eher Projektcharakter besaß, da die Band eigentlich gar nicht existierte und nur aus Spaß an der Freud' eine Platte aufnahm, weil zufällig alle Musiker in Los Angeles abhingen und Zeit hatten, und wohl auch von Brett Gurewitz als altem Fan überredet wurden, erscheint heuer via Revelation mit "Minority of one" eine neue Platte, auf der das legendäre "Can I say" Line-Up (Dave Smalley (DYS, DOWN BY LAW, ALL) am Gesang, Brian Baker (MINOR THREAT, GOVERNMENT ISSUE, JUNKYARD, BAD RELIGION) an der Gitarre, Roger Marbury (ALLOY) am Bass und Colin Sears (THE MARSHES) an den Trommeln, zu Werke schreitet.

Produziert wurde das Ganze von Steve Hansgen, der "damals" für einige Zeit bei MINOR THREAT den Bass übernahm, als Brian Baker Lust bekam, Gitarre zu spielen. Zu guter Letzt ist auch Don Zientera für die Aufnahmen verantwortlich, dessen Name allein in den Achtzigern schon ein Argument für den Kauf einer Platte darstellte, weil er soundmäßig immer erstklassige Arbeit ablieferte.

Zum Entstehen der neuen Platte meinte Dave Smalley bei einem Interview kürzlich, dass sich die Band keine Kritik zu Herzen nehmen würde, weil es DAG NASTY faktisch nicht gibt. Er selber ist mit DOWN BY LAW bestens versorgt, Brian Baker hat mit BAD RELIGION wohl ausgesorgt, und die anderen beiden Mitstreiter führen ein schönes Leben abseits der Musik.

Man ist nicht zusammengekommen, weil ein paar abgehalfterte und alternde Herren mit dem Ruhm vergangener Tage noch schnell ein paar Kröten einstreichen wollen, sondern weil man wieder Bock auf eine Platte hatte.

Nun ja, als ich "Minority of one" das erste Mal in den CD-Player schob, war ich leicht enttäuscht. An alte "Can I say"-Glanztaten kommt die Scheibe bei weitem nicht heran. Vielmehr wurde ich zunächst unangenehm an BAD RELIGION erinnert, was hauptsächlich an einigen Gitarrenparts liegt.

Joachim und Uschi bestätigten mir diesen ersten Eindruck, ihnen erging es ebenso. Auch ist der Sound lange nicht so rauh wie auf "Can I say". Lediglich "Bottle this" erinnert von den Gitarren sofort an alte DAG NASTY.

Das Ganze lässt sich vielleicht eher als ein Mix aus "Four on the Floor", jüngeren BAD RELIGION und DOWN BY LAW beschreiben. Jetzt, wo ich dieses Review schreibe, habe ich "Minority of one" schon etwa vier Wochen im Haus und fast täglich gehört, was ja schon mal ein Grund ist, den ersten Eindruck zu revidieren.

Diese Platte wächst von Mal zu Mal. Mindestens sechs der elf Songs haben sich für mich inzwischen zu absoluten Hits entwickelt, und der Rest steht kurz davor. In der Regel sind es ja gerade die Platten, die erst bei mehrmaligem Hören ihren Reiz entwickeln, die man auch in einigen Jahren noch aus dem Regal zieht und einlegt.

Viele Scheiben, die sofort ins Ohr gehen, langweilen dagegen schon bald. Hoffentlich fliegt Brian Baker bald bei BAD RELIGION raus, damit er eventuell doch mal Zeit hat, aus DAG NASTY zumindest kurzzeitig wieder eine Touring-Band zu machen.

Ich stünde auf jeden Fall in der ersten Reihe, ich alter Sack ich. Gregg Hetson sollte übrigens gleich mit rausgeschmissen werden, um die CIRCLE JERKS zu reanimieren, hehe. Weil die Scheibe doch ziemlich gut ist, Dave Smalley beim Interview so'n Netter war und die Argumente für diese Reunion, die keine ist, überzeugen, gibt's 9 Punkte.

Anspieltipps: "Ghosts", "Minority of one", "Bottle this", "White Flag" und das ruhige "Twisted again". (35:34)