MARTIN PETER

Bypass 12" / Enough Of This?! LP/CD

Als in den Neunzigern reihenweise Punks vom Fan der handgemachten Gitarrenmusik zum computergenerierten Techno in all seinen Spielarten wechselten - Moby ist dafür ein perfektes Beispiel -, konnte ich diesen Schritt nie nachvollziehen.

Nun, zehn Jahre später, ist bei vielen dieser Musiker eine Bewegung zurück zu handgemachter Musik festzustellen, wenn auch ohne die letzten Jahre zu vergessen. Martin Peter aus München ist so ein Fall, und ich schäme mich nicht zuzugeben, dass mir sein Name bislang völlig fremd war, aber wie gesagt, wer auf der Love-Parade auftritt, sich mit einer Live-PA namens FILTER in einschlägigen Kreisen herumtreibt und auf diversen Labels "elektronische Tanzmusik" veröffentlicht, wird von meinem Musikradar nicht erfasst.

Mit seinem Album "Enough Of This" und der vorangehenden 12" hat sich das geändert, und der einstige und jetzt wieder Hardcore- und Metal-Fan verknüpft hier seine erste musikalische Sozialisation der Achtziger in Form von Punk, Wave und Industrial mit seiner zweiten aus den Neunzigern.

Das Ergebnis, veröffentlicht auf dem neu gegründeten Compost-Sublabel Angora Steel, ist laut eigener Definition "PC-Punk", und damit ist nicht der politische Anspruch, sondern die Produktionsweise gemeint.

Frühe elektronische Musik wie TUXEDOMOON (siehe den Ox-CD-Track "Psychoville") trifft auf dicke Beats, Gitarren auf Tasten, und das Ergebnis ist ein siebzehn Songs umfassendes, abwechslungsreiches Album, auf dem als Gäste Alec Empire (beim Album- und 12"-Track "Bypass", sicher kein Zufall, denn stellenweise ist die stilistische Nähe durchaus deutlich) und Mark Stewart (ex-POP GROUP, bei "Psychoville") zu hören sind, nicht zu vergessen Felix Neuenhoff, der einer ganzen Reihe von Stücken seine Stimme leiht und den man von HELLFIRE kennt.

Witzig das Coverartwork mit den Punk-Modellfiguren von LGB, klar die Forderung "Kill Gucci Punks", die sich im Artwork und als Titel eines Songs findet. Wer bei DAFT PUNK und Co. ("Rise up" ist eindeutig von denen beeinflusst) nicht gleich die Flucht ergreift, wer die frühen Moby-Werke oder ELECTRONICAT schätzt, der sollte auch hier mal ein Ohr riskieren.

(59:48) (08/10)