DINOSAUR JR.

s/t CD / You're Living All Over Me CD / Bug CD

Kaufen! Mit diesem einen Wort könnte die Rezension dieser drei Alben auch schon wieder beendet sein. So, wie man ohne den gesamten Output von SONIC YOUTH und HÜSKER DÜ nicht lebensfähig ist, so hat man ohne diese drei Alben nicht den Hauch einer Chance, den Musik-TÜV zu bestehen.

Und ihr wisst ja, eines Tages steht auch bei euch die Heilige Gitarrenrock-Inquisition vor der Tür, verlangt die Plattensammlung zu sehen und entzieht jedem die Lizenz, der unter anderem keine Scheiben von DINOSAUR JR.

vorweisen kann. Und mal ehrlich, wer will das riskieren? Ich selbst kann mich nur dunkel erinnern, wie ich einst auf DINOSAUR JR stieß. Es muss so 1986/87 gewesen sein, ich wollte Punk und Hardcore und bekam DINOSAUR JR, das heißt, da hießen sie noch DINOSAUR, das "JR." kam erst später dazu, weil irgendeine andere Band schon so hieß.

Das war zwar kein "richtiger" Punk, aber VIOLENT FEMMES etwa durfte man ja auch hören, da ging dieser komisch knarzige Sound, dem man seine Verehrung für Neil Young klar anhörte, okay. Und verdammt, die Band war einfach gut.

Total sloppy aufgenommen, mit einem irgendwie schief singenden Sänger, einem eigenwilligen, ultralauten Gitarrensound, dabei aber doch auch folkig. Hervorgegangen aus der 1984 aufgelösten Bostoner Hardcore-Band DEEP WOUND (über die Jahre gab es es immer wieder Bootlegs von deren 7") mit J Mascis am Schlagzeug und Lou Barlow an der Gitarre, war die Besetzung bei DINOSAUR JR etwas anders: Barlow spielte nun Bass, Mascis die Gitarre, ein gewisser Murph trommelte (und Charlie von DEEP WOUND sang für kurze Zeit).

Gerard Cosloy, ein Freund der Band, war zu dieser Zeit dabei, für den Vertrieb Dutch East India ein Label zu gründen namens Homestead, das zwichenzeitlich zur Heimat wurde von SONIC YOUTH, BIG BLACK und eben DINOSAUR JR.

Das erste, titllose Album von DINOSAUR JR, klingt auf wundervolle Weise unfertig, kantig, sperrig und ist doch auch verblüffend eingängig. Songs wie "Forget the swan", "The leper" oder "Repulsion" haben sich wohl auf ewig in mein Gedächtnis eingebrannt, und sollte ich dereinst sabbernd und mit leerem Blick in einem Altersheim dahinvegetieren, ich bin mir sicher, wenn jemand diese Lieder spielt, würde ein Lächeln über mein Gesicht huschen.

Wenn kein Mensch mehr weiß, wer Adam Green oder Conor Oberst war, wird man sich noch an DINOSAUR JR erinnern, das ist klar. Seltsam: Statt wie das Original mit "Forget the swan" beginnt die Neuauflage mit "Bulbs of passion", einst der letzte Track, und dessen Rolle übernimmt nun "Does it float" in einer Liveversion als Bonustrack.

Nach dem Debüt von 1985 kam 1987 "You're Living All Over Me", aufgenommen mit Hilfe von Lee Ranaldo und Wharton Tiers von SONIC YOUTH, und es war nur logisch, dass DINOSAUR JR. auf dem damals sich auf dem Höhepunkt befindlichen Label SST landeten.

War das erste Album noch irgendwie "passiert", sind DINOSAUR JR. hier fokussierter, kontrollierter zur Sache gegangen, haben ihren speziellen Sound destilliert, und J stellt unglaubliche Sache mit seiner Gitarre an.

Von ganz leise bis ganz laut, von schöner Melodie bis Kakophonie reicht das Spektrum, und spätestens jetzt waren sie in aller Munde. Komisch allerdings, dass ich auch jetzt noch das Album eher als Gesamtwerk wahrnehme denn als Summe einzelner Songs, ja es fehlen mir bis heute hier wirkliche herausragende Hits.

Von "Just like heaven" mal abgesehen, ein ergreifendes THE CURE-Cover, das seinerzeit aber nur als 12" veröffentlicht wurde und das im Original enthaltene und hier unverzeihlicherweise fehlende Peter Frampton-Cover "Show me the way" ersetzt.

Auch dieses Vorgehen erstaunt. Kleine Notiz am Rande: mit "Poledo" durfte hier erstmals Lou Barlow gegen die songwriterische Dominanz von J Mascis antreten. Als echten Bonus gibt's die Videos zu "Just like heaven" und "Little fury things".

Dritter im Bunde ist das zweite (und letzte) SST-Album "Bug", das 1988 erschien, die letzte Indie-Platte, denn DINOSAUR JR. verabschiedeten sich damals wie so viele andere Bands von ihren Indie-Freunden und gingen zu einem Major.

Entsprechend erschien ihr viertes Album "Green Mind" dann auch erst drei Jahre später. Doch zu "Bug": "Freak Scene" ist der grandiose Opener, ein lautes, lärmiges und doch melancholisches Lied, typisch DINOSAUR JR.

eben. Auch ein Hit: "Let it ride". Das Songwriting hatte mittlerweile J komplett übernommen, der von den beiden anderen Bandmitgliedern getrennt in New York City lebte, und aufgenommen wurde im Fort Apache Studio, das almählich einen guten Ruf bekam.

Auch wenn die in den Neunzigern folgenden Alben alle auf ihre Weise wunderschön sind, so sind die ersten drei eine in sich geschlossene Trilogie, aufeinander aufbauend und essentiell für das gesamte Genre des postpunkigen US-College Rocks.

"Bug" enthält als Bonus "Keep the glove" sowie die Videos zu "Freak scene" und "No bones". Alle drei Wiederveröffentlichungen kommen mit ausführlichen Linernotes im Booklet sowie altem Fotomaterial, und das ist echt spaßig: Lou als Punker, J im Goth-Punk-Look.

Essentiell - zögert noch jemand? (10/10/10)