NEUROTIC ARSEHOLES

Gib nicht auf! 2CD

Die Frage, welche alten deutschen Punkbands meine ewigen Favoriten sind, ist schnell beantwortet: RAZZIA und NEUROTIC ARSEHOLES, knapp dahinter EA80 und SLIME - nur knapp, aber ich lernte die eben etwas später kennen und da hatten die ersteren beiden sich einfach schon stärker festgefressen.

Um so schlimmer damals in den Achtzigern dann die Erkenntnis, dass NEUROTIC ARSEHOLES aus Minden sich 1986 aufgelöst hatten - keine Chance, die Band, die so ergreifende Lieder wie "Du Russe", "Blutige Gesichter", "Ce soir", "Was für ein Stern" und vor allem "Das ist ein Überfall!" jemals live zu sehen.

Doch es gibt fast immer noch eine zweite Chance, und die kam 1989: Ein gewisser Kalle Stille, damals Herausgeber des A5-Fanzines "Think", hatte es irgendwie geschafft, die Band zu einer Reunion-Tour zu überreden, und am 7.

Mai 1989 - die zweite Ausgabe des Ox war just erschienen - war es soweit: NEUROTIC ARSEHOLES in der Villa Roller ein Waiblingen, damals ein wichtiges Zentrum der süddeutschen Punk- und Hardcore-Szene - ich war begeistert! Das Konzert riss mich unglaublich mit, und obendrein gab es auf Kalles Mini-Label noch eine limitierte 7" (Ha! Eben im Single-Schrank wiederentdeckt!) mit unveröffentlichten Songs, die schon bald zum gesuchten Sammlerstück wurde.

Jahre später lernte ich dann Bassist Zahni kennen, als er seinen vor allem auf HipHop spezialisierten Mailorder Crazy Large betrieb, aber auch das Ox ins Programm nahm. Ende der Neunziger dann wieder Kontakt, eine erneute Reunion, ein wunderschönes Konzert in Bochum - und etwas später Zahnis Frage, ob er nicht fürs Ox schreiben könne.

Durfte er, und irgendwie hatten sich einmal mehr zwei Lebenslinien gekreuzt. Und wer weiß, ob ich ohne die NEUROTIC ARSEHOLES heute dieses Heft machen würde ... Aber zum Anlass dieser Einlassungen: Weird System, wo 1985 "Angst", das zweite Album der NEUROTIC ARSEHOLES erschien und 1998 die CD-Wiederveröffentlichung des 1983 auf AGR veröffentlichten Debüts "...

bis zum bitteren Ende", hat auf "Gib nicht auf!, einer Doppel-CD, diese beiden Alben zusammengefasst und um die auf den Compilations "Soundtracks zum Untergang Vol. 2", "Underground Hits Vol.

1" und "Keine Experimente! Vol. 2" erschienenen Songs ergänzt. Das Ergebnis ist ein Gänsehaut-Package erster Güte: Alle Klassiker sind hier enthalten, neben den erwähnten Songs des zweiten Albums auch "I saw you die", "Wir wollen leben" und "Kalte Steine", und auch hier ist wieder die Frage angebracht, auf welche Bands sich all die stumpfen, miesen Rumpel-Deutschpunkbands von heute sich eigentlich beziehen wollen.

Damals gab es nicht ansatzweise so viele beschissene Bands wie heute, sowohl was die Texte wie die Musik anbelangt. NEUROTIC ARSEHOLES - Zahni, Zombie, Kurt und Shorty - deckten thematisch ab, was damals den wachen Heranwachsenden umtrieb: Der Kalte Krieg, die Hochrüstung der BRD, die soziale Kälte, "BW-Moerder", Nazis, "Technischer Horror", türkische Einwanderer - und auch 20, 25 Jahre später wirken die Texte nicht naiv und "alt", sondern sind die angesprochenen Themen teils immer noch aktuell, und musikalisch waren NA sowieso immer eine Klasse für sich.

Ergänzt wird diese exzellente Neuauflage durch ein superdickes Booklet, in dem die Bandmitglieder die Geschichte der Arseholes erzählen, ergänzt um reichlich Fotos und alle Texte. Was fehlt? Die Songs der "All die Jahre ..."-Liveplatte, die "...

Just do it for fun"-7" von 1989 und die drei Tracks der Reunion-EP von 1998. (10)