BLUMFELD

Ein Lied Mehr 5CD

Soso, der Herr Distelmeyer ist jetzt also auch den Albern- und Dummheiten der neuen deutschen Pop-Rechtschreibung auf den Leim gegangen - und das passiert ihm, dem vielfach gehuldigten Poeten der so genannten Hamburger Schule.

"Ein Lied Mehr" lautet der Titel der mit "The Anthology Archives Vol. 1" untertitelten Fünfer-CD-Box, und korrekterweise muss das "Ein Lied mehr" heißen, aber in Zeiten, da iTunes die Album- und Songtitelschreibung bestimmt, hat eben jeder Anfangsbuchstabe groß geschrieben zu sein.

Das macht dann zwar hier genauso wenig Sinn wie beim von mir als Meisterstück der Dummschreibung gefeierten Konzertnewsletter einer Kölner Pop-Gazette, der mit "Das Geht" überschrieben ist.

Bis heute ist mir schleierhaft, was ein "Geht" sein soll. Aber vielleicht ist das alles ja auch höchst philosophisch zu verstehen, "Mehr" ein neues Genre, und statt "Ein Lied Gitarrenpop" ist das hier dann also "Ein Lied Mehr".

Womöglich. Aber kommen wir zum Wesentlichen: BLUMFELD sind nicht mehr, aufgelöst, aus, vorbei. Die Ankündigung des Endes kam nur kurz nach Ankündigung dieser Werkschau - und dürfte schätzungsweise schon länger geplant gewesen zu sein.

Hatte der gemeine punkaffine Musikhörer Anfang der Neunziger, als die meiner Meinung nach besten BLUMFELD-Alben erschienen (das Debüt "Ich-Maschine" und "L'Etat et moi") noch gewisse Probleme mit dieser von irgendwem als "Hamburger Schule" bezeichneten deutschen Variante des Indierocks (andere Vertreter waren neben anderen KOLOSSALE JUGEND, denen man für ihr "Halt's Maul Deutschland" nie genug danken kann, TOCOTRONIC und DIE STERNE), so hat sämtliche Kritik, die einstmals geäußert wurde, angesichts der unfassbaren Scheißigkeit heutiger deutschsprachiger Bands wie KLEE, JULI oder SILBERMOND, an Basis verloren.

Aber zurück zu "Ich-Maschine": Trüffelschwein Alfred Hilsberg hatte einmal mehr den richtigen Riecher gehabt, die "Ghettowelt"-Single auf ZickZack veröffentlicht, wo auch 1992 das Debütalbum erschien, das durch Jochen Distelmeyers charakteristischen Sprechgesang und die smarten Texte gefiel - und durch die Musik, die trotz deutscher Texte klar im US-amerikanischen Gitarrenrock verwurzelt war.

Diese Verbindung wurde dann auch beim zweiten Album "L'Etat et moi" (1994) deutlich, das nach einer gemeinsamen Tour mit PAVEMENT beim seinerzeit höchst angesagten und heute vergessenen Big Cat-Label erschien.

Dieses enthielt dann auch den für mich besten BLUMFELD-Song aller Zeiten, das schwer an SONIC YOUTH erinnernde "Verstärker" mit seinem brillanten Text. Nach diesem Album war aber erstmal Schluss, es dauerte fünf Jahre bis zur Wiederkehr von BLUMFELD mit "Old Nobody", einem seltsam poppigen Album, das sie die Sympathie vieler alter Fans kostete, mit dem sie aber auch eine Menge neue gewinnen konnten.

Aus Indierock war hier stellenweise fast Schlager geworden, und auch Jahre später und im direkten Vergleich kann ich dieser zweiten Phase von BLUMFELD nichts abgewinnen. Ergänzt wird die Fünfer-CD-Box dann noch um die Live-CD "Live in Wien", ein ORF-Mitschnitt eines Konzertes aus dem Jahre 2006, sowie "Ein Lied Mehr - Various Recordings", mit Akustik- und Live-Versionen, unter anderem von "Ghettowelt", "Immer wieder Liebeslieder" und "Verstärker", ergänzt um die Videos zu "Weder noch", "Verstärker" und "Tausend Tränen".

Das Ganze kommt in einer Pappbox, in einem Extrabooklet finden sich alle Texte, und wünschenswert wäre alleine noch ein weiteres Booklet mit Bandgeschichte, Huldigungen der Kollegen und so weiter gewesen.

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