SCOTT KELLY

The Wake

Wer Zweifel daran hat, dass ein Mann alleine mit Akustikgitarre über Albumlänge spannend sein könnte, dem sei Scott Kellys zweite Soloplatte als Gegenbeweis empfohlen, der einem hier quasi "NEUROSIS unplugged" liefert.

In knapp 35 Minuten schafft Kelly mit äußerst spartanischen Mitteln eine emotional intensive Atmosphäre, deren Intimität der Darbietung wirklich beeindruckend ist. Auf dem diesjährigen Roadburn-Festival war auch Kelly anwesend, der aber die Qualitäten seiner minimalistischen Soloplatten im Festivaltrubel nicht wirklich zur Geltung bringen konnte, da macht es schon mehr Sinn, sich in entspannter häuslicher Umgebung mit "The Wake" auseinander zu setzen.

Viel mag hier nicht passieren, aber dennoch kriecht einem Kellys eindringlicher Gesang von der ersten Sekunde an förmlich unter die Haut, während er mit einer Art minimalistischem düsterem Neo-Folk ungemein persönliche Songs vorträgt.

War der Vorgänger "Spirit Bound Flesh" möglicherweise tatsächlich streckenweise etwas eintönig - was ja auch das große Problem bei den ähnlich gelagerten CURRENT 93 ist -, gelingt Kelly auf "The Wake" eine wesentlich bessere und abwechslungsreichere Umsetzung seines nach innen gekehrten Songwritings, das die dunklen Seiten der menschlichen Seele wirkungsvoll entblößt.

Vielleicht sogar besser, als es bei NEUROSIS der Fall ist, wo solch emotionale Tiefe oftmals unter dem geballten wütenden Mahlstrom der dichten Instrumentierung verloren geht. (9)