PUNK'S NOT DEAD

Der Dokumentarfilm "American Hardcore" machte den Anfang, aber als der erschien, war Susan Dynner, die Punk im Washington, D.C. der Achtziger entdeckte, schon mit der Arbeit an "Punk's Not Dead" beschäftigt - der erste Eindruck, da habe sich jemand konzeptionell beeinflussen lassen, ist also wohl nicht zutreffend.

Beschränkte sich "American Hardcore" auf die Geschichte der US-Hardcore-Szene und hatte damit ein überschaubares Feld zu beackern (und war dennoch nicht so umfassend, wie sich das mancher gewünscht hätte), so machte sich Susan mit ihrem Team an eine ungleich schwierigere Aufgabe: eine umfassende Bestandsaufnahme der Punk-Szene von den Anfängen in den Siebzigern, als Punks als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen wurde, bis in die Gegenwart, als GREEN DAY als erste, nun, Punkband von der US-Musikindustrie mit einem Grammy ausgezeichnet wurden.

Hat man die ersten 40, 50 Minuten hinter sich, fragt man sich freilich, was die Doku soll: Einmal mehr erzählen mehr oder weniger alte Männer (von ADICTS, BAD RELIGION, EXPLOITED, DAMNED, MINOR THREAT, PENNYWISE, SOCIAL DISTORTION, US BOMBS ...) von früher, von den Anfängen, man hat das alles schon mal gesehen und gehört, und das Konzept, kurze Interviewsequenzen (oft nur ein, zwei Sätze) mit lauten Konzertszenen abzuwechseln, ist auch nicht wirklich neu.

Also lahmer Filmtitel, vorhersehbares Layout, die immer gleichen Protagonisten? Zum Glück nicht: Ungefähr nach der Hälfte der Spielzeit (der Film läuft über eineinhalb Stunden) dreht sich der Wind, Dynner fängt an Fragen zu stellen: Ist Punk noch relevant in Zeiten von Warped Tour und allgegenwärtigen "Punk-Shops" wie Hot Topix, die in allen Malls der USA Nieten, Shirts und Haarfarbe verkaufen? Was ist Kommerz, was Punk? Dick von den SUBHUMANS kommt da zu Wort, Captain Sensible, Dennis Lyxzén von (T)INC, Fat Mike und zig andere mehr, aber auch "normale" Szenemenschen, und es entsteht ein anderes Bild: Punk ist Teil der Gesellschaft geworden, die er bekämpfen will - ist nicht normal geworden und obsolet, sondern immer noch ein Fluchtpunkt für Abweichler und nicht normgemäßes Verhalten, die Ideale sind intakt, der Nachwuchs kommt, auch wenn die Diskussionen, ob GOOD CHARLOTTE, SUM 41 oder THE USED nun Punk sind, immer weitergehen.

Susan Dynner hat es also tatsächlich geschafft, ein recht umfassendes, aber naturgemäß nicht allumfassendes Bild eine Bewegung zu zeichnen, die sich etabliert hat, aber nur minimal an Energie und Bedeutung für das Individuum eingebüßt hat.

Ein Film, der vielleicht für Neulinge etwas interessanter ist als für jemanden, der sich bereits eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, aber unterhaltsam ist er allemal. (9)