1984

Open Jail

Man muss bei der obligaten Suche nach stimmigen (und sinnigen) Reminiszenzen für die Band 1984 aus Straßburg – in Frankreich stehen sie klar in einer Linie mit JOY DISASTER – nicht zwingend die inflationär zitierte Allmacht aus Manchester um Ian Curtis bemühen.

1984 spielen großartigen, dunklen und abwechslungsreichen Post-Punk und Cold Wave, der stark an die Hamburger Formation CYAN REVUE (1984-1987) um den verstorbenen Sänger Tobias Gruben (auch DIE ERDE) erinnert.

Sehr kristalline Gitarren und ein angenehm unpeinlicher Gesang in Moll prägen das Bild. Man hört in der Tat die typische französische Genre-Prägung heraus (der Sound in den französischen Katakomben war schon immer etwas kantiger und signifikant unpeinlicher im Vergleich zu dem, was hierzulande als Pendant zu Cold Wave gehandelt/missverstanden wurde) und die frühen genreprägenden Veröffentlichungen von INDOCHINE (speziell ihr Debüt „L’Aventurier“ von 1982) sowie ASYLUM PARTY und CHARLES DE GOAL schwingen hier auch ein wenig mit.

Ein wirklich gekonntes Debütalbum der Franzosen, das jedwede plakative Gefälligkeit und Banalität vermissen lässt. Ganz nonchalant wird auch ein wenig die Tür in Richtung Surf Rock geöffnet und es bleibt zudem Raum für rauhe und reduzierte „Pop Songs“ („Swoon“).

Sollten sie in Deutschland je auf Tour gehen, wären PINK TURNS BLUE die probaten Brüder im Geiste. Auf der Insel wären sie ohne Frage ein schneller NME-Hype geworden. Das französische Gefühl für Stil und Distanz bewahren sie indes davor.

Vermutlich ist das auch gut so: ein wirklich großartiges Debüt, das Spannung auf das Folgealbum aufkommen lässt. Magnifique!