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THE WICKER MAN

Dass Robin Hardys THE WICKER MAN hierzulande trotz fehlender deutscher Synchronisation doch noch mal erscheint, hat sicherlich überwiegend mit dem lausigen Remake von 2006 zu tun, ansonsten dürfte der Film gänzlich unbekannt sein, beziehungsweise durch die schon länger erhältlichen ausländischen DVDs seine Käufer gefunden haben.

Generell hatte es dieser Film immer schwer, da er für seine damalige Erstaufführung in höchst unglücklicher Weise gekürzt und umgeschnitten wurde, ohne dass das irgendeinen Einfluss auf seinen kommerziellen Erfolg gehabt hätte.

Und so umgab den Film lange Jahre ein komischer Kultstatus, bis Anfang dieses Jahrtausends auch mal die von Hardy intendierte Director’s Cut-Fassung offiziell erschien und man sich ein eigenes Bild davon machen konnte.

Ziemlich offensichtlich ist, dass THE WICKER MAN kein Horrorfilm für die breite Masse ist, denn die völlige Abwesenheit von für das Genre wichtigen Zutaten, sieht man mal vom durchaus schockierenden Schluss ab, dürfte bei einer jüngeren Generation nur das große Gähnen erzeugen.

Aber selbst Old School-Gruselfans dürften mit Hardys theologisch angehauchter Thriller-Farce ihre Schwierigkeiten haben. Darin spielt Edward Woodward den Polizisten Neil Howie, der aufgrund eines anonymen Briefes das spurlose Verschwinden eines jungen Mädchens auf der vor der Küste Schottlands liegenden Insel Summerisle aufklären will.

Das gestaltet sich allerdings nicht so ganz einfach, denn die Dorfbewohner nehmen Howie nicht wirklich ernst und führen ihn regelrecht an der Nase herum, beziehungsweise versuchen permanent, das Weltbild des guten Christen auf die Probe zu stellen.

Vor allem während seiner Diskussionen mit Lord Summerisle (ein herrlich selbstironischer Christopher Lee als Inselfürst), der ihm deutlich macht, was er vom christlichen Glauben hält – Sergeant Howie: „And what of the TRUE God? Whose glory, churches and monasteries have been built on these islands for generations past? Now sir, what of him?“; Lord Summerisle: „He’s dead.

Can’t complain, had his chance and in modern parlance, blew it.“ Und langsam aber sicher geht Howie auf, dass er es hier mit einem grotesken heidnischen Fruchtbarkeitskult zu tun hat, der den Polizisten für seine Zwecke manipuliert und missbraucht, ohne dass er etwas an seinem Schicksal ändern könnte („Animals are fine, but their acceptability is limited.

A little child is even better, but not NEARLY as effective as the right kind of adult.“). Auch wenn oder gerade weil Hardys Film ohne klassische Spannungsmomente auskommt, macht es immer wieder viel Spaß, ihn sich anzuschauen, selbst wenn man die extreme Auslösung der Geschichte kennt.

Denn es sind vor allem die humorvollen Konflikte innerhalb der Handlung, bezüglich der Infragestellung des christlichen Glaubens der Hauptfigur, die extrem unterhaltsam sind. Andererseits macht sich Hardy ebenfalls über die Auswüchse des Hippietums der damaligen Zeit lustig (inklusive eines ungewöhnlichen, aber sehr schönen Folk-Soundtracks), weshalb man THE WICKER MAN insgesamt als ironische Reflexion des damaligen Zeitgeistes mit all seinen Widersprüchen ansehen könnte.

Ein angenehm doppelbödiges, makaberes Konzept, das sich nicht in starren Genregrenzen begreifen lässt. Quasi das Gegenmodell zur düsteren Gothic-Ästhetik der Hammer-Filme, wobei mit Ingrid Pitt und Lee hier ja sogar wichtige Darsteller des britischen Horrorkinos dabei sind.

Anfang dieses Jahres erschien dieser wirklich sehr sehenswerte und ungewöhnliche Film bei Kinowelt als Doppel-DVD mit der Kinofassung und dem Director’s Cut. Die Kinofassung habe ich mir offen gestanden bisher noch nie angeschaut, denn man sieht auch im 15 Minuten längeren Director’s Cut, welche Szenen bisher gefehlt haben, die leider nur noch in deutlich schlechterer Qualität aufzutreiben waren.

Als Extras gibt es noch einen 30-minütigen Dokumentarfilm und ein damals entstandenes, etwas kürzeres Interview mit Robin Hardy und Christopher Lee. Die britische DVD enthält übrigens zusätzlich noch einen exklusiven Audiokommentar von Christopher Lee und Robin Hardy.

Ein wirklich sehr schönes Beispiel für einen extrem eigenwilligen Genrefilm, und nicht nur, weil sich Britt Ekland hier ausgiebig nackig machen darf. Darüber hinaus lohnt eine weitere Beschäftigung mit Hardys sonstiger Filmografie nicht unbedingt.