SUNNY DAY REAL ESTATE

Diary

Emo war schon immer ein Minenfeld: Als Mitte/Ende der Achtziger Bands wie DAG NASTY, SOULSIDE oder EMBRACE mit „Emocore“ beschrieben wurden, um solch bipolare Musik in Worte fassen zu können, geschah das bereits mit einer unterschwelligen Entschuldigung, denn die sieben Buchstaben halfen einerseits zu beschreiben, aber dass der Begriff uncool war, das wusste man auch irgendwie.

Anfang der Neunziger war das Phänomen dann bereits entglitten, und SUNNY DAY REAL ESTATE erlebte ich als erste jener Bands, die das „-core“ abgekoppelt hatten und nur noch Emo oder eigentlich einfach „Indierock“ waren.

Sie nahmen den Hype vorweg, der ein paar Jahre später JIMMY EAT WORLD groß machte – noch so eine Band, deren Beliebtheit ich nie so ganz erfassen konnte, glaubte ich doch, mit den Originalen bereits Bands zu kennen, die das Ganze besser und intensiver konnten.

Auch heute noch können für mich die Platten von SUNNY DAY REAL ESTATE nicht gegen die der übermächtigen SAMIAM anstinken, und dabei machten SDRE 1994 und 1995, als „Diary“ bzw. das zweite, titellose, schrecklich pinkfarbene Album erschienen, eigentlich alles richtig: Die 1992 im von Grunge verseuchten Seattle gegründete Band ist einerseits zuckersüß in Gesang und Harmonien, spielt gekonnt mit rauhem und weichem Gesang, andererseits ist das Schlagzeug direkt und laut, wühlen die Gitarren wuchtig und weit vom überproduzierten Süßkram, der heute als „Emo“ verkauft wird und dabei doch oft nicht mal guter Pop ist.

Was mich aber damals störte und auch heute noch so empfunden wird: SUNNY DAY REAL ESTATE kommen nie aus sich heraus, werden nie so wütend wie SAMIAM bei „Capsized“, hatten und haben für mich immer den Ruch des ewigen Zweiten.

Doch mit 15 Jahren Distanz sieht man manches weniger eng, und so höre ich durchaus mit Genuss nach langer Zeit wieder diese beiden einflussreichen Alben, die Sub Pop jetzt neu aufgelegt hat – passend zu einer erneuten Reunion.

Denn 1995 aufgelöst, hatten sich SDRE schon 1997 wieder zusammengefunden, als Nate Mendel parallel zu seiner Tätigkeit bei den FOO FIGHTERS in beiden Bands spielte, und bis zur scheinbar endgültigen Auflösung 2001 entstanden mit „How It Feels To Be Something On“ (1998) und „The Rising Tide“ (2000) auch noch zwei Spätwerke.

2009 sind SUNNY DAY REAL ESTATE („Sonnentag-Immobilien“ – manche Bandnamen muss man sich wirklich in deutscher Übersetzung auf der Zunge zergehen lassen ...) plötzlich wieder aktiv, touren in den USA, und ob nun die Idee für die Reunion oder für die Reissues zuerst da war, ist eigentlich auch egal.

Beide CDs kommen im Papp-Digipak mit Bonustracks und dickem Booklet mit Linernotes – Klassiker, die in keiner soliden Sammlung fehlen dürfen.