FACTORY

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Die punkaffine Musikszene von Washington, D.C. reduziert man gerne auf Dischord Records und deren Bandumfeld, und so wichtig diese auch gewesen sein mag, so gab es doch auch noch andere Bands in der Stadt.

THE FACTORY beispielsweise, die von Mitte der Achtziger bis Anfang der Neunziger existierten und ein krasser Gegenentwurf waren zum drogenfreien Kult der MacKaye-Jugend. Kopf der Band war Vance Bockis, dessen Namen man kennt von THE OBSESSED (der anderen Band von SAINT VITUS-Wino), 9353 und PENTAGRAM. Der frönte hier nicht dem Doom-Rock, sondern seiner Vorliebe für den Proto-Punk der Siebziger, und so klingen die zehn Songs hier auch wie eine permanente Huldigung von DEAD BOYS, NEW YORK DOLLS und Johnny Thunders Soloplatten, erinnern hier und da angesichts typischer Achtziger-Instrumentierung mit Saxophon und Mundharmonika auch an LORDS OF THE NEW CHURCH. Das ruft Bilder von langhaarigen, auftoupierten Glam-Punk-Frisuren hervor, und genau so sehen Bockis und Co.

auf den Fotos im Booklet auch aus. Im Vergleich zu den zeitgleich aktiven Hardcore-Punks der Stadt wirken sie unglaublich altmodisch und mich würde interessieren, ob es hier irgendwelche Überschneidungen personeller Art gab.

Eine habe ich gefunden: Die ersten fünf Songs von 1985 wurden von Don Zientara im Inner Ear-Studio aufgenommen. Diese und andere Aufnahmen grub die Band nach einem Anruf von Acetate Records-Boss Rick Ballard (der heute zwar in L.A.

lebt, aber aus D.C. stammt) aus, und so entstand dieser posthume Release einer Band, die es während ihrer aktiven Phase nur zu einer Veröffentlichung in Form eines Compilation-Tracks brachte.

Sicher kein essentieller Release, aber wer sich für D.C.-Punk, Glam-Punk und/oder das Schaffen von Vance Bockis interessiert, sollte zugreifen.