MORRISSEY

Bona Drag

Dieser Morrissey ist ein seltsames Phänomen: Seit 25 Jahren scheint seine Musik der einzige freundliche Aspekt seiner Person zu sein, gibt er doch sonst permanent den Kotzbrocken – oder ist das nur eine Kombination aus Image-Spielerei einerseits und der britischen Schmierenpresse andererseits, die nur darauf lauert, was die Pop-Diva möglicherweise Verdrehenswertes von sich gibt? Nach meinem Interview mit John Lydon neulich halte ich es sogar für möglich, dass Morrissey eigentlich ganz nett ist  – worin mir die Heerscharen devoter Fans sowieso zustimmen werden.

1990 erschien „Bona Drag“, das zweite Solo-Album nach dem Ende der SMITHS, und wie schon bei den SMITHS, die es schafften, mit Single-only- und Album-only-Releases sowie Zusammenstellungen ersterer einen nur für Fans überblickbaren Werk-Kanon aufzubauen, setzte Morrissey auch solo dieses Spiel fort, so dass „Bona Drag“ eben nur bedingt ein „richtiges“ Album war, sondern vielmehr eine Zusammenstellung der sechs zuvor erschienenen Singles nebst B-Seiten-Tracks, ergänzt um die damals neue Nummer „Piccadilly Palare“.

Die Neuauflage von „Bona Fide“ enthält neben den originalen 14 Songs noch sechs unveröffentlichte Bonustracks. Ob letztere ausreichen, eine ältere Version des Albums zu ersetzen, hängt vom individuellen Grad des Morrissey-Fanatismus’ ab, ein Klassiker ist das Album in jedem Fall.

Kommt als Doppel-LP und Digipak-CD mit angeblich „seltenen“ Fotos im Booklet. Nun ja, wer glänzende Augen bekommt bei jeder neuen Pose Morrisseys, der bekommt damit ein weiteres Kaufargument geliefert.