ROYAL TRUX

s/t (First)

Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich dazu geeignet bin, die Neuauflage der ersten vier, ursprünglich auf Drag City erschienenen ROYAL TRUX-Alben so richtig zu würdigen, denn mein Verhältnis zur Band um Neil Hagerty und Jennifer Herrema war doch immer sehr angespannt, ganz freundlich ausgedrückt.

Sicher, bei ROYAL TRUX handelt es sich neben Jon Spencers großartiger BLUES EXPLOSION um den anderen legitimen Nachfolger der legendären, verdammt kaputten PUSSY GALORE. ROYAL TRUX gründete Gitarrist Hagerty mit seiner 16-jährigen Junkie-Freundin Herrema nach seinem Ausstieg bei PUSSY GALORE 1987 und veröffentlichte unter diesem Namen über einen Zeitraum von 13 Jahre Platten, die durch ihren offen zur Schau getragenen Dilettantismus und ihre nihilistische Zerstörungswut seine alte Band noch zu übertreffen wussten.

Zumindest bis Mitte der Neunziger, als das Junkie-Pärchen seine Drogenabhängigkeit hinter sich ließ und irgendein Bekloppter bei Virgin ROYAL TRUX für drei Platten unter Vertrag nahm. Allerdings war das zweite Album „Sweet Sixteen“ von 1997 dann so miserabel, dass Virgin den beiden angeblich eine Menge Geld anbot, damit sie die dritte Platte erst gar nicht mehr aufnahmen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren Hagerty und Herrema dann im Mainstream angekommen und Herrema durfte fortan für Calvin Klein posieren. Herrema gilt seitdem als Indierock- und Stilikone und passte perfekt zum damals angesagten „Heroin chic“, bei ihr eine Mischung aus Magersucht, übergroßen Porno-Sonnenbrillen und Zottelfrisuren, die den meisten Teil des Gesichts bedeckten – inzwischen ähnelt sie immer mehr einer nicht ganz so abgewrackten Courtney Love.

2001 trennten sich die beiden als Band und Lebensgefährten und ließen ihrer Kreativität unabhängig von einander freien Lauf, als RTX und THE HOWLING HEX, allerdings soll angeblich dieses Jahr ein neues ROYAL TRUX-Album erscheinen, ich bin gespannt.

1988 erschien jedenfalls das unbetitelte Debütalbum von ROYAL TRUX mit 16 Songs, die so klingen, als ob eine Schülerband, die noch nie zuvor ein Instrument in den Händen gehalten hat, die Stones und klassischen Blues vergewaltigt.

Entweder kam der Dealer mal wieder zu spät oder hatte Hagerty und Herrema mit schlechtem Stoff versorgt, anders kann man sich diese schmerzhafte Demontage kaum erklären. Wobei das Ganze so radikal ist, dass man sich fast schon wieder fragt, ob durch den Heroin-Nebel nicht doch eine Spur Genialität wabert.

Zwei Jahre später veröffentlichten Hagerty und Herrema dann das epische Doppelalbum „Twin Infinitives“. ROYAL TRUX klangen jetzt etwas mehr nach echter Band mit richtigen Songs, ohne dass das Endergebnis dadurch unbedingt weniger atonal oder destruktiv wäre – Rock’n’Roll, der aus den Untiefen einer völlig versifften Mülltonne hervorgeholt wurde, SONIC YOUTH wirkten dagegen wie Chartsmusik.

Wer diese gut 60 Minuten durchsteht, ist auf jeden Fall um eine beeindruckende Erfahrung reicher, was nur wenige Platten von sich behaupten können, etwa Beefhearts „Trout Mask Replica“ oder Lou Reeds „Metal Machine Music“.

Und möglicherweise ist „Twin Infinitives“ sogar ein verkanntes Meisterwerk der Musikgeschichte, denn was Hagerty und Herrema hier an bizarren Sounds auf den Hörer loslassen, kommt einem angsteinflößenden Trip in die Untiefen der menschlichen Psyche gleich.

1992 folgte das dritte, erneut titellose Werk, bei dem ROYAL TRUX dann richtige Songs schreiben wollten, was sogar durchweg gut gelang. Man klang zwar kaputt, aber sexy – sleaziger, rotziger Junkierock, der eventuell ehrlicher und authentischer war als das, was die amerikanische Rockmusik zu dieser Zeit ansonsten zu bieten hatte, was ich damals aber noch nicht richtig verstand.

„Cats And Dogs“ war dann das vierte und letzte Album vor dem Major-Deal für ROYAL TRUX und deutete bereits die spätere Marschrichtung hin zu komischem 70s-Hardrock an. Das Ganze besitzt hier allerdings noch einen Grad an Distortion und Atonalität, wodurch die Songs immer wieder komplett auseinanderfallen, was „Cats And Dogs“ zu einem äußerst spannenden Spagat zwischen musikalischem Traditionsbewusstsein und Demontage gewohnter Rockstandards werden lässt, mit einigen ausschweifenden psychedelischen Passagen.

Also muss ich wohl doch noch mal meine bisherige Meinung bezüglich ROYAL TRUX überdenken, zumindest zum Teil, und das damals von mir als ziemlich fürchterlich empfundene, wieder bei Drag City erschienene „Accelerator“-Album von 1998 rauskramen – mal sehen, was damit nicht stimmte.