OCTOPUS

Rubber Angel

Irgendwie habe ich den Eindruck, die meisten Leute, die von Krautrock reden, vergessen immer die „rockigeren“ Bands und Projekte, die es auch gab, und stürzen sich nur auf die stilprägenden Bands, die jetzt schon jeder herunterbeten kann.

Sicher haben es diese Bands verdient, denn sie waren absolute Avantgarde und sind dank ihrer ungebrochenen und zeitlosen Kreativität immer noch aktiv. Eigentlich nennt jede Elektronik-Gruppe Krautrock als ersten Einfluss und ich wundere mich doch sehr, dass niemand zu den Konzerten kommt.

Selbst bei NEU! waren nur ein paar Söhne anwesend und sonst die immer gleichen alten Männer. Ganz anders die Progressiv- oder Hard-Rocker, deren Fangemeinde immer noch treu zu den Konzerten kommt.

Sicher, manche Idee oder musikalische Reise klingt heute ein wenig überholt oder provinziell, aber damals war auch das in Deutschland absolutes Neuland, wurde neben den ganzen elektronischen Vordenkern als absolut Gleichberechtigt angesehen.

Der beste Beweis ist und bleibt das SKY-Label, welches diese beiden Wege hervorragend vereinte und auch die beiden OCTOPUS Alben Nummer zwei und drei veröffentlichte. Nach dem Erfolg des Debüt „The Boats Of Thoughts“ erschien relativ schnell „An Ocean Of Rocks“, das die Gruppe weiterhin in Topform zeigt.

Klassischer, sehr eigenständiger und dynamischer Progrock mit vertrackten Arrangements, einer wuchtigen Hammond-Orgel, sehr spacigen Synthesizern und einer insgesamt befreit aufspielenden Band.

Die klare und dennoch markante Stimme von Jennifer Hensel ist auch weiterhin das Aushängeschild. „Rubber Angel“ klingt dagegen wesentlich songorientierter, aufgeräumter und moderner. Die Band hat sich entwickelt und schafft es wirklich, die progressiven Klänge und komplexen Spieltechniken mit einer wunderbaren Grundleichtigkeit zu verbinden.

Einige Kritiker sahen darin damals eine Anbiederung an den Mainstream, aber der Erfolg blieb trotzdem aus. Über die vierte, deutschsprachige LP breiten wir hier den Mantel des Schweigens, denn diese Band hat nichts mehr als den Namen mit OCTOPUS zu tun.

Alle drei Alben kann man Freunden des deutschen Prog/Krautrocks uneingeschränkt empfehlen, denn neben der Musik bekommt man auch technisch einwandfreie Überspielungen und ausführliche Linernotes im Digipak.

Einziges Versäumnis: Es gibt kein Live-Material, alternative Aufnahmen oder sonstige Bonustracks, was ich persönlich sehr schade finde. Vielleicht hat Sireena ja noch ein Ass im Ärmel und präsentiert eine komplette neue CD.

Wenn nicht, wurde hier eine historische Chance vertan.