VOLXSTURM

Ein kleines bisschen Wut

„Am braunen Dreck wird nicht geleckt, weil uns Scheiße einfach nicht schmeckt! Skinhead! Oi!“ Wer hier immer noch Kontroverses vermutet, ist im Web besser aufgehoben. Hier wird nicht geheuchelt und gemauschelt, sondern zum 20-jährigen Bestehen einer rausgehauen.

Was als „kleines bisschen“ tituliert wird, ist in Realität ein fast erdrückendes Komplett-Paket einer Band, die sich seit jeher mit dem Rücken zu Wand sah, nicht wenige unterstellten ihr fragwürdige Tendenzen.

Zum Glück ließen sich die fünf Jungs davon nicht ausbremsen. Während sich Miesepeter längst ins bürgerliche Leben verabschiedet haben, steht die Band wie hierzulande nur STOMPER 98 zu ihrem Kult – den Skinhead Way of Life.

Und nun das: Ein großartiges Album, das musikalisch und textlich up to date ist, wie eine Seelenreinigung wirkt. Aus jugendlichen Raufbolden sind „erwachsene“ Familienväter geworden und das hört man.

„Biertrinken ist (immer noch) wichtig“, aber Persönliches steht mittlerweile vor Szenerelevantem: „Ich mache, was ich sag, scheißegal, wenn’s keiner mag!“ („Szenetotentanz“). Viel rockiger und differenzierter, teils ruhiger, zeigt sich die Band in zwölf Songs von ihrer besten Seite.

Alles an Bord, für eine Streetpunk-Kaperfahrt, die „immer hart am Wind“ ist. Schon das überragende Akkordeon-trifft-Streicher-Intro, das direkt in „Ich hab die Straßen gesehen“ übergeht, macht klar, hier hat das Quintett alles reingesteckt, was in ihm steckt.

Nicht nur Proberaum- und Studiozeit sondern auch Geld. Denn die Verpackung sprengt jeden Rahmen der Vernunft. Die CD kommt inklusive ultradickem Begleitbuch (Texte, Persönliches, Poesie) und einer DVD mit Kurzfilm, zwei Musikvideos und interaktivem „Moviegame“.

Moderner Scheiß, aber Punk muss weitergehen. Der noble Pappschuber ist da schon eher was für konservative Genießer. Das Vinyl hingegen wartet im schicken Klappcover, streng limiterter vierfarbiger Auflage – nur je 120! – und einem Kartenspiel (!), womit ihr „Streetpunk-Quartett“ spielen könnt, auf.

Alles andere als ökonomisch vernünftig, aber wer nicht nur hören will, kann zusätzlich noch fühlen. Danke dafür. Sagenhaft. Die Songs sind bissig, abwechslungsreich und überraschend wie nie.

Mehr Pop und mehr Punk machen die Essenz. „Spuren im Schnee“, „Ich bin“ und „Carpe diem“ glänzen mit gelungenem Wechselgesang. Schön kommen auch die mehrfach eingesetzten Bläser, die besonders beim letztgenannten und bei „Akkorde unseres Lebens“ richtig Dampf machen.

Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Song zur neuen Unity-Hymne avanciert. „Ich sehe die Skinheads ... Punks ... Boot-Boys. Los kommt und tanzt!“ Damit machen sie verlorenen Boden zu den BROILERS wieder gut.

„Attitüde, Freundschaft, Stil“ schließlich ist ihre konsequente Szene-Selbstdefinition. Der beste Oi!-Punk weit und breit. Gratulation VXS!