CHRONIK DES CTHULHU-MYTHOS I & II

H.P. Lovecraft

Es war sicher kein Zufall, dass H.P. Lovecraft sein 1927 erschienenes Essay „Supernatural Horror in Literature“, das die Entwicklung der „Gruselliteratur“ und deren Autoren analysierte, mit dem Satz „The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown“ einleitete, schließlich war die Angst vor dem Unbekannten auch Hauptmotiv in seinen eigenen Erzählungen.

Vor allem in denen, die sich mit dem von ihm erschaffenen (aber wohl erst später von seinem Verleger und Freund August Derleth so bezeichneten) Cthulhu-Mythos befassen, der vor allem in Lovecrafts späteren Lebensjahren sein Werk bestimmte.

Gerade in diesen oft ähnlich aufgebauten Geschichten (Salopp ausgedrückt: jemand entdeckt und schlimmstenfalls erweckt anhand von Büchern, Ereignissen oder Forschungen Übernatürliches und verfällt dem Wahnsinn) konnte der 1890 geborene und 1937 an Darmkrebs gestorbene, sich in der Moderne unwohl fühlende und oft nur per Brief kommunizierende, Lovecraft seine eigene Furcht vor allem Fremden ausdrücken, indem er mit diesen „great old ones“ genannten, außerirdischen und gottähnlichen Wesen wie auch immer verbundene Schrecken entstehen ließ, die durch Zurückhaltung und ohne Neugier vermieden hätten werden können.

Trotz auch noch heute geäußerter Kritik, unter anderem wegen seiner Adjektivverliebtheit und der rudimentären Charakterzeichnung, ist Lovecrafts Einfluss auf die Unterhaltungskultur beinahe des gesamten 20.

Jahrhunderts unbestreitbar und gerade der Cthulhu-Mythos hatte und hat „unheimlichen“ Einfluss auf Musik, Film und natürlich (Horror)-Literatur. Letzteres leider mit der Folge zig untalentierter Schreiber, die größtenteils furchtbarste Geschichten rund um die „Großen Alten“ verbrechen.

Diese Nachahmer werden zudem meist weniger von Ehrerbietung als kommerziellem Kalkül getrieben und erweisen sich damit als respektlos vor Lovecraft, der zu Lebzeiten wenig erfolgreich war, verarmt starb und gezwungen war, sein Geld als Lektor von eben solchen Möchtegern-Autoren zu verdienen, deren Stümperei er nicht selten zu beinahe eigenen Werken umschrieb.

Der in Leipzig ansässige Festa Verlag, der auch schon Lovecrafts gesammelte Werke in sechs Bänden veröffentlicht hat (in deutscher Sprache vollständiger ist da wohl nur die bei Edition Phantasia erschienene und sehr teure Gesamtausgabe samt Korrespondenz und Gedichten) hat jetzt alle Erzählungen Lovecrafts, die sich um Cthulhu, Azathoth, Nyarlathotep, Shub-Niggurath, Yog-Sothoth und die anderen „blasphemischen“ und „abscheulichen“ Viecher drehen, in zwei Bänden zusammengefasst, jeder Geschichte aber eine ausführliche Erläuterung des Religionswissenschaftlers und Experten für fantastische Literatur Marco Frenschkowski vorangestellt, deren Informationsgehalt diese Veröffentlichung (und einen erneuten Kauf ...) tatsächlich beinahe rechtfertigt.

Die Erzählungen wie „Der Ruf des Cthulhu“, „Der Fall Charles Dexter Ward“, „Berge des Wahnsinns“, „Die Farbe aus dem All“ oder „Der Schatten über Innsmouth“ liegen hier auch wieder in der komplett neuen Festa-Übersetzung vor, die sich näher am Original bewegt (den vor allem älteren Lesern bekannten Suhrkamp-Übersetzungen wurden ja oft Unvollständig- und Schlampigkeit vorgeworfen; die bei Edition Phantasia veröffentlichte Gesamtausgabe griff nur korrigierend ein).

Gleichzeitig wurde Lovecrafts Stil aber dezent modernisiert, was man natürlich kritisieren kann, beruht doch diese quasi „veraltete“ Sprache auch auf Lovecrafts Begeisterung für das 18. Jahrhundert und seiner beinahe vollkommenen Ablehnung der Moderne.