PYROLATOR

Inland / Ausland

Letztes Jahr hatte Kurt Dahlke aka „Pyrolator“, Komponist, Musiker und Softwareprogrammierer, Gründungsmitglied von DAF, Mitbegründer des Schallplattenlabels und Musikverlages Ata Tak und Mitstreiter von DER PLAN und damit einer der Wegbereiter deutscher Elektronikmusik in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, ein neues Album namens „Neuland“ aufgenommen.

32 Jahre nach seinem ersten Album „Inland“ und 24 Jahre nach seinem letzten Album „Traumland“ von 1987. Dieser große zeitliche Abstand manifestierte sich auch deutlich in der Musik, denn von der früheren Protesthaltung oder musikalischen Radikalität eines Albums wie „Inland“ war auf „Neuland“ mit seiner geschmackvollen, wenn auch konventionellen elektronischen Clubmusik nicht mehr allzu viel zu spüren.

Die ursprünglich 12 Stücke (die bereits bei früheren Rereleases auf 18 aufgestockt wurden) spannten den Bogen von Industrial zu Ambient-Elektronik, wofür natürlich bereits einige Jahre zuvor andere Bands wie THROBBING GRISTLE in England oder hierzulande KLUSTER beziehungsweise CLUSTER den Grundstein gelegt hatten.

Dennoch beeindruckt „Inland“ auch heute noch durch seine kompromisslose Soundästhetik, die entweder brutal disharmonisch ist oder sogar zeitgenössischen Synthie-Pop und dessen naiv-fröhliche Melodiösität aufgreift.

Im Gegensatz zu vielen anderen Elektronik-Platten dieser Zeit hört man „Inland“ überraschenderweise in keiner Sekunde an, dass das Album inzwischen über 30 Jahre alt ist. Ein erstaunlich zeitloses Werk, das sogar regelrecht modern klingt, eingespielt mit dem Korg MS-20, einem der legendärsten Analogsynthesizer der späten Siebziger.

Darüber hinaus ist „Inland“ der wortlose Ausdruck von Dahlkes damaliger Protesthaltung, und vielleicht mehr Punk als so manche damalige Punk-Platte. Zwei Jahre später bei „Ausland“ (auch dieses Rerelease wurde wie bei früheren CD-Versionen um acht Bonustracks erweitert) sah die Welt dann schon etwas fröhlicher aus und lässt sich musikalisch etwas besser in Einklang mit Dahlkes aktuellem Schaffen bringen.

Eingespielt wurde das Album mit DER PLAN-Mitstreiter wie Frank Fenstermacher oder Holger Hiller von PALAIS SCHAUMBURG. Im selben Jahr hatten DAF „Alles ist gut“ aufgenommen (mit „Der Mussolini“) und dieser Einfluss ist auch auf „Ausland“ zu spüren, das extrem funkige Elektro-Punk/NDW-Sounds enthält, mit dem Unterschied, dass Dahlkes textlicher Nonsens mehr aus der DER PLAN-Ecke kommt.

Ebenfalls gut heraushören kann man LIAISONS DANGEREUSES, gegründet vom ehemaligen DAF-Mitglied Chrislo Haas, oder auch die Schweizer YELLO. Sieht man mal von der teilweise etwas albernen textlichen Ebene ab, ist „Ausland“ rein musikalisch ähnlich zeitlos wie „Inland“, nur dass Dahlke hier deutlich stärker an zeitgenössischer Popmusik interessiert war – gänzlich auf schrägere experimentelle Momente verzichtet, hatte er dabei aber dennoch nicht.

Zwei absolut wegweisende Alben im Kontext deutscher Elektronikmusik, auch wenn diese innerhalb der damals grassierenden Deppen-NDW nie die Popularität von etwa DAF erreichten.