HARMFUL

Sick And Tired Of Being Sick And Tired

Erst mal Zwischenbilanz: 20 Jahre, acht Alben! Wo andere Bands sich längst „weiterentwickelt“ oder die Flinte ins Korn geworfen haben, um einer vernünftigen Arbeit nachzugehen, nehmen HARMFUL ihre rotzigste Platte auf.

Obwohl eines der ersten Mitglieder der legendären BluNoise-Familie, waren sie doch immer so etwas wie die ungeliebten Stiefkinder zwischen all den Szenegrößen wie BLACKMAIL, SCUMBUCKET oder ULME.

Vielleicht lag es daran, dass alle genannten Bands einen eigenen, unverkennbaren Stil hatten. HARMFUL waren immer eklektisch, klauten sich zusammen, was sie brauchten, und begruben alles unter einer noisigen Wall of Sound.

Trotzdem kam irgendwann der Majordeal, Dave Sardy durfte produzieren, dann der Ärger mit dem Label, Lizenzierungsschwierigkeiten und dann, 2005, längst wieder auf einem Indielabel gelandet, mit „Sis Masis“ die Abkehr von der Zerstörungswut.

Stattdessen richtige Songs, die hängen bleiben, dann die Zusammenarbeit mit Billy Gould von FAITH NO MORE, ein Support-Slot auf deren Reunion-Show und der Wille, es doch noch einmal wissen zu wollen.

Bandkopf Aren Emirze sammelt mit seinem Ein-Mann-Projekt EMIRSIAN zusätzliche Einflüsse, die sich positiv auf seine Hauptband auswirken. Anfang 2012 dann eine erneute Zäsur: Nico Heimann schmeißt die Trommelstöcke in die Ecke, nach fast 20 Jahren kommt es zum ersten Besetzungswechsel in der Bandgeschichte.

Für ihn übernimmt Flo Weber, der Drummer von SPORTFREUNDE STILLER. Und jetzt: das neunte Album. Eingespielt unter der Aufsicht von Moses Schneider. Von Eingewöhnungsschwierigkeiten des neuen Mannes am Schlagzeug keine Spur.

Weber muss das erste Mal in seinem Leben richtig arbeiten und schuftet wie ein Brunnenputzer. Und liefert eine Energieleistung ab, die die beiden Band-Urgesteine Emirze und Aidonopoulos anscheinend nochmal ein gutes Stück nach vorne pusht.

Gerade Letzterer dominiert mit seinem virtuosen, fuzzy Bassspiel die gesamte Platte. „Sick And Tired Of Being Sick And Tired“ ist roh und dreckig und selbst in seinen ruhigen Momenten noch ziemlich laut.

Geklaut wird immer noch viel, aber diesmal wusste man, worauf es ankommt. Der Titelsong beispielsweise würde auch QUEENS OF THE STONE AGE gut zu Gesicht stehen; das kennt man aber bereits von den letzten beiden Alben.

Diesmal allerdings hätte auch ein destruktiver Charakter wie Nick Oliveri wieder seinen Spaß daran gehabt. „Ambition“ und „Who’s going to take care“ kombinieren musikalisches Können, Wut und Aggressivität, wie es vielleicht noch NOMEANSNO und sonst nicht viele andere hinbekommen.

Bei „Cruel final“ darf Aydo Abay mitmischen, für den sind HARMFUL mittlerweile sowieso die besseren BLACKMAIL. Und „Speak in answers“ ist einfach nur wunderschöner Pop, den man so kaputt erst einmal hinbekommen muss.

Zwischen all diesen Stilen springt Emirze mühelos hin und her und beweist, was für ein fantastischer Sänger er ist. Am Ende steht es dann, HARMFULS Meisterstück. Nach 20 Jahren und acht Alben dieses Sahnehäubchen! (Diese Band war auf der Ox-CD #105 zu hören)