WILD BILLY CHILDISH & THE SPARTAN DREGGS

Dreggredation/Coastal Command/Tablets Of Linear B

„Broadcasting the future from the past“, heißt es in „Radio Dreggs“ und es erfordert nicht viel Vorstellungskraft, um darin den programmatischen Entwurf zum Childish-Gesamtwerk zu sehen, das rigoros anachronistisch dem kulturellen Zeitgeist trotzt, in seiner Rückwärtsgewandtheit dennoch immer wieder neue Maßstäbe setzen konnte – sei es mit den POP RIVETS, später mit THE(E) MILKSHAKES/MIGHTY CAESARS/HEADCOATS oder seinen bizarren Spoken-Word- und Kleinkunst-Projekten.

Er etablierte den raunchy Sixties-Punk, der bis heute den Sound der DG-Releases dominiert; verhalf dem Medway-Garage auf die Welt und prägte damit nachhaltig „alternative“ Musikkultur; wurde Role-Model für musikalisches Eigenbrötlertum.

Nach Ausfallschritten in verschiedenste Gefilde westlicher Musikgeschichte zeigten sich nicht zuletzt bei den BUFF MEDWAYS Tendenzen zu einem Sound, der bei den VERMIN POETS seinen Höhepunkt fand: ein Backlash zur klassischen Punk-Instrumentierung und -Songstruktur, verpackt in ein aus der Zeit gefallenes Gewand aus antiquierter Grammatik, ironischen Texten und barocken Harmonien.

Die akustische Nähe der SPARTAN DREGGS zu den VERMIN POETS kommt nicht von ungefähr, handelt es sich doch fast um die identische Besetzung, bei der einzig Juju Claudius fehlt, Wolf Howard demzufolge die Drum alleine besetzt, während Neil Palmer wie gehabt Gesang und Gitarre beisteuert.

Es sind also alte Weggefährten, mit denen Childish (der entgegen der durch die gesonderte Nennung im Bandnamen hervorgerufenen Erwartungen „nur“ den Bass schnarren lässt und kaum zum Songwriting beiträgt) sich hier umgibt und inbrünstig und bewusst den spottenden Amateurismus inszeniert, den man ohne Kenntnisse seiner störrischen Querköpfigkeit, sein spottendes Verhältnis zur „Kunst“ ebenso wenig als solches erkennen würde wie den Schachzug hinter der Release-Politik dieses Tripple-Opus.

„Dreggredation“ und „Coastal Command“ werden im regulären Handel erworben, woraufhin man Gutscheine von deren Backkcovern ausschneidet und sie zusammen mit fünf Euro per Briefpost ans DG-Headquarter schickt, um „Tablets Of Linear B“ zugeschickt zu bekommen.

Zynisch ist das, denn damit trifft Childish seine Fans, in der Regel Die-hard-Collectors, dort, wo es am meisten schmerzt: an der Unversehrtheit des Sammelobjekts. Dabei sind es einzig und allein diese Leute, die von den SPARTAN DREGGS angesprochen werden; herkömmliche Hörgewohnheiten audiophiler Pleasure Seeker würden zu sehr strapaziert: immer wenn sich eine monoton-rumpelnde Strophe in einen melodiösen Refrain rettet, kann man sich sicher sein, dass der vermeintlich sichere Wohlklang innerhalb der nächsten Sequenz in sich zusammenstürzt.

Vorhersehbare Unberechenbarkeit herrscht, in der die eigenen Fertigkeiten auf die Schippe genommen und die wirkliche Meisterschaft in der Schmalspur-Darbietung gesucht wird. Man braucht sich gar nicht lange zu fragen, was das soll, die Antwort geben die SPARTAN DREGGS selber: „We’ve written our song and done our duty.“