TOMAHAWK

Oddfellows

Ist Mike Patton eigentlich reich? So reich wie DIE ÄRZTE oder DIE TOTEN HOSEN? So reich, wie man sein sollte, wenn man internationaler Rockstar mit Charthits ist (auch wenn das schon ein paar Jahre her ist), wenn man riesige Arenen füllt (zuletzt 2011 mit FAITH NO MORE)? Man sollte es sein, wenn man halbwegs klug ist und sich nicht hat verarschen lassen.

Aber was bedeutet schon reich? Ein protziges Haus, hässliche Autos, teure Hotels? Das ist Reichtum für Kleingeister. Reichtum, wie ich ihn bei Mike Patton vermute, besteht darin, künstlerisch eigene Wege gehen zu können, ein eigenes Label zu betreiben, die unterschiedlichsten und eigenwilligsten Platten zu machen, die außer einem selbst erstmal keiner verstehen muss – siehe etwa das „Mondo Cane“-Album von 2010, für das er italienische Pop-Songs aus den Fünfzigern und Sechzigern aufnahm.

Sowieso ist Patton seit dem Ende von FAITH NO MORE 1998 ein manischer Workaholic, der so viele Projekte und Ideen laufen hat, dass man das kaum noch überblicken kann. Und nun ist also – die devote Mike Patton-Fangemeinde juchzt „Endlich!“ – mit „Oddfellows“ ein neues TOMAHAWK-Album erschienen, das erste seit „Anonymous“ (2007), für das man sich damals nicht ganz so viel Zeit gelassen hatte, war „Mit Gas“ doch 2003 veröffentlicht worden, das titellose Debüt 2001.

TOMAHAWK sind aktuell neben Mike Patton („Der ist da nur der Sänger“, sagte einer zu mir, der mit der Band schon gearbeitet hat) natürlich Duane Denison (Gitarre; der geniale Kopf hinter THE JESUS LIZARD, später u.a.

bei LEGENDARY SHACK SHAKERS, und der eigentliche musikalische Kreativmotor von TOMAHAWK), John Stanier (Drums; einst bei HELMET, derzeit außer mit TOMAHAWK auch mit BATTLES und THE MARK OF CAIN aktiv) und seit diesem Album Trevor Dunn (Bass; u.a.

MR. BUNGLE, FANTÔMAS), der Kevin Rutmanis ersetzt, der während der Aufnahmen zu „Anonymous“ ausgestiegen war. Eine beeindruckende Ballung von musikalischer Kompetenz, keine zusammengecastete All Star-Band, sondern Menschen, die das gleiche Alter haben (interessanterweise sind bis auf Denison, zu dem ich keine Informationen finde, alle anderen Jahrgang 1968) und ein gemeinsames Verständnis von Musik, eine ähnliche musikalische Sozialisation haben.

Diese Menschen schufen nun das – in weiser Selbsterkenntnis? – „Außenseitertypen“ betitelte Album, das einen disparaten Eindruck hinterlässt. Da ist zum einen der „Hit“ „Stone letter“ auf Position 2, eine klassische, eingängige Rocknummer, oder auch das düstere „The quiet few“ (dessen seltsamer Gitarrenlauf mich an „How soon is now?“ von den SMITHS erinnert), aber auch „I.O.U.“ mit leise tickendem SISTERS OF MERCY-Drumcomputer, das straight-soulige „White hats/black hats“ ...

„Oddfellows“ ist eines jener Alben, die man sich ins Hirn hämmern muss, so oft anhören, bis sie wirken. Zu Beginn wirkte es unzugänglich, erst bei höherer Dosierung erfasst man die Feinheiten, erkennt die Songs, die nicht sofort zünden, sondern nach und nach und wegen Pattons mal wieder facettenreicher Vokalakrobatik ihre Wirkung entfalten.

Ist so ein Album potentiell massentauglich, sowieso nur nerdige Minderheitenmusik? Ich bin betriebsblind, ich kann sowas nicht beurteilen.