MESSER

Die Unsichtbaren

Ihre Musik ist unangepasst, befremdlich und verweigernd. Ihre Kompositionen sind Gegenentwürfe zum oberflächlichen Indie-Bla-Bla, die Texte stark literarisch geprägt. Ihre Arrangements folgen keiner Hit-Formel und biedern sich keiner Schublade an.

MESSER agieren in einem Referenzrahmen aus Post-Punk, Underground und Krautnoise, den sie allerdings jederzeit dekonstruieren könn(t)en. Die Nähe zum Pop, die durch die Auswahl der Vorabsingle „Neonlicht“ suggeriert wurde, ist somit kein Zufall, sondern gewolltes Zitat, nicht um der Wiederholung Willen, sondern um daraus und darum etwas Neues zu erschaffen, mit Biografie zu spielen, Möglichkeiten zu eröffnen („Dann passiert etwas, Dinge ändern sich, Türen öffnen sich ...

“, aus „Staub“). Dabei profitieren sie von den Schnittpunkten ihrer Komplexität, präsentieren sich medial durchaus omnipräsent und gar nicht so introvertiert und distanziert wie „Die Unsichtbaren“.

Zitatreich verweisen sie nicht nur in Text und Musik auf Einflüsse aus Kunst, Literatur, Film und Musik, sondern auch in ihren web2.0-postings, oder zum Beispiel in Otrembas Obsession für Romy Schneider, welche ihre Entsprechung im Covermotiv findet, einem Öl-Porträt der rauchenden Diva: einerseits spiegelt es auf den letzten Song des Vorgängeralbums, andererseits verweist die erneute Verwendung eines Otremba-Gemäldes (das erste Album schmückte ein Porträt des Schauspielers Anthony Dawson) auf eine verlässliche Kontinuität, vielleicht sogar auf einen seriellen Ansatz.

Die Platte startet mit einem Verfremdungseffekt, nämlich einer kurzen Ansprache des Sängers: „Wir beginnen mit dem Stück „Angeschossen“. Sofort fühlt man sich klanglich unmittelbar im Raum, kann hören, wie alles atmet, sich verflüchtigt, von anderen Stimmungen verschoben wird, als würde man direkt vor der Band stehen, wie bei einem Live-Konzert, nur besser.

Anders als beim 2012er Debüt „Im Schwindel“ nahm man die Musik komplett analog und live auf, bevor dann am Computer noch Overdubs dazukamen und Sänger Hendrik im Regieraum seine Parts einsang.

Aufgenommen und gemischt wurde im Hamburger Electric Avenue Studio von Tobias Levin (KANTE, TOCOTRONIC, 206), für den die Atmosphäre und der Groove der Tracks deutlich wichtiger waren als die Präzision und die Sauberkeit.

Wer sich drauf einlässt, taumelt dank Palles spaciger Gitarrenflächen und Pogos hypnotisierenden Bassläufen in tranceartige Noise-Welten, deren akribischer Taktgeber Philipps treibendes Schlagzeug ist.

Percussionist Manuel Chittka bereichert das Münsteraner Quartett um weitere atmosphärische Schläge in die Magengrube. Hendriks Gesang ist nicht einladend, nicht mitnehmend, sondern laut warnend und ausbrechend.

„Tollwut“ und „Staub“ sind Highlights, die wie ein weit entfernter Leuchtturm im dichten Nebel Orientierung und Hoffnung geben. „Tiefenrausch“ ist das mutigste Stück Musik, das das Münsteraner Quartett bisher geschrieben hat.

Überhaupt ist die Platte spannend aufgeteilt und hat mit „Suesser Tee“ ein beeindruckendes Ende. Diese Platte ist großartig! Zweifellos!