BLAU IST EINE WARME FARBE

Julie Maroh

In einer Episode der Serie „Extras“ merkt Gaststar Kate Winslet an, dass man, um in Hollywood einen Oscar zu bekommen, in einem Film über den Holocaust mitspielen sollte. Die Spielregeln, um den begehrten Preis der Filmfestspiele von Cannes zu bekommen, sind hingegen andere.

Denn dort man kann die Jury durch penetrante Überlänge und provokante pornographische Szenen begeistern, wie es bei der Verfilmung von Julie Marohs Comic „Blau ist eine warme Farbe“ durch Abdellatif Kechiche 2013 mal wieder der Fall war.

Drei Stunden zittriger Dogma-Style, bei dem die Kritiker den Naturalismus der lesbischen Coming-Out-Geschichte priesen, man könnte aber auch die schreckliche Banalität des Ganzen bemängeln.

Zumal der halbgeöffnete Schmollmund von Hauptdarstellerin Adèle Exarchopoulos mehr im Mittelpunkt steht als eine wirklich packende Geschichte. Die Autorin war jedenfalls nur bedingt von der Verfilmung begeistert.

Drei Stunden braucht man für ihren Comic definitiv nicht, der eine nicht sonderlich tiefschürfende Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Frauen erzählt, bei der der direkt zu Beginn thematisierte frühe Tod der Hauptfigur Clementine dem Ganzen eine etwas aufgesetzte und willkürliche tragische Komponente verleiht.

Überzeugender wirkt dagegen, wie Maroh im weiteren Verlauf von „Blau ist eine warme Farbe“ die fehlende Akzeptanz des sozialen Umfelds der beiden Frauen in Bezug auf deren Gefühle füreinander darstellt.

Neue Erkenntnisse zu homophoben Tendenzen in unserer Gesellschaft liefert sie einem dabei zwar nicht, stellt aber auf jeden Fall die grundsätzliche Problematik dieses nicht ganz unwichtigen Themas empfindsam und aufrichtig dar, umgesetzt mit zeichnerisch eher reduzierten Mitteln.